Es ist ein Ort, der prägt, anzieht, der beflügelt, inspiriert und vor allen Dingen Heimat schafft – nicht nur faktisch als Adresse des Gutshof Wigginghausen der Lebenshilfe Lüdenscheid-Märkischer Kreis, sondern auch als Gefühl für die rund 20 Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Gäste. Warum sonst sollte der von Lüdenscheid acht Kilometer entfernte Ort zwischen den Seelendörfern Brünninghausen und Oberbrünninghausen so eine Ausstrahlungskraft auf die gesamte Region haben? Und das schon seit 40 Jahren.
Die Geschichte erzählt es kontinuierlich – auch schon vor dem Erstbezug am 12. Januar 1984. Der Wille, hier einen Ort zu schaffen, an dem Menschen mit Behinderung ein wertschätzendes, teilhabeorientiertes und aber auch besinnliches Leben führen können, war von der Idee an gesetzt. Es gab keinen Plan B. Es gab das Vorhaben, die Idee und das passende Durchsetzungsvermögen.
Doch was bereits zum Angebot der Übernahme des ehemaligen Versorgungsbetrieb für die Lungenheilstätte des Haus Hellersen, betrieben von der Landesversicherungsanstalt NRW (LVA) im Jahre 1979 fehlte, war das nötige Geld. Insgesamt fast zwei Millionen DM waren für den Erwerb und den Aufbau der Infrastruktur nötig. Und hier kam das Durchsetzungsvermögen ins Spiel.
„Für diese gute Sache werden wir einen großen Wirbel machen. Um den Erfolg ist mir nicht bange“, sagte der damalige Lüdenscheider Bürgermeister Jürgen Dietrich. Er behielt mehr als Recht. Neben öffentlichen Förderungen führten diverse Spendenaktionen für Wigginghausen zum Erfolg: Picknick, Konzerte, Sportveranstaltungen, Aufrufe bei Geburtstagen, Geburten, Hochzeiten und Beerdigungen sowie die Spende der Tageseinnahmen eines hiesigen Taxiunternehmens – abzüglich Spritkosten – gehörten zum originellen Engagement der Lüdenscheider Bevölkerung. Jung (Achtjährige spendete öffentlich ihr gesamtes Sparschwein) bis Alt beteiligte sich an der “Aktion Wigginghausen”. So konnte 1982 der Grundstein gelegt und der umgebaute Gutshof 1984 bezogen werden. Bis zu 27 Bewohner:innen lebten hier. Die große Umsetzungsbereitschaft der Bevölkerung transformierte die Wohnstätte in eine bunte Gemeinschaft, die bis heute anhält.

Die Zeit verging. Der ohnehin schon substanztechnisch in die Jahre gekommene Gutshof ließ bauliche und konzeptionelle Federn. Die Zukunft des Gutshof Wigginghausen war plötzlich in den 2010er Jahren offen. Entgegen vieler Skeptiker waren das Engagement und die Spendenbereitschaft für den Erhalt dieser Heimat für Menschen mit Behinderung aber ungebrochen. Wie über 30 Jahre zuvor konnte genügend Geld durch verschiedene Spenden gesammelt werden, um dem Gutshof und insbesondere deren Bewohnerinnen und Bewohnern eine Perspektive zu geben. Sicher war jedoch, dass das Gebäude wirtschaftlich nicht zu retten war. Es folgten temporäre Ersatzunterkünfte, der Abriss und Bau eines komplett neuen Gebäudes, dass den aktuellen Anforderungen gerecht wurde.
Im Jahr 2018 wurde die neue Wohnstätte Wigginghausen feierlich eingeweiht. 26 Kundinnen und Kunden haben hier ein zu Hause mit eigenem Zimmer und Einzelbad. 20 Appartements sind barrierefrei. Es gibt Gemeinschaftsräume und -küchen, einen “Sinnesgarten” sowie einen Shuttle-Service für den Anschluss in die Stadt bzw. zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Regelmäßig finden hier an einer belebten und beliebten Fahrradstrecke Veranstaltungen statt. Im Fokus stehen nach wie vor die Bewohnerinnen und Bedwohner. Sie schätzen die ruhige Umgebung, die ausgedehnten Freiflächen rund um das Haus und insbesondere ihre Heimat sowie die Teilhabe am Leben, die sie hier erfahren.