Anlass waren die Befreiung des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel am 12. April 1945 und der Einmarsch der Amerikaner in Lüdenscheid einen Tag später. Damit waren die Schrecken der Nazi-Herrschaft beendet. Der Verein Ge-Denk-Zellen „Altes Rathaus“ und die Friedensgruppe Lüdenscheid wollen die Erinnerung an diese Zeit wachhalten. Sie soll als Mahnung für die Gegenwart und die Zukunft dienen.

„Mit jedem Schluck Wasser müssen wir uns an die Opfer erinnern“, sang Liedermacher Rüdiger Drallmeyer in seiner „Hunswinkel-Ballade“. Die Steine der Versestaumauer seien mit Blut getränkt, heißt es in dem Lied weiter.
Wie notwendig ein Blick auf dieses Kapitel der Geschichte Lüdenscheids und Deutschlands ist, verdeutlichte Christian Bley, Vorsitzender des Ge-Denk-Zellen-Vereins. Er zitierte aus einer von der Wochenzeitung „Die Zeit“ beauftragten Studie, nach der immer mehr Menschen die NS-Zeit relativieren würden. Danach seien heute 28 Prozent der Befragten der Meinung, es habe auch „gute Seiten“ in der NS-Zeit gegeben – vor fünf Jahren seien es noch 23 Prozent gewesen. „Das ist die Amnesie der Spätgeborenen“, so Bley. Es stehe nicht gut um die Erinnerungskultur in Deutschland, kritisierte er.

Die Gedenkfeier fand auf dem Parkplatz an der Klamer Brücke, oberhalb des ehemaligen Arbeitserziehungslagers, statt. Hier schufteten sich hunderte Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beim Bau des Versestaudamms zu Tode oder wurden ermordet. Wie zynisch und menschenverachtend das Lagerpersonal vorging, schilderte Matthias Wagner in seiner Ansprache. „Die mörderische Menschenverachtung wird an mehreren Eintragungen aus dem Lager Hunswinkel in den Totenbüchern Lüdenscheids deutlich. An einer Stelle heißt es beispielsweise ‘Kreislaufzusammenbruch (nach Erhängen)‘“.
Zwischen Mai 1942 und März 1945 seien mehr als 200 sowjetische, aber auch deutsche, niederländische, polnische und andere zivile Häftlinge im Lager Hunswinkel an Hunger, Schwerstarbeit und Misshandlungen gestorben, berichtete Matthias Wagner weiter.

Jede Form von Widerstand sei in der NS-Zeit lebensgefährlich gewesen. Matthias Wagner erinnerte an den Lüdenscheider Soldaten Alfred Heinze, der sich nicht länger an der Ermordung serbischer Aufständischer und ihrer Familien beteiligen wollte. Er wurde als Fahnenflüchtiger von den eigenen soldatischen Kameraden erschossen.
„Heute brauchen wir den kleinen Widerstand, der weniger Kraft kostet. Aber wenn wir nicht an die Verbrechen erinnern, werden die mörderischen Taten vergessen und Diktaturen verschiedenster Art wieder möglich“, mahnte Matthias Wagner.

„Als Demokraten haben wir die Aufgabe, die Menschenrechte, das Grundgesetz und die Demokratie in unserer Stadt und unserer Region zu verteidigen. Denn wenn Demokratie nicht in den Kommunen gelingt, wird sie kaum im Staat gelingen“, betonte Matthias Wagner.
Als Zeichen der Demut vor den Opfern der Gewaltherrschaft legte Friedensaktivist Bernd Benscheidt ein Blumenbukett am Mahnmal nieder. Für ihn war das ein Zeichen dafür, dass Menschen aus der Geschichte lernen können. Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und im Nahen Osten beschleiche ihn allerdings Angst. „Werden unsere Kinder in einer friedlichen Zukunft leben?“ fragte er.
Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung war auch die Lüdenscheider Medizinerin Dr. Gudrun Benkhofer. Sie meldete sich spontan zu Wort. „Antifa darf kein Schimpfwort sein“, sagte sie. „Jeder gute Demokrat sollte im Herzen ein Antifaschist sein.“