Die Stadt Lüdenscheid hat mit dem ehemaligen Forum am Sternplatz ein Betongebirge erworben, etwas, das Lüdenscheider ein architektonisches Ufo nennen. Es ist ein Bau in der Formensprache des Brutalismus, der Ende der 70er Jahre startete und mit der Eröffnung des Lüdenscheider Wellenbades  am 25. März 1981 Furore machte. Der eigentlich Freizeitbad genannte Tempel im Stil eines frühen Tropenparadieses bestand bis 2006; jede halbe Stunde schwappte die Welle mit 16 Meter langer Dünung durchs Becken. In den oberen  Etagen des Centers fand man Discothek und eine Kneipenlandschaft.

Selige Zeiten waren das, ein anderes Lüdenscheid. Die Stadt hatte sich aufgeschwungen, „das“ Ober-, mindestens aber das Mittelzentrum im Märkischen Kreis zu werden. 1975 war „Lüd“ Kreisstadt des neuen Märkischen Kreises geworden; innerstädtisch war mit Rathaustunnel, vierspurigem Sauerfeld, der fußgängerfreundlichen Rennbahn namens Wilhelmstraße und dem verkehrsbereinigten Sternplatz ein neues Verkehrskonzept umgesetzt worden.

Es war die Zeit, als u.a. mit dem Sauerland-Center am Sauerfeld neue Landmarken und Einkaufsstätten geschaffen wurden, dazu das Gebäude mit dem Wellenbad und einer Ladenpassage den Komplementär bildete. Das alles wurde weiter ergänzt mit der Ladenzone Knapper Straße und dem Stern-Center. Rathaus, Post und Gewerkschaftshaus standen sich in Hufeisenform gegenüber. Parkplätze gab es in den rundum gelegenen Parkhäusern „satt“. Lüdenscheid – die Einkaufs- und Freizeitstadt, dies war die Botschaft, die sich auch im legendären Festbuch der Firma Erco von 1984 ausdrückte: „Was heißt da schon Provinz?“.     

2006 wird das Wellenbad, das zwar eine Attraktion, aber wirtschaftlich für die Stadtwerke eher ein Sorgenkind war, geschlossen. Bis dahin hatte es im Bad vier Ertrunkene gegeben. Spektakulär verschieden sind bis dahin auch schon viele der im Center ansässigen Geschäfte. Das „Forum“ hat einfach keinen Lauf. Der wirtschaftlichen Notlage und dem Insolvenzgericht gehorchend, wechselt das Forum mehrere Male den Besitzer. Vollmundigen Versprechungen auf Sanierung, Neuausrichtung, attraktive Konzepte  - folgt wenig bis nichts.

Hinter der Eingangstür zum Forum finden sich null Geschäfte. In 45-jähriger Nutzungsgeschichte sind sämtliche Konzepte gescheitert.

Allein im ehemaligen Wellenbad zieht vorübergehend wieder neues Leben ein. Hier eröffnet 2007 das Kinderparadies Tolliwood, das seit 2009 der Lüdenscheider Thomas Gnatowski als „Tommywood“ weiterbetreibt. Dann aber wird ihm 2013 vom damaligen Besitzer der Vertrag gekündigt, weil Brandschutzauflagen schon damals nicht mehr zu stemmen sind.

„Tommy“ zog aus; im Laufe der kommenden Jahre gaben alle, wirklich alle Geschäfte, Kneipen, Locations im Forum auf. Das Betongebirge verkam endgültig zum „lost place“, zur „no go area“.

Ende 2023 gelang es der Stadt Lüdenscheid nach zähen Verhandlungen, die Problem-Immobilie zu erwerben. Den Titel „Klotz am Bein“ darf man wortwörtlich nehmen, denn die Stadt steht vor der Frage, was aus dem bunkerähnlichen Bauwerk, an dem sich seit 45 Jahren ausnahmslos alle Betreiber wirtschaftlich verhoben haben, werden soll.

Eine Machbarkeitsstudie, die die Stadt von der Beratungs- und Projektmanagementfirma Derichts und Konertz erstellen ließ, wartet mit Ernüchterung und Perspektive zu gleichen Teilen auf. Fünf Konzeptvarianten wurden erarbeitet und auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüft. Dabei sind jeweils die aufzubringenden Investitionskosten sowie die Chancen auf eine wirtschaftliche Tragfähigkeit untersucht worden. Hotel, Altenheim, neue Supermärke - entweder nicht finanzierbar oder von potentiellen Interessenten mit hochgezogener Augenbraue postwendend verworfen, das ist das ernüchternde Ergebnis der Studie.

Die Bestnote (in Schulnoten 1,22) erhielt das Konzept eines Komplett-Abrisses und das Anlegen einer sogenannten Grün-, Park- und Trendfläche – kurzum der Ersatz des Beton-Ufos durch eine grüne Lunge. Dabei würde das Parkhaus im Untergeschoss erhalten; das Grün spielte sich oberirdisch auf dem Niveau des Sternplatzes ab.

Vor diesem Hintergrund tagt am Donnerstag, 26. Juni, um 19 Uhr der Lüdenscheider Integrationsrat öffentlich im Rathaus (Besprechungsraum 14). Der Integrationsrat hatte jüngst bereits in die Forum-Diskussion eingegriffen und den Vorschlag geäußert, für den Bau eine Nutzung zu finden – einen Teil könne man für eine Begegnungsstätte nutzen und Angebote des bisherigen Integrations- und Begegnungszentrums von der Parkstraße in die Stadtmitte verlagern. Dort wären sie, findet man im Integrationsrat, zentraler und damit besser erreichbar aufgehoben. Ob man zur entscheidenden Ratssitzung am 7. Juli (hier wird über den Abriss entschieden) einen Antrag auf Begegnungsräume im Forum stellt, berät der Integrationsrat am 26. Juni.

Frühzeitige Kritik vor einer solchen Integrationsrat-Entscheidung übt der AfD-Bürgermeisterkandidat Thomas Staubach. Er warnt pauschal vor ‚negativen Effekten‘ bei der Ansiedlung von Begegnungsstätten, die man in guter Absicht am falschen Platz errichte. Staubach sieht eine Gefahr in der Geräuschbelästigung durch Feiernde und befürchtet  „ein Zusammenstoßen unterschiedlicher Interessen und Lebensstile“. Konkreter: „Ein weiterer Aspekt, der uns im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Nutzung des Forums als Begegnungszentrum als potenziell nachteilig erscheint, ist der kulturspezifische bzw. religionsspezifische Aspekt. In unserer Stadt leben Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Religion zusammen und zwar in einem z.T. nicht wirklich ausgewogenen Proporz.“

Stattdessen schlägt man AfD-seitig vor, das leerstehende Forum als kommerzielles Freizeitzentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu nutzen. Staubach: „Das basiert nicht auf Ablehnung von Integration, ganz im Gegenteil, sondern eher auf realistischen Einschätzungen, welche Strukturen in Städten tatsächlich funktionieren und welche nicht und welche perspektivischen Entwicklungen mit welchem Konzept begünstigt werden oder welche vermieden werden können.“