Nach der verbandsinternen Mitgliederversammlung in der Lüdenscheider Phänomenta stimmte er rund 100 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter sowie Gäste auf wirtschaftlich und politisch schwierige Zeiten ein. „Deutsche und europäische Wirtschaftspolitik in einer neuen Weltordnung“ – so hatte der erfahrene Berater in wirtschaftspolitischen Fragen seinen Vortrag überschrieben.
Der Mann, der eine steile akademische Laufbahn und auf umfassende Expertise in der wirtschaftspolitischen Beratung verweisen kann, nahm sein Publikum mit auf eine Reise durch die aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen der Wirtschaftspolitik.

Dabei scheut er auch plakative Äußerungen nicht. „Wir leben in einem kalten Krieg 2.0 und wissen noch nicht, worauf er hinausläuft“, sagte Prof. Dr. Lars Feld. Der Wettbewerb der Supermächte habe zu geopolitischen Verschiebungen geführt. Europa gerate zwischen die Blöcke. „Eigentlich müssten wir gute Beziehungen zu den USA pflegen. Im Moment ist das Gegenteil der Fall“, stellte der renommierte Wirtschaftswissenschaftler fest. Er sieht ein Ende der Globalisierung kommen. Sie sei für alle Länder vorteilhaft gewesen. Die starken nationalistischen Tendenzen bergen für ihn große Gefahren. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mache das besonders deutlich.
All das geschehe in einer Zeit, in der in Deutschland größte Verunsicherung herrsche. „Das ist Gift für Investitionen und den Konsum.“ Deutschland befinde sich in einer tiefen strukturellen Krise. Das verdeutlichte er an einem Dreiklang. Deutschland verfüge zurzeit über eine schlechte Infrastruktur und leide unter hoher Steuerbelastung. In den USA sei die Infrastruktur ebenfalls schlecht, dafür aber auch die Steuerbelastung niedrig. Wie es anders gehe, zeige die Schweiz. Das Nachbarland besitze eine gute Infrastruktur bei gleichzeitig niedrigen Steuern.

In Deutschland müsse sich also vieles ändern. Mit dem Regierungswechsel sei bei vielen die Hoffnung auf eine Wirtschaftswende verbunden. Im Koalitionsvertrag sieht Prof. Dr. Lars Feld allenfalls „einige kleine Lichtblicke.“
Er kritisierte: Eine Wirtschaftspolitik, die offenbar zuvorderst als Subventionspolitik verstanden werde, erhöhe die langfristigen Wachstumschancen nicht. Das Produktionspotenzial werde damit kaum höher ausfallen. Vielmehr deuteten die erkennbaren Streitpunkte der Koalition – Mindestlohn, Rentenpolitik, Steuerpolitik – darauf hin, dass vielfach der Ernst der Lage nicht erkannt sei.
Prof. Dr. Lars Feld fürchtet, dass die Stagnation der vergangenen drei Jahre in ihrem vierten Jahr spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben werde. Er rechnet im zweiten Halbjahr dieses Jahres mit nennenswerten Entlassungen. Schon jetzt zeige der Trend der Arbeitslosigkeit nach oben.

Sein Rezept lautet: Deregulierung unter anderem auf den Feldern Datenschutz, Arbeitsrecht sowie Umwelt- und Baurecht. Der für seine ordoliberalen Ansichten bekannte Wissenschaftler betonte: „Mehr Staat ist nicht die Lösung. Wir müssen zu einer echten sozialen Marktwirtschaft zurückkehren.“
Das werde allerdings erst geschehen können, wenn das Problembewusstsein in den Bevölkerung wachse. „Vorher traut sich die Politik nicht.“
Die diskutierte Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro sieht er kritisch. „Das werden die Gastronomie und andere Dienstleister nicht verkraften.“
Andreas Kostal, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Lüdenscheid, dauert das zu lange. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, wenn wir unseren Standort wieder nach vorne bringen wollen“, hatte er bei der Begrüßung der Gäste gewarnt. Das Potenzial sei vorhanden. Aber: „Deutschland muss den Fokus auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit legen.“
Der Arbeitgebertag hatte mit Workshops im Technikzentrum an der Phänomenta begonnen. Teilnehmer waren Auszubildende von Mitgliedsunternehmen des AGV Lüdenscheid.