Das Projekt begann mit einem Brief, den Annika Kretschmann an die Kinder gerichtet hatte. Darin erklärte sie, was es mit der Glückstankstelle auf sich hat: „Ich habe euch ein Regal mitgebracht, das ihr füllen sollt – mit allem, was eurer Meinung nach Glück verbreiten könnte.“ Ganz bewusst gab die Soziologin den 6- bis 10-Jährigen dabei keinerlei „Anleitung“ oder Vorgaben, denn sie sollten ihre ganz eigenen Ideen entwickeln. Außerdem verteilte sie am ersten Tag kleine hölzerne Marienkäfer an die Kinder und schlug ihnen vor, zu testen, ob sie tatsächlich – wie es heißt – Glück bringen.
„Glück to go“ und Geduldsfäden
„Am zweiten Tag konnten die Kinder es kaum erwarten, endlich loszulegen“, lacht Marlena Luks-Vogt. Schnell hätten sie entschieden, das Regal zuerst mit etwas „Glück to go“ zu befüllen: Sie schrieben oder malten auf viele kleine Zettel, was (sie selbst) glücklich macht und klemmten diese an einen Baum. Ihre Idee: Wer traurig oder einfach mal nicht so gut drauf ist, kann sich einen der Zettel aussuchen und diesen „Glückstipp“ ausprobieren. „Aus diesen Notizen und Bildern entwickelten sie dann immer mehr Ideen“, erklärt die OGS-Leiterin begeistert.
Dabei entstanden auch aus zufälligen Bemerkungen immer wieder neue Einfälle. So habe die Praktikantin der OGS beispielsweise ganz beiläufig erwähnt, dass sie sich manchmal mehr Geduld wünsche. Die Kinder hätten dies aufgegriffen und vorgeschlagen, Geduldsfäden zu knüpfen – allerdings nur so lange, wie ihre Geduld reichte. Was am Ende zwar zu unterschiedlich langen Fäden führte: „Aber es war für die Kinder eine spielerische und humorvolle Art zu visualisieren, wie unterschiedlich groß ihre eigene Geduld ist“, so Ketschmann.
Glück steckt tief in einem selbst
„Nach zwei Tagen kam ein Mädchen kam auf mich zu und erklärte mir, sie hätte über den Glückskäfer nachgedacht“, erzählt Annika Kretschmann. „Und sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ihr der Holz-Käfer allein doch gar kein Glück bringen könne – weil Glück nämlich ‚ganz tief von innen aus einem selbst‘ heraus kommt.“ Für die Soziologin, die sich intensiv mit positiver Psychologie beschäftigt, sei dies ein weiser Moment gewesen: „Kinder verstehen oft schon intuitiv und eher als Erwachsene die wichtigsten Erkenntnisse über das Glück.“
Ein Wald voller Glückspilze
Neben Glückskäfern kannten viele Kinder natürlich auch den Begriff „Glückspilz“ und entwickelten daraus die Idee, kleine Glückspilze zu häkeln, in denen sie zusammengerollte Zettelchen mit positiven Botschaften versteckten: „Frei nach dem Motto: Kein Pilz ist zu klein, um ein Glückspilz zu sein“, lacht Marlena Luks-Vogt und Annika Kretschmann ergänzt: „Sie haben verstanden, dass Glück oft in den kleinsten Dingen steckt oder dass man es oft an Orten findet, wo man es nicht erwartet hätte.“ Am Ende sei ein regelrechter Glückswald entstanden, der ebenfalls einen Platz im Regal fand.
