Ein Baumstumpf und viel Ärger: Die Baumfällung am Verkehrsknoten Parkstraße / Sachsenstraße erregt die Gemüter. „Man glaubt es nicht. Trotz aller Proteste und Alternativvorschläge wurde der Baum gefällt. Es ist zum Heulen. Jede weitere Diskussion soll abgewürgt werden“, sagt Josef Filippek, Fraktionsvorsitzender der Linken. Trotz vieler kritischer Stimmen und einer Reihe von gemachten Vorschlägen, seien so Fakten geschaffen worden. „Darüber sind wir sehr verärgert“, äußert sich Filippek.
Die gesamte Parkstraße sei im Alleenverzeichnis des LANUV eingetragen und untersteht damit einem besonderen Schutz durch Landes- und Bundesrecht. „Bei einer gegenwärtigen Gefahr kann die Maßnahme sofort durchgeführt werden, die Anzeige muss bei der Naturschutzbehörde im Nachgang angezeigt werden“, fasst Filippek die rechtliche Lage zusammen.
Einen Fragenkatalog mit acht Fragen legte die Linke vor und fordert Aufklärung. Unter anderem will die Fraktion wissen, ob die Fällung des Baumes der Naturschutzbehörde angezeigt worden, welches Unternehmen tätig geworden ist, wie hoch die Kosten sind und warum die Verwaltung die Entscheidung traf, obwohl bekannt war, dass die Parkstraße im Alleenkataster steht. Außerdem will Filippek: „Wird die Baumschutzsatzung deshalb nicht auf den Weg gebracht, um solche Baumfällungen recht ,geräuschlos‘ durchführen zu können?“
Am Montag, 2. Oktober, antwortete die Verwaltung: „So sehr die Stadt Lüdenscheid das auch bedauert, war der Schritt vor allem aus Gründen der Verkehrssicherheit unumgänglich und alternativlos. Auch ökologische und ökonomische Gründe führten zu der Entscheidung.“
Die Fachbereiche Planen und Bauen sowie Umwelt und Klima begründen die Baumfällung in einer Stellungnahme. Darin heißt es im Wortlaut:
„Hintergrund und Problem
- Der Radschutzstreifen an der Parkstraße ist neu angelegt worden. Dadurch ist gleichzeitig die zum Stop-Schild gehörende Haltelinie auf der Sachsenstraße etwas nach hinten verlagert worden, an der alle Verkehrsteilnehmer anhalten müssen, ehe sie auf die Parkstraße abbiegen.
- Die Verlegung der Haltelinie führt dazu, dass sich die Einsehbarkeit der Parkstraße deutlich verringert hat. Drei Bäume in direkter Nähe behindern die Sicht nach links, insbesondere der erste, direkt auf der Ecke stehende und inzwischen gefällte Baum.
- Nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt06) muss ein Verkehrsteilnehmer im vorliegenden Fall – Tempo 50 auf der bevorrechtigten Parkstraße – in beiden Richtungen eine Sichtfeld-Schenkellänge von 70 Metern haben. Selbst nach der Entfernung des ersten Baums ergeben sich hier lediglich 30 Meter „Anfahrsicht“.
Prüfansatz 1: Verringerung der Höchstgeschwindigkeit
- Durch die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h wäre ein eingeschränktes Sichtfeld auf die Parkstraße mit 30 Metern gemäß RASt06 gesetzeskonform. Dafür müsste der erste Baum aber in jedem Falle weichen.
- Diesen Vorschlag hat die Stadtverwaltung der Bezirksregierung Arnsberg zukommen lassen, die als übergeordnete Verkehrsbehörde eingeschaltet werden muss und überdies Fördergeber für den Radschutzstreifen ist.
- Die Bezirksregierung lehnte den Vorschlag jedoch ab, weil Bäume im Sichtfeld keine Rechtsgrundlage für die Verringerung der Höchstgeschwindigkeit darstellten.
- Allerdings zeigte sich die BR zur Freude der Stadtverwaltung damit einverstanden, zunächst nur den ersten Baum zu entfernen und die weitere Verkehrsentwicklung an der Ecke Sachsenstraße/Parkstraße bei Beibehaltung der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h genau zu beobachten.
Prüfansatz 2: Änderung der Verkehrsführung
Mögliche Alternativen, um den Baumbestand zu erhalten, wären eine grundhafte Umgestaltung des Verkehrsknotens, eine Änderung der Vorfahrtsregelung oder der Verkehrsführung. Der reibungslose Verkehrsfluss hätte sich damit alleridngs nicht sichern lassen. Auch der Einsatz von Verkehrsspiegeln hätte weder rechtlich noch faktisch die Sicherheitsmängel aufwiegen können.
Das Beispiel Einbahnstraße
Würde die Sachsenstraße zur Einbahnstraße umfunktioniert, wäre die Einfahrt auf die Parkstraße nicht mehr erlaubt – und das Problem mit der mangelhaften Sichtachse aus der Welt geschafft. Aber: Diese Regelung hätte gleich mehrere Nachteile gehabt und wurde daher verworfen.
- Die rund 2800 Fahrzeuge, die pro Tag von der Sachsen- auf die Parkstraße abbiegen, hätten über die Weststraße fahren müssen, was hier zu einem drastisch erhöhten Verkehrsaufkommen geführt hätte.
- Das hätte mehr Umwege für die Anwohner der Sachen- und Weststraße bedeutet und damit eine erhöhte Umwelt- und Lärmbelastung.
- Wegen der deutlich größeren Verkehrsmenge hätte die gegenwärtige Pflasterung der Westfalenstraße entfernt und stattdessen eine asphaltierte Fahrbahnoberfläche geschaffen werden müssen. Das hätte Kosten in Höhe von rund 250.000 Euro verursacht.
- Die Entscheidung, den Baum zu fällen, ist allein Sache der Verwaltung und bedurfte nicht der politischen oder öffentlichen Zustimmung. Weil es sich aber um ein sensibles Thema handelt, haben die zuständigen Fachdienste und -Bereiche die Angelegenheit sowohl im Bau- und Verkehrsausschuss als auch im Rat jeweils in öffentlicher Sitzung erläutert.
Fazit
- Nach den RASt06 hätte die Stadt Lüdenscheid auch drei Bäume fällen lassen können, um ein ausreichendes Sichtfeld zu schaffen. Stattdessen gibt es jetzt eine Kompromisslösung: Lediglich ein Baum musste weichen.
- Die Stadt hat als Straßenverkehrsbehörde eine Verkehrssicherungspflicht. Dieser ist die Verwaltung mit der Entscheidung nachgekommen. Nicht auszudenken, wenn es in dem Knotenpunkt zu einem Unfall gekommen wäre, weil das Sichtfeld nicht ausreichend gewesen wäre. Hinzu kommt: Auch das Landesnaturschutzgesetzt gibt der Verkehrssicherheit den Vorrang.“