Bei HEMA, dem im Frühjahr dieses Jahres gestarteten neuen Angebot des TuS Breckerfeld, kommen zwar Schwerter zum Einsatz: „Wir machen hier aber etwas ganz anderes als lustige Ritterspiele“, lacht Trainer Martin Würfel. HEMA stehe für „Historical European Martial Arts“ und ist ein Sammelbegriff für alte Kampfkünste, die vor dem 20. Jahrhundert praktiziert wurden.
Das, was mittwochabends zwischen 18 und 19 Uhr in Breckerfeld vermittelt werde, beschränke sich dabei allerdings auf den historischen Schwertkampf nach der Tradition von Johannes Liechtenauer.

Trainer mit 30 Jahren Kampfsporterfahrung
Der deutsche Fechtmeister Liechtenauer soll im 14. Jahrhundert verschiedene Kampftechniken mit dem so genannten „langen Schwert“ erforscht beziehungsweise – so geht es aus späteren historischen Manuskripten hervor – diese mittels kurzer Merkverse systematisiert oder auch selbst gelehrt haben.
Zwar ist Trainer Martin Würfel seit gut 30 Jahren überwiegend im Bereich der japanischen Kampfkunst „zuhause“ und seit 1992 graduierter „Bujinkan Budo“ (10. Dan) – dadurch ist der 49-Jährige aber auch versiert im Umgang mit unterschiedlichen historischen Waffen wie Stäben, Säbeln – und eben: Schwertern.

Trainingsschwerter in Handarbeit geschmiedet
Zum deutschen Langschwert kam Martin Würfel aus eigenem Interesse an neuen Techniken. „Das japanische Schwert ist einschneidig, das deutsche Langschwert zweischneidig – dadurch ergeben sich vollkommen andere Bewegungsmuster“, erklärt er. Die fünf vom TuS Breckerfeld für den HEMA-Kurs angeschafften Schwerter hat ein tschechischer Schmied in Handarbeit angefertigt, sie entsprechen dem Turnierstandard: „Sie sind nicht scharf geschliffen, aber trotzdem nicht ungefährlich!“

Länge und Gewicht erfordern gutes Koordinationsvermögen
Und wer einmal die Techniken des deutschen Schwertkampfes kennengelernt habe, der wisse das hohe Niveau zu schätzen. Etwa 1,20 Meter lang und gut eineinhalb Kilogramm schwer ist es – und wird daher traditionell zweihändig geführt. „Es bedarf einiges an Übung, um das Schwert koordiniert führen zu können“, so Würfel. Womit er auch schon einen wichtigen Aspekt des Trainings – nämlich Koordination – anspricht.
Distanz, Timing, Prävention
Prinzipiell sei HEMA für alle Interessenten geeignet, die offen für neue Bewegungsmuster sind: „Beim sportlichen Schwertkampf werden die Konzentration, die Balance und das Reaktionsvermögen verbessert, das Ziel sind immer koordinierte Bewegungen“, erklärt der Trainer. Nicht aus dem Affekt heraus handeln, sondern sich auf die drei wesentlichen Aspekte – Distanz, Timing und Prävention – konzentrieren: „Das ist es, was ich den Kursteilnehmern vermitteln möchte.“

Den Gegner „lesen lernen“
In einer – beim Training imaginär durchgespielten – Kampfsituation komme es darauf an, aus der Distanz eine Entscheidung für oder gegen einen Angriff zu treffen. Gleichzeitig müsse man ein Gefühl für das richtige Timing bekommen: „Den Gegner ‚lesen‘ lernen, um im richtigen Moment abwehren oder angreifen zu können.“
Quasi zeitgleich müsse ein Schwertkämpfer präventiv gedanklich durchspielen, welche Möglichkeiten der Gegner durch die eigenen Aktionen bekäme oder hätte. „Das Training ist eigentlich ein kontinuierlicher Wechsel zwischen körperlicher Anspannung und geistiger Konzentration“, so Würfel und betont: „Kraft allein ist beim Schwertkampf nicht das Entscheidende.“

Gesamte Rumpfmuskulatur wird beansprucht
„Auf jeden Fall macht es mehr Spaß als in ein Fitness-Studio zu gehen“, sagt der 50-jährige Joachim, der seit Start des HEMA-Angebotes dabei ist. Er spiele seit Jahrzehnten Handball: „Schwertkampf ist definitiv eine sehr gute Alternative zu anderen Sportarten, da die Bewegungen völlig anders sind.“ Körperlich beansprucht würden hauptsächlich die Rücken-, Nacken- und Brustmuskulatur.
Auch der Hagener Kai suchte eine neue sportliche Herausforderung: „Seit Mai betreibe ich eine eigene Selbstverteidigungsschule in Werdohl“, sagt er. Taekwondo, Jiu Jitsu, Karate – insgesamt zwanzig Jahre habe er mittlerweile Erfahrung mit asiatischem Kampfsport. „Und ich wollte einfach einmal eine Alternative zu diesen waffenlosen Techniken ausprobieren.“

Bewegung nach anderem Muster
Auch für den Breckerfelder Carsten und den Hagener Detlev ist die asiatische Kampfkunst kein Neuland, beide sind seit vielen Jahren in diesem Bereich aktiv. Als ungewohnt bezeichnen sie daher nicht die Bewegungen an sich, sondern die unterschiedlichen „Muster“ der Schwertführung: „Es ist etwas anderes, ob die Klinge einseitig oder beidseitig geschliffen ist. Daraus ergeben sich völlig andere Optionen, auf die man achten muss“, sagt Detlev.
Schutzausrüstung hält 1.600N stand
Nicht zu vergessen: Gekämpft wird im Training grundsätzlich mit Helm (auch Maske genannt) und Handschuhen mit eingearbeiteten Kunststoffplatten. Beides sei gewöhnungsbedürftig: „Die Maske schränkt mit ihrem dunklen Gitter natürlich das Sichtfeld etwas ein, hat aber immerhin einen Stichschutz von 1.600 Newton – Sicherheit geht vor“, betont Martin Würfel.

Technik ist wichtiger als Kraft
Der Trainer achtet während der Partnerübungen vor allem darauf, dass die Teilnehmer das Hauptaugenmerk auf Technik und nicht auf Kraft legen: „Beim Schwertkampf ist nicht immer die Wucht des Treffers entscheidend, sondern die exakte Platzierung.“ Auf der anderen Seite flöße es natürlich auch gehörigen Respekt vor dem Trainingsschwert und dem Gegner ein, wenn es beim Aufeinandertreffen des Stahls gehörig scheppert, sagt Martin Würfel.

Fokus liegt auf Verteidigung
Und das ist eine weitere ‚Weisheit‘, die er den Teilnehmern im Kurs vermitteln möchte: Respekt zu haben und den Gegner niemals zu unterschätzen. „Im Zweifel reicht eine Sekunde Unkonzentriertheit, und das Gegenüber übernimmt die Kontrolle“, erläutert Würfel und betont gleichzeitig: „Wie in allen asiatischen Kampfsportarten liegt auch in diesem Kurs der Fokus auf Verteidigung, nicht auf Angriff.“ Deeskalieren, abwehren, die Situation entschärfen: „Wer diesen Sport anders interpretiert, hat die Philosophie dahinter nicht verstanden,“ sagt Würfel.

Konzentrierte Action
Das HEMA-Training in der Turnhalle jedenfalls ist von relativ schnellen Wechseln zwischen körperlicher Anspannung und Konzentration gezeichnet – mal scheppern die Schwerter in actiongeladenen Gefechten aufeinander, einige Sekunden später stehen sich die Gegner konzentriert gegenüber, sammeln sich, überlegen die nächsten Schritte.
Kurze Erholungsphasen ergeben sich, wenn Martin Würfel „dazwischen geht“, Haltung und Schwertführung korrigiert oder demonstriert und die Kursteilnehmer zu „Luftübungen“ (also ohne Gegner) zusammenruft.

Teilnahme ab 16 Jahren
Auch wenn sich aktuell ausschließlich Männer mittleren Alters mittwochabends zum HEMA in der kleinen Turnhalle einfinden – prinzipiell können auch Frauen daran teilnehmen. „Die einzige Voraussetzung ist, dass die Teilnehmer mindestens 16 Jahre alt sind und Freude an konzentrierter und kontrollierter Bewegung haben“, sagt der Trainer und lädt Interessierte ein, einfach einmal an einem Probetraining teilzunehmen. „Jeder, der es mal live scheppern hören möchte, ist willkommen und kann auch erst einmal nur zuschauen, bevor er selbst ins Training einsteigt.“
Anm. d. Red.: Trainiert wird prinzipiell mit Schutzausrüstung, lediglich für unsere Fotos haben die Teilnehmer ihre Helme abgenommen.
HEMA beim TuS Breckerfeld
Kurszeit: Mittwoch, 18 – 19 Uhr
Ort: Kleine Turnhalle am Schul- und Sportzentrum, Wahnscheider Straße