„Wenn ich hier bin, dreht sich das Gedankenkarussell nicht, ich kann dann einfach mal abschalten“, antwortet Ellie Seybusch auf die Frage, warum sie denn so gerne in die Tagespflege am Burgweg kommt. Und damit ist sie nicht alleine: Von den 15 Gästen, die sich an diesem Mittwoch in der Senioreneinrichtung einfinden, ist keiner schlecht gelaunt.
Ein Tag in der Tagespflege am Burgweg
Aber von vorn: Der Tag beginnt früh – die Senioren werden vom Fahrdienst zwischen 8 und 9 Uhr vor der Haustür abgeholt und in die Räumlichkeiten am Burgweg gebracht. Nach und nach trudeln dort alle ein – und der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück. Bei Brötchen, Aufschnitt, Käse und Kaffee entstehen die ersten Gespräche, es werden Geschichten und Neuigkeiten ausgetauscht, und schnell ist klar: Hier kennt und mag man sich.
Nach dem Frühstück geht es dann zum Morgenkreis, frei nach dem Motto: „Von nichts kommt nichts.“ Nach einer kurzen Besprechung der wichtigsten Meldungen aus dem Lokalteil singen dann alle gemeinsam das „Gymnastik-Lied“ – und genau die schließt sich nahtlos an.
Und die Übungen haben es teilweise in sich. Einmal müssen Tücher um den eigenen Oberkörper herumgereicht werden, mit den Schultern gekreist oder Bewegungen entsprechend der ihnen zuvor zugeordneten Farben ausgeführt werden: Winken, wenn Pflegerin Tatjana Eichholz die blaue Karte hochhält, die Arme strecken bei grün, die Finger bewegen bei gelb. Motiviert und fröhlich sind alle dabei – und: „Jeder so, wie er eben kann“, betont Tatjana Eichholz.
Zum Abschluss gibt es dann noch ein Quiz. Das Motto des Tages: „Farben.“ Tatjana Eichholz liest einen Lückentext vor: „Wenn jemand betrunken ist, dann ist er was?“ – Einstimmige Antwort: „Blau.“ Passend dazu kommt Betreuungsassistentin Angelika Ditzer mit dem Getränkewagen rein. Im Angebot: Wasser, Saft – und verschiedene Sorten Schnaps. Na dann: Prost.
Zum Abschluss des Morgenkreises sucht Angelika Ditzer „farbenfrohe“ Lieder – und die werden dann auch direkt angestimmt, von „Hoch auf dem gelben Wagen“ über „Blau, blau, blau blüht der Enzian“ bis hin zu „Er hat ein knallrotes Gummiboot.“ Alle Beteiligten sind motiviert bei der Sache – und erweisen sich als textsicher.
Ein Tag in Gemeinschaft
Gemeinschaft wird groß geschrieben in der Tageseinrichtung für Senioren: Das gilt auch für das gemeinsame Mittagessen, das sich dem Morgenkreis anschließt. Jeder, der helfen mag, ist in der Küche willkommen: Egal, ob es ums Gemüse schneiden, Kartoffeln schälen oder das anschließende abtrocknen geht. Gekocht wird von den Pflegekräften reihum, mit Hilfe der Tagesgäste. Und die dürfen auch mitreden, was den Menüplan angeht: Einmal monatlich werden Essenswünsche abgefragt und ein Menüplan erstellt.
Am heutigen Tag auf dem Speiseplan: Frikadellen, Kartoffeln und Mischgemüse in Rahmsauce. Auch hier zeigt sich wieder: Man befindet sich in einer Gemeinschaft, reicht sich nicht nur gegenseitig Dinge an, sondern schneidet dem Sitznachbarn auch das Fleisch klein, wenn der damit Probleme hat.

Nach dem Mittagessen dürfen die Tagesgäste sich – in einem der Ruheräume oder auf einem der Sofas im Kaminzimmer – ausruhen. Und während viele Tagesgäste dieses Angebot in Anspruch nehmen, hat Geschäftsführer Matthias Lauermann Zeit für ein Gespräch.
„Ich konnte hier meine Vision verwirklichen“
Er selbst, so gibt er an, kommt aus der Touristikbranche: „Ich bin studierter Hotelmanager, war am Ende als Concierge in einem Luxushotel für die Promis zuständig.“ Auf Dauer sei das aber nicht seine Erfüllung gewesen: „Man bekommt recht wenig Dankbarkeit zurück.“ Daher wechselte er den Bereich, leitete zunächst den Sozialdienst – inklusive des Qualitätsmanagements – einer stationären Senioreneinrichtung in Halver. Bis sich dann die Gelegenheit ergab, den ehemaligen Kindergarten am Burgweg zu kaufen und zur Tagespflegeeