Volmetal. Das neue Geld sollte die bewährte D-Mark ablösen. Eine Währung für halb Europa. Elf Länder machten anfangs mit: kein Devisentausch mehr. Kein Umrechnen im Urlaub bei vielen Nachbarn. Trotz vieler Skeptiker bildeten sich schon vorher lange Schlangen an den Kassen, erinnert sich Stefan Ohrmann, der damals im Kundenbereich der Volksbank arbeitete. Der Leiter Privatkunden-Geschäft bei der Volksbank in Südwestfalen kann sich gut an die Euro-Einführung erinnern, bei der „Berge von D-Mark“ umgetauscht werden mussten. „Die Leute wollten unbedingt Euro in der Hand halten“, sagt er. Es seien zusätzlich Kassen, damals noch klassisch hinter Panzerglas, geöffnet worden, um den Ansturm zu bewältigen. Die Kunden hätten „wie in der Ex-DDR geduldig und neugierig gewartet“. Für viele war es wohl ein Event nach dem Motto: Da muss man dabei gewesen sein.
Die eingetauschten DM-Scheine und -Münzen wurden in den Banken sortiert, gebündelt, verplombt und dann von gesicherten Transportern abgeholt. Angesichts der Mengen an altem Geld zum Abtransport und neuer Lieferung von Euros seien alle froh gewesen, dass „die deutsche Bundesbank das regelmäßig abgeholt hat“. Vier Wochen fielen reichlich Überstunden an, erinnert sich der Leiter des Privatkundengeschäfts der Volksbank. Einen ähnlichen Run auf die Banken kannte Stefan Ohrmann nur aus den neuen Bundesländern, als dort 1990 die D-Mark eingeführt wurde.

Als Starter-Kit konnten Bank-Kunden bereits ab 17. Dezember 2001 Geld tauschen. Für 20 D-Mark bekamen sie 10,23 Euro in Plastiktütchen. Für die Westfälische Rundschau (WR) Meinerzhagen war es „die klimpernde Grundausstattung in Euro und Cent“. 7000 Starter-Kits mit den Münzen hatte die Volksbank in Meinerzhagen vorrätig, 500 wurden nachbestellt. Bei der örtlichen Sparkasse gingen in nur zwei Stunden 3000 Starter-Kits über den Tresen.
Die Sparkasse in Halver gab nur drei Kits pro Kunden ab. Organisationsleiter Volker Schmidt hatte nicht dem großen Ansturm gerechnet und vermutete: „Auch Sammler werden sich darauf stürzen.“ Passend zum Tag trugen die Mitarbeiterinnen in Halver rote Halstücher mit €-Symbol, die Herren entsprechende Krawatten. In Kierspe zog ein älteres Ehepaar laut WR Vergleiche zur Währungsreform 1948 und äußerte Zweifel an der Stabilität des Euro – wie viele andere auch.
Kohl: Volksabstimmung hätten wir verloren
Dass es Bedenken gab, sah auch Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl so, der die Einführung des Euro vorangetrieben und als „die bedeutendste Entscheidung seit der Deutschen Wiedervereinigung“ bezeichnet hatte. Zwei Jahre später, 2003, räumte er ein: „Eine Volksabtimmung über die Einführung des Euro und die Abschaffung der D-Mark hätten wir mit großer Wahrscheinlichkeit verloren.“
Zum Jahreswechsel 2001/2002 war es dann soweit. „Die D-Mark gibt es nur bis Mitternacht“, bereitete die WR in Schalksmühle ihre Leser Ende 2001 auf die Umstellung vor. Dann spuckten die Automaten nur noch Euro aus. Mit dem „alten“ Geld konnte man noch bis zum 28. Februar bezahlen. Für Geschäftsinhaber und Gastronomen eine Herausforderung. Sie mussten zwei Monate mit zwei Währungen leben und Preise umrechnen.
Gedränge vor den Schaltern gab es, als nach dem Jahreswechsel die Banken wieder öffneten. Jürgen Schmidt, Werbeleiter der Sparkasse in Halver, bedauerte seine Kolleginnen und Kollegen in der Schalterhalle: „In deren Haut möchte ich nicht stecken“. Sein Kollege Alex Müller, Euro-Beauftragter der Volksbank Lüdenscheid-Halver bilanzierte: „Das ist der Wahnsinn.“ Wartezeiten von einer Stunde vor den Kassen waren üblich, als die Volmetaler für neue Euro-Scheine anstanden. Kunden suchten verzweifelt einen Parkplatz, schrieb die Lokalpresse in Halver. Folge: Autos verstopften bis mittags die Frankfurter Straße.
Bildergalerie – Die Euro-Umstellung vor 20 Jahren
22. Dez. 2021: Stadtarchiv Meinerzhagen, Euro-Einführung zum 1. Jan. 2002,, Berichterstattung in der Westfälischen Rundschau, Ausg. Vometal Foto: Rüdiger Kahlke 22. Dez. 2021: Stadtarchiv Meinerzhagen, Euro-Einführung zum 1. Jan. 2002,, Berichterstattung in der Westfälischen Rundschau, Ausg. Vometal Foto: Rüdiger Kahlke 22. Dez. 2021: Stadtarchiv Meinerzhagen, Euro-Einführung zum 1. Jan. 2002,, Berichterstattung in der Westfälischen Rundschau, Ausg. Vometal Foto: Rüdiger Kahlke 22. Dez. 2021: Stadtarchiv Meinerzhagen, Euro-Einführung zum 1. Jan. 2002,, Berichterstattung in der Westfälischen Rundschau, Ausg. Vometal Foto: Rüdiger Kahlke Plakat zum Euro-Eintausch von der damaligen Sparkasse Halver-Schalksmühle, heute Sparkasse Lüdenscheid.
Noch 12 Milliarden DM im Umlauf
Die Verwaltung in Schalksmühle nutze das neue Geld gleich als Werbe-Gag. Auf die Einladung zum traditionellen Neujahrsempfang hatte sie einen blitzblanken Cent gepappt, „zur Freude vieler“, schrieb der Lokalredakteur.
Nach dem „Gesetz über die Änderung währungsrechtlicher Vorschriften infolge der Einführung des Euro-Bargeldes vom 16. Dez. 1999 (Drittes EuroEG)“ verlor das gewohnte Geld mit Ablauf des 31. Dezember 2002 seine „Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel.“ Gleichzeitig garantierte der Bund aber, dass die Bundesbank „alle Noten und Münzen einschließlich der Sammlermünzen ohne zeitliche Begrenzung zum offiziellen Euro-Kurs kostenlos umtauschen“ werde. Was anfangs noch an den Schaltern der heimischen Sparkassen und Banken möglich war, geht inzwischen nur noch direkt in den Niederlassungen der Bundesbank.
An den Euro haben sich inzwischen alle gewöhnt. An der D-Mark halten aber viele fest – oder sie wissen nicht mehr, wo die alte Währung schlummert. Die deutsche Bundesbank geht davon aus, dass noch immer mehr als 12 Milliarden D-Mark im Umlauf sind – umgerechnet gut 6,1 Mio. Starter-Kits.
INFO
- Starter-Kits aus Zwergstaaten wie dem Vatikanstaat werden in Sammlerkreisen offenbar bis zu 600 Euro gehandelt. Deutsche Starter-Kits haben sich hingegen im Wert kaum verändert.
- Zur Euro-Zone gehörten anfangs elf Länder. 2002, mit Einführung des Bargelds, trat Griechenland dem Euro-Währungsgebiet bei. Inzwischen gehören 19 Länder der Europäischen Union (plus die vier Kleinstaaten Andorra, Monaco, San Marino und Vatikan) zur Währungszone.
- Neben dem Handel, der zwei Monate lang mit zwei Währungen arbeiten musste, waren auch die Kommunen gefordert. Sie musste alle Gebührensatzungen anpassen und umrechnen.
- „Bei dem Euro handelt es sich um eine stabile Währung, die eine niedrige Inflationsrate aufweist. Die befürchtete Entwicklung zum sogenannten „Teuro“ konnte widerlegt werden, denn der Euro wies nach seiner Einführung eine niedrigere Inflationsrate auf als die Deutsche Mark“, so das Bundesfinanzministerium gegenüber Kritikern der Währungsumstellung.