Heike Lehmann, kommissarische Leiterin der Stadtbücherei, sieht man das Bedauern an, wenn sie vor dem Regal in ihrem Büro steht: „Wir haben so viele schöne Sachen, die ausgeliehen werden könnten…“. Und fast täglich kommen neue hinzu. Die aber zu erfassen, ins System einzupflegen und den Nutzern zugänglich zu machen, geht seit dem Gau im Herbst nicht mehr.
„Alles ist schon vor der IT-Attacke bestellt worden“, weist sie auf neue Zeitschriften wie „Natürlich gesund leben“ und „Good Health“ als Trendthemen, auf „Cicero“, „Spiegel“ oder „Focus“ als Titel für politische Magazine hin oder auf Reiseliteratur speziell für Wohnmobilisten. Mangas oder Tonies warten auf die junge oder ganz junge Klientel. Dazu Romane mit historischen Themen, Liebesgeschichten natürlich oder allgemeine Belletristik. „Wir versuchen ein breites Angebot zu bieten“, sagt Heike Lehmann.
Ausleihe läuft mit Notprogramm
Bei Auswahl der Neuanschaffungen spielen Hinweise aus Katalogen oder Magazinen, Empfehlungen der EKZ oder die Nachfrage vor Ort eine Rolle. „Wir schauen ins Programm, um zu sehen, was geht, welche Ausleihzahlen hatten wir da im vorigen Jahr“, schildert Heike Lehmann die Vorgehensweise. Entscheidungen würden dann im Team getroffen. Etwa 10.000 Euro stehen pro Jahr für neue Medien zur Verfügung. Davon ist etwa ein Drittel für die Onleihe reserviert. Über diesen Service können auch Medien ausgeliehen werden, die in der Stadtbücherei nicht vorhanden sind. Nutzer können damit via Internet aus fast 105.000 Titeln wählen.

Häufig kämen Leser rein und fragten: „Was habt ihr Neues“. Heike Lehmann und ihr Team müssen sie vertrösten. Aus dem Bestand, der erfasst und schon im System hinterlegt ist, können derzeit zwei Titel ausgeliehen werden. Mehr geht nicht. Und Neues schon gar nicht.
„Ein Notprogramm“, sagt Heike Lehmann, „die Daten werden extern gespeichert“. Dabei wähnte sich die Stadtbücherei im Aufwind. „Bis Oktober hatten wir 238 Neuanmeldungen“, bilanziert die Bücherei-Leiterin. Sie hofft jetzt, dass die sich nicht enttäuscht wieder abwenden. Wann in der Stadtbücherei wieder Normalität einkehrt? Die Büchereileiterin zuckt mit dem Schultern. Ab der 14. Kalenderwoche soll das System wieder laufen. – Vielleicht.
Weltliteratur wartet im Keller – Nachfrage gering
Für das Bücherei-Team beginnt dann die Arbeit. „Wir bauen gerade Überstunden ab, um dann wieder Überstunden zu machen“, schätzt Heike Lehmann die Lage ein. Denn: Wenn das System wieder läuft, müssen die Medien, die jetzt in ihren Regalen stehen, eingepflegt werden. Standorte, Codes für die Ausleihe oder Interessenkreise kleben schon auf etlichen Rücken oder Covern. Sie müssen noch, ebenso wie die Annotationen, kurze Inhaltsangaben, nachgetragen werden. Manche Daten können von der Einkaufszentrale der Bibliotheken (EKZ) übernommen, andere müssen per Hand eingetippt werden. Zudem müssen die bisherigen Ausleihen aus dem Notprogramm „reintegriert“ werden. Dafür steht nur ein PC zur Verfügung.

Bei dem ständigem Nachschub muss auch mal aussortiert werden. Besucher können sich Bücher oder Zeitschriften dann von einem „Wühltisch“ mitnehmen. Andere kommen ins Magazin. „Wir haben einen kompletten Brockhaus im Keller. Zu schade zum Wegwerfen“, meint die Büchereileiterin. In den Regalen im Keller steht auch „Weltliteratur mit Klassikern wie Tolstoi“. Heike Lehmann fragt sich dann schon mal, „ob da überhaupt nochmal jemand nach fragt.“ – Das sind Fälle, wo sie mit sich „kämpfen muss, das wegzuschmeißen.“
INFO
- 24.296 Medien wurden 2022 in der Stadtbücherei entliehen.
- 2023, nach der Corona-Pandemie, stieg die Nachfrage auf 30.874 Ausleihen an.
- Im Bestand der Stadtbücherei finden sich 12.511 Medien, neben Büchern auch Tonies oder CDs.
- 104.717 Medien sind via Onleihe verfügbar.