Die drei Insassen des Pkw – eine junge Frau als Fahrerin, ihre Mutter und der Lebensgefährte der Fahrerin – waren sich einig: Für alle drei wirkte es so, als ob Maksim V. sein mutmaßliches Opfer bewusst vor das fahrende Auto gestoßen hat. Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin Heike Hartmann-Garschagen sagt die Mutter im Zeugenstand: „Der hat ja extra abgewartet, bis wir gekommen sind, bis er das Opfer geschubst hat.“ Im Gegensatz zum Opfer haben die Pkw-Insassen keine körperlichen Verletzungen von dem Zwischenfall davon getragen, aber sowohl Mutter als auch Tochter kämpfen nach eigenen Aussagen bis heute mit psychischen Problemen. Zwei Monate lang, so berichtet die Fahrerin, konnte sie kein Auto fahren, habe auch jetzt noch Sorgen, wenn Kinder am Straßenrand spielen.
Anders als der Fahrer des hinter ihnen fahrenden Pkw, haben die Insassen des verunfallten Wagens den Tatverdächtigen bei der Tat beobachten können und beschreiben, dass er danach von der B54 in die Bergstraße in Richtung Bahnhof Oberbrügge geflüchtet sei. Dort verlor ihn der Lebensgefährte der Pkw-Fahrerin, der die Verfolgung aufgenommen hatte. Die Fluchtszene bestätigt auch der hintere Pkw-Fahrer. Nach seiner Rückkehr an den Tatort kann Maksim V. von der Polizei festgenommen werden. An diesem Punkt unterscheiden sich die Zeugenaussagen: Mal sei er ganz ruhig vor Ort geblieben, mal berichten Zeugen, er musste festgehalten werden, da er fliehen wollte.
Eine, zumindest für den weiteren familiären Verlauf des Angeklagten, überraschende Wendung nimmt im Verlauf der Vernehmungen ein Geständnis der Mutter: Maksim V. wurde im Alter von zwei Jahren adoptiert. Das bestätigt sie auf Nachfrage der Vorsitzenden, angestoßen durch eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Das trifft den 19-Jährigen am Freitagmittag völlig unvorbereitet – erstmals in dem Prozess zeigt er in diesem Moment deutliche Emotionen. Der (Adoptiv-)Vater erwähnt dies zuvor trotz expliziter Fragen zur Geburt des Tatverdächtigen nicht. Zudem widersprechen sich Aussagen der Mutter und des Vaters zur frühen Kindheit von Maksim V. deutlich.
Die Familie zeichnet zunächst während der Vernehmung das Bild eines harmonischen Zusammenlebens, erst auf mehrfache und intensive Nachfrage berichten sie, dass der Sohn nicht nur in der Schule, sondern auch mit dem Gesetz bereits mehrfach Probleme hatte und auch mehrfach die Haushaltskasse oder Wertgegenstände plünderte. Die Schwägerin beschreibt, dass der Angeklagte kein Verhältnis zu Geld habe, Werte schlecht einschätzen kann. Sie berichtet zudem, dass Maksim ein „belastendes Thema“ für die Familie sei, die im Laufe der Zeit abgestumpft ist.
Lange Liste an Vorstrafen
Auch die zahlreichen Vorstrafen des 19-Jährigen sind Thema im Gespräch zwischen Richterin und Familie: Sachbeschädigung, sexuelle Nötigung, Diebstahl, Herbeiführen einer Brandgefahr, Missbrauch von Notrufen, Körperverletzung, Hausfriedensbruch, besonders schwerer Fall des Diebstahls – die Liste der Vorstrafen ist lang, neben der aktuellen Verhandlung sind noch sechs weitere Verfahren gegen den Angeklagten offen. Die Familie beschreibt, ihm keine Grenzen mehr setzen zu können, egal, wie sehr sie sich bemühen. Auch eine russischsprachige Fachkraft der Jugendhilfe war regelmäßig in der Familie, hat bei Behördengängen unterstützt und mit dem Angeklagten geredet.
Doch auch sie war offensichtlich nicht in der Lage, eine dauerhafte Versöhnung zwischen den Eltern und dem Jungen zu erwirken. Der Bruder erklärt am Freitag, dass der Angeklagte aufgrund der Diebstähle im Elternhaus mehrfach zu Hause rausgeflogen sei, jedoch kurzum von den Eltern wieder aufgenommen wurde. Auf der Straße lernte Maksim V. unter anderem seinen jetzigen Freund Albert kennen. Auch er ist als Zeuge geladen, widerspricht der Mutter des Angeklagten aber, dass er Maksim Drogen näher gebracht habe.
Der nächste Verhandlungstermin am Landgericht Hagen ist für den 2. Mai angesetzt.
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