Glücks-Playlist
Auch Musik brachten die Kinder mit Glück in Verbindung und so erstellten sie gemeinsam eine Playlist mit Liedern, die sie fröhlich stimmten. „Viele der Titel hatten sie während des Zirkusprojekts kennengelernt, das vor einigen Wochen an der Grundschule stattfand“, sagt die OGS-Leiterin, und die Soziologin erklärt: „Die Lieder sind für sie verbunden mit positiven Erinnerungen an die Zirkus-Tage. Auch wenn sie diese lange Zeit später hören, werden sie bei den Kindern also immer ein glückliches Gefühl hervorrufen.“
Wunschknöpfe
Glücklich macht es auch, wenn Wünsche in Erfüllung gehen – daher wollten die Kinder unbedingt etwas basteln, was ihre Wünsche verstärken kann. Dabei herausgekommen ist ein Kästchen voller „Wunschknöpfe“: Auf kleinen Zetteln befestigt, lassen sie sich bei Bedarf in die Hand nehmen, fest drücken und wenn man dann bei geschlossenen Augen den Wunsch flüstert, würde er in Erfüllung gehen. Annika Kretschmann zeigt sich begeistert: „Die Kinder sind hier von ganz allein auf einen wichtigen Aspekt der positiven Psychologie gestoßen: An das Gute zu glauben und das Positive zu sehen, macht schon ein bisschen glücklicher.“
Lachen macht glücklich
„Generell setzten die Kinder in den zwei Wochen auch viele Ideen um, mit denen sie sich selbst oder andere zum Lachen bringen können“, erzählt Annika Kretschmann und schmunzelt: „Natürlicherweise, denn Lachen ist ja immer auch ein Moment des Glücks.“ So sei beispielsweise eine „Kicherkiste“ entstanden – prall gefüllt lustigen Witzen.
Ein Lächeln ins Gesicht zauberte den Kindern auch „Erna“, Kretschmanns goldene Glücksgans mit dem überproportional großen Schmollmund: „Ihr ‚Duck Face‘ soll eine Anspielung auf die Pose sein, die häufig auf Fotos und in Videos sogenannter Influencer zu sehen ist – und von jungen Mädchen oft nachgeahmt wird.“ Ernas komisches Aussehen sollte die Kinder ermuntern, sich in den zwei Wochen auch mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es wirklich glücklicher macht, auszusehen wie alle anderen.
Die meisten Kinder hätten gemeint, dass Erna eher lustig oder seltsam aussieht, weil das ‚Duck Face‘ überhaupt nicht zu einer Gans passe: „Sie haben intuitiv erkannt, dass es nicht wichtig ist, wie alle anderen auszusehen, um gemocht zu werden“, sagt Annika Kretschmann. „Und dass es – siehe Erna – gleichzeitig aber auch völlig okay ist, komplett anders als andere auszusehen.“ Um glücklich(er) zu werden, müsse man nicht anderen nacheifern, es komme auf Authentizität und letztlich nur das eigene Wohlgefühl an.
Wertvolle Erkenntnisse gesammelt
Marlena Luks-Vogt und Annika Kretschmann waren am Ende des Ferienprojekts beeindruckt, mit wie viel Eifer und Kreativität die Kinder die Glückstankstelle täglich genutzt, gestaltet und stetig erweitert haben. Beide sind überzeugt, dass sie durch das Projekt viele wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse mit und über das Glück gesammelt haben: „Es hat ihren Fokus auf die guten Seiten wie Freundlichkeit, Gemeinschaft und Freude gelenkt. Die positive Psychologie hilft uns also dabei, herauszufinden, was uns glücklich macht und öffnet uns dadurch zugleich die Augen für viele weitere kleine Dinge, schöne Momente und Erlebnisse, die das Glück weiter wachsen lassen können“, erklärt Annika Kretschmann.
Glückstankstelle wird ausgestellt
Das Glückstankstellen-Projekt sei für die Kinder auf jeden Fall ein schönes Erlebnis gewesen, betont Marlena Luks-Vogt. „Auch wenn wir es ihnen absolut frei gestellt haben, ob, wann und wie viel sie sich einbringen möchten, hat sich jedes der täglich zwischen 20 und 30 anwesenden Betreuungskinder mit dem Thema Glück beschäftigt.“
Daher freuen sich nun auch alle OGS-Kinder schon darauf, wenn ihre prall gefüllte Glückstankstelle im Rahmen einer großen Ausstellung im März 2025 im Heimatmuseum präsentiert wird. Denn das Ferienprojekt an der Grundschule war Teil von Annika Kretschmanns größerem Projekt „Breckerfeld macht (sich) glücklich“, für das sie in den kommenden Monaten bereits weitere Aktionen geplant hat – und mit denen sie dann auch die erwachsenen Bewohner der Hansestadt auf kreative Weise zum Nachdenken über das Glück anregen möchte.