Klein, zierlich und voller Power – so kannten die Nachrodt-Wiblingwerder Lotte Glasow. Wo Hilfe gebraucht wurde, war sie da. Sie war die, die immer ein offenes Ohr, ein tröstendes Wort oder einfach einen herzlichen Händedruck hatte. „Wie geht es dir?“, war für sie keine Floskel im belanglosen Small-Talk, sondern eine ernstgemeinte Frage – auch mitten im Supermarkt. Sie hatte ein Gespür für Menschen. Sie liebte sie – egal welcher Herkunft. Es interessierte sie, wie es ihrem Gegenüber geht. Sie hörte hin, wo die Probleme lagen, half, Lösungen zu finden oder war einfach nur da.
Lotte Glasow war Sozialdemokratin durch und durch. Solange sie konnte, nahm sie an allen Parteisitzungen teil. Es war ihr nicht egal, was die Genossen hier vor Ort machten. Immer wieder mischte sie sich ein, pochte auf die sozialdemokratischen Grundwerte – vor allem auf die sozialen. Die seien es, die die Partei und die Gemeinde zusammenhalten. Kinder, Senioren, Flüchtlinge: Sie schaute nicht weg, sie redete nicht einfach nur, verlor sich nicht in politischen Floskeln – sie half. So richtete sie einfach über Nacht Wohnungen ein, organsierte Fahrdienste, kochte eine warme Suppe in kalten Nächten. Das wiederzugeben, was Lotte, fast jeder duzte sie, in ihrem Leben für andere geleistet hat, ist unmöglich. Für ihr soziales und politisches Engagement bekam sie 2012 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Sie war gerührt, wenn sie sich auch nicht viel aus Auszeichnungen machte. Ein glückliches Lächeln und ein sorgenfreies Durchatmen ihres Gegenübers war ihr stets mehr wert.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Gerd Schröder brachte es ganz gut auf den Punkt: „Lotte ist für mich wirklich eine Elder Stateswoman. Ein ganz besonderer Mensch, der uns alle geprägt hat.“ 1985 begann ihre politische Laufbahn. Als sachkundige Bürgerin saß sie für die SPD im Sozialausschuss. 1989 gewann sie für die SPD ein Direktmandat, war von 1989 bis 1999 Vorsitzende des Sozialausschusses, den sie mit Herzblut und Leidenschaft leitete. Das Jugendzentrum, die Flüchtlingshilfe, Spielplätze und Barrierefreiheit – alles Themen, für die sie brannte. Und sie verstand es, andere mitzuziehen. Von 1999 bis 2004 war sie zudem zweite stellvertretende Bürgermeisterin. Bis 2004 war sie im Sozial-, Umwelt-, Haupt- und Finanz-, Rechnungsprüfungs-, Bau- und Wahlprüfungsausschuss. Alle weiteren politischen Funktionen aufzuzählen würde hier wohl den Rahmen sprengen. Sie mischte nahezu überall mit. 2004 schied sie auf eigenen Wunsch aus dem Rat aus. Doch schon 2006 kam sie als sachkundige Bürgerin zurück in den Sozialausschuss. Rückte 2008 wieder in den Rat nach. 2009 verabschiedete sie sich schließlich von der politischen Bühne. Nicht aber von „ihrer“ SPD.
Ihren Mann Horst, mit dem sie in diesem Jahr 67 Jahre verheiratet wäre, sah sie zwischenzeitlich nur selten. Zu groß ihr soziales Engagement: Helfen und helfen lassen, Hilfe für Flüchtlinge, Nachrodter Mahlzeit, Besuchsdienste in den Pflegeeinrichtungen und bei der Suchtkrankeneinrichtung des Deutschen Ordens am Sassenscheid gehörten fest in ihren Kalender. Zudem war sie Gründungsmitglied des Vereins Kulturschock. Und auch diese Aufzählung ist gewiss nicht vollständig.
Sie hatte keine Scheu, mit den Randgruppen der Gesellschaft in Kontakt zu treten. Denn sie war der festen Überzeugung: Auch hinter der finstersten Fassade steckt ein liebenswerter Mensch – und den fand sie immer. Selbst bei denen, die selbst ihre liebenswerten Charaktereigenschaft gar nicht mehr kannten. Eine wunderbare Gabe, die so viele Menschen geprägt und bewegt hat.
Nun ist sie nicht mehr da. Lotte wird fehlen. Überall. Doch eines ist gewiss: In den Erinnerungen vieler Menschen werden sie und ihr Mut, Dinge zu bewegen und ihre Liebe zu den Menschen und der Gemeinde weiterleben.
Die Beisetzung wird im engsten Familien- und Freundeskreis stattfinden.