Am Samstag, 12. Juli, liest der aus Altena stammende Bestseller-Autor Peter Prange in seiner Heimatstadt. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr in der Burg Holtzbrinck. Der Journalist Klaus Maliga, der Pranges schriftstellerische Laufbahn seit Anbeginn intensiv verfolgt, hat sich intensiv mit „Herrliche Zeiten“, dem neusten Werk des in Tübingen lebenden Autors, beschäftigt.
Wenn Peter Prange im Juli in seine Heimatstadt kommt und aus seinem neuesten Roman liest, dann stellt er seine „Himmelsstürmer“ vor. Wie in vielen seiner Werke zeichnet der prominente Autor Weltgeschichte anhand des Fühlens, Denkens und Handelns seiner Hauptfiguren nach. Im fünften Buch seiner Deutschland-Reihe sind es die Londoner Industriellen-Tochter Vicky, der Berliner Bauingenieur Paul und der Pariser Gourmet-Star Auguste, die in „Herrliche Zeiten“ das Entstehen des modernen, sich verbindenden Europas erleben.
Reise in die Gründerjahre
Dazu nimmt der 1955 in der Burgstadt geborene Schriftsteller und Drehbuchautor seine Leserinnen und Leser mit in die Gründerjahre des Deutschen Kaiserreiches, das 1871 als ein Ergebnis des Deutsch-Französischen Krieges erstand. Da Prange jedoch kein Geschichtslehrer ist, ja sogar immer wieder bei unterschiedlichen Gelegenheiten betonte, dass Geschichte im schulischen Sinne überhaupt nicht sein Ding sei, erzählt er das Geschehen aus dem sehr persönlichen Erleben seiner Protagonisten.
Wir haben das Glück, dass der „Altenaer Junge“ inzwischen zu den populärsten Schriftstellern im Lande zählt und die Auflage seiner Bücher, übersetzt in 24 Sprachen, die Drei-Millionen-Marke längst überschritten hat. Das hat zur Folge, dass der jetzt in Tübingen lebende Autor in einer Unzahl von Interviews, Auftritten und Berichten zu Wort gekommen ist - und dabei redegewandt und unterhaltsam Einblicke in sein Werk, seine Motivation und seine Arbeitsweise gegeben hat:
Schnell wechselnde Kapitel
„Wie wir wurden, was wir sind“ - das zu verstehen und zu vermitteln sei die große Antriebsfeder für sein Schreiben, so führte er im Interview mit dem Moderator Jörg Thadeusz beim Fernsehsender „Phönix“ aus. Dafür nimmt er seine Leserschaft bei der Hand und begleitet sie in die mehr als herrschaftliche Villa von Vickys Elternhaus, in das stinkende Kanalsystem der deutschen Hauptstadt und in die Küchen, in denen Auguste gearbeitet hat - vom kleinen Szene-Restaurant bis zum Hotelbetrieb der Weltklasse. In schnell wechselnden Kapiteln wechseln auch die Schauplätze, macht der Autor geschickt einen Schnitt und nimmt den Handlungsstrang genau an jenem Punkt wieder auf, an dem sich das nächste Drama - manchmal auch ein Freudentaumel - ankündigt.
Diese Erzählweise ist in unterschiedlicher Intensität typisch für Prange. So schafft er es, sein Publikum in das Geschehen von vor hundert oder 150 Jahren hineinzuziehen. Detailreich und trotzdem einfach geschrieben werden so die Bilder nicht vorgesagt, sondern entstehen im Kopf der Leserschaft. So behandelt der Autor sein Publikum auf Augenhöhe der jeweiligen Zeit, schreibt nicht aus der Position des Besserwissers der Nachgeborenen. Auch darin liegt begründet, dass Pranges Romane so fesselnd sind.
Zwiespältiger Umgang
Diese - darf man sauerländische Bodenständigkeit sagen? - diese Schreibweise von Altenas Literatur-Star führt zu einem zwiespältigen Umgang des bildungsbürgerlichen Altenas mit Peter Prange, diesem - auf den Literaturbetrieb bezogen - Aufsteiger-Sohn dieser Stadt. Gespräche auf der Straße zeigen mitunter die Kritik des belesenen Publikums, denen Prange zu einfach, zu vorhersehbar schreibt. Aber dann folgt dennoch das Bekenntnis: „Ich musste weiterlesen; wissen, wie es weitergeht, wie es endet.“ Wer sich trotz alledem weiter zu den Gebildeten zählen möchte, dem werden zum Lesen die ausführlich zitierten Speisenkarten des französischen Starkochs Auguste als Entschädigung serviert. Aus Angst, so übel zu kochen wie die Engländer, weigert der sich übrigens, die Sprache seines Gastlandes zu lernen, als er zeitweise in London lebte und arbeitete.
Doch wie geht es bei alledem weiter mit Vicky, Paul und Auguste? Wie endet diese Dreiecksbeziehung? Was machen Eltern, Kinder und „Kuckuckskinder“, Ehefrauen, Geschwister, Onkel, Freunde und Feinde? Die Liste der handelnden Personen ist lang, viele Figuren sind historisch belegt
Vordergründig gibt es einen Schlussstrich. Tiefer geblickt nicht. Die „herrlichen Zeiten“ präsentieren bis zelebrieren das Leben der Oberschicht, auch wenn sich die männlichen Protagonisten erst nach oben arbeiten mussten.
Geschichte wiederholt sich nicht eins zu eins
Doch auf mehrerlei Ebenen führt Peter Prange vor, wie aktuell seine „Himmelsstürmer“ sind. Geschichte wiederholt sich zwar nicht eins zu eins, aber es ist oft entmutigend, wie selten Menschen aus den schuldhaften, manchmal tödlichen Verstrickungen lernen. Die „Herrliche Zeiten“ zeigen eine dramatische Aktualität.
Die Bücher des Schriftstellers malen ein Bild jener Zeit, in der seine Figuren lebten. Hier hat sich Peter Prange tief eingelesen in die Jahre von 1871 bis 1914. Er lässt die Sprache von damals sprechen, die im Vergleich zu heute unpersönlich, ja distanziert bis zuweilen arrogant daherkommt. Er kleidet seine Figuren im Stil jener Epoche, lässt erst Pferdekutschen, dann Autos fahren; sogar eine Fotokamera taucht auf und demonstriert so den technischen Fortschritt.
Was jüngere Lese-Generationen beruhigen oder frustrieren mag: Manche Lebenserfahrungen oder -weisheiten haben Bestand:
Das Verschweigen von Kindern, wenn Fremdgehen nicht folgenlos bleibt. Das verlogene Leben, wenn man die eigene Sexualität verleugnen muss. Die drangsalierende Fürsorge von Eltern, wenn die Kinder Mädchen sind. Das Vorrecht der Großeltern, großzügiger sein zu dürfen als die Eltern. Das Verzweifeln der Menschen, wenn ihnen die eigene Herkunft verschwiegen wird. Und so weiter. Bis auf Nuancen war die Wirkung damals genauso verheerend wie heute.
Oder das Ausleben von Klassen- bzw. Milieu-Unterschieden. Wie absurd bis ekelig das Verhalten der Oberschicht ist, wenn auf einmal ein Koch, und mag er noch so berühmt sein, in die eigene privilegierte Welt eindringt. Wie abstoßend, wenn das weibliche Geschlecht wie Untertanen behandelt wird. Wie aufstachelnd, wenn ein Kellner vor Gericht zum Schuldigen wird, nur weil er Arbeiter ist.
Mag bis hierhin vielleicht ein bisschen Hoffnung aufkommen, dass sich die Welt ja doch ein bisschen weiterentwickelt hat, lässt der staatspolitische Blick erschrecken.
Peter Prange zeigt in den „Herrlichen Zeiten“ auf, wie Europa zusammenwächst. Wie Telefon und Eisenbahn die Entfernungen schrumpfen lassen. Wie Zusammenarbeit den Wohlstand nährt. Wie Internationalität den kulturellen Reichtum fördert. Wie Handel Frieden fördert. Und, und, und.
Eigentlich.
Sorgsam recherchierte Erzählung
Doch die sorgsam recherchierte Erzählung bringt langsam, ganz ruhig, den Widerstand gegen den Fortschritt ans Licht. Da trägt auf einmal der Bruder die Uniform der Afrika-Kolonisten. Da wird das militärische Auftreten im Familienkreis salonfähig. Da drängt sich der Nationalismus nach vorn. Da wird aus den Weltausstellungen von Paris, London und Wien ein Streit um die leistungsfähigere Nation. Da werden sogar die ersten Überlegungen zur Untertunnelung des Ärmelkanals für die Eisenbahn, was die Ingenieurskunst damals schon möglich gemacht hätte, zum geheimen Infiltrations-Projekt der „Froschschenkelfresser“ vom europäischen Festland. Da wird der Kurfürstendamm zum Prestigeobjekt, um den Pariser Champs-Élysée auszustechen. Die Sprache ändert sich. Unterstellungen gewinnen die Oberhand. Kriegsgeschrei wird laut.
Herrliche Zeiten - können sie bewahrt werden?
Zum Ende wird bewusst, dass das Buch ganz unbemerkt eine große Dichte bekommen hat, obwohl es sehr leise geschrieben ist. Peter Prange hatte bestimmt nicht im Kopf, dass die „Herrlichen Zeiten“ einmal in Richtung Polit-Thriller mutieren könnten, wenn er später mit ihnen auf Lesereise gehen würde. Doch der Lauf des Lebens zeigt, wie spannend es sein kann, wenn Literatur auf Wirklichkeit trifft.
Tickets für die Veranstaltung des Kulturrings Altena kosten 15 Euro. Mitglieder zahlen zehn Euro. Sie sind erhältlich auf www.kulturring-altena.de oder unter 02352 549 9878.
Text: Klaus Maliga