Der Saal war schon früh voll. Es wurde angestoßen, geklönt und es wurden Selfies gemacht. Die Stimmung war gut. Kein Wunder, ist das SPD-Kabarett zum Weltfrauentrag doch seit Jahren ein Garant für gute Stimmung. Für viele Freundinnen ist es eine feste Tradition am Wochenende nach dem Weltfrauentag gemeinsam zur SPD zu gehen. Seit 2002 gibt es das Veranstaltungsformat. Eine der federführenden Initiatorinnen war Lotte Glasow, die Anfang Februar starb. „Lotte haben wir nicht nur diese Veranstaltung zu verdanken. Sie hat sich auch immer stark gemacht für Frauen“, erklärte der SPD-Ortsvorsitzende Christian Pohlmann. „Lassen Sie uns einen Applaus in den Himmel schicken“, rief er das Publikum auf – ein wirklich bewegender Moment. Auch Kabarettistin Birgit Süß gedachte der verstorbenen Power-Frau und widmete ihr im Lauf der Show ein Gedicht.
Doch bis die Show anfing, mussten sich die Besucher ein wenig gedulden. Nach der Begrüßung von Christian Pohlmann, der die Gelegenheit nutzte, Werbung für politisches Engagement zu machen, sprach auch die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel ein Grußwort. Wobei Grußwort das Ganze vermutlich nicht traf. „Frauen sind so gut ausgebildet wie noch nie. Aber gleichberechtigt sind sie immer noch nicht“, gab die Abgeordnete zu bedenken. Es gab einen ausführlichen Exkurs in die Europapolitik und die SPD-Wahlkampfthemen von gut 20 Minuten. Die Besucher wurden langsam unruhig, fingen an sich zu unterhalten. Aber um 19.25 Uhr war die Bühne dann frei für die Kabarettistin auf die sich alle gefreut hatten.
Im Nu gelang es der Kabarettistin, die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Birgit Süß schaffte eine lockere und entspannte Atmosphäre. Mit jeder Minute, die sie auf der Bühne stand wurde mehr und lauter gelacht. Die Fans von Birgit Süß wussten bereits, dass an diesem Abend gewiss auch gesungen wird und so war es auch. Mit ihren Chansons lockerte sie das Programm noch einmal mehr auf und begeisterte das Publikum. Begleitet wurde sie dabei von Klaus Ratzek an der Tuba und am Kontrabass.
Inzwischen in der Lebenshälfte angelangt, kann Birgit Süß vieles deutlich gelassener sehen als früher. Das liege allerdings schlicht und ergreifend an der fehlenden Energie, die effizienter eingesetzt werden müsse. Wahre Gesellschaftsstudien führt Birgit Süß in Fitnessstudios durch. Was ihr auffällt sind die künstlichen Wimpern. „Allein, was die sich an Wimpern kleben, rasiere ich mir in zwei Wochen nicht aus den Achseln – und ich habe Haarwuchs.“ Natürlich musste sie den Trend auch selbst probieren. „Sind Sie schonmal mit künstlichen Wimpern Fahrrad gefahren? Das ist als hätten Sie einen Spoiler auf dem Oberlid. Ich musste zwei Wochen mit Skibrille Fahrrad fahren.“ Überhaupt sei der Körperkult aktuell bemerkenswert. Gegen die Schminkkünste mancher Mädchen sei Michelangelo ein wahrer Dilettant. „Und alle haben Nägel. Damit kannste ’ne Wildsau ausweiden“, sagte Süß und hatte noch mehr gute Nutzungsmöglichkeiten: „Oder aber den Mount Everest besteigen und das Pausenbrot unterm kleinen Finger mitnehmen.“
Auch das Liebesleben verändere sich im Alter. „Ab einem gewissen Alter ist Sex nichts anderes als Denkmalpflege“, erzählte Süß. In ihrem lustigen Programm war aber auch durchaus immer wieder Gesellschaftskritik zu finden. Beispielsweise als es um den Barbie-Film ging. „Für acht Oskars ist der Film, der eher ein Feminismus-Grundkurs ist, nominiert. Aber spannend ist, wer nicht nominiert wurde, na wer? Richtig. Barbie und die weibliche Regisseurin. Wer wurde nominiert? Ken. Damit zeigt man Frauen ganz klar den Mittelfinger.“
Sie berichtete, dass sie gerne Tierdokus sehe. Das sei so eine Eigenart im Alter. Aber dadurch habe sie eine Menge Wissen gesammelt und erklärt einige Kuriositäten aus dem Tierreich. „Fruchtfliegen werden zu Frustsäufern, wenn Sie nicht genug Sex haben. Wussten Sie nicht? Ich wette, Sie nehmen den Schwarm um Ihre Obstschale jetzt ganz anders wahr.“
Birgit Süß gelang der Spagat, unbeschwerte Leichtigkeit durch Witz und Musik zu verbreiten, aber zugleich auch immer wieder den Finger tief in die Wunden der Gesellschaft und Politik zu stecken. Ein anspruchsvolles Programm, das Spaß machte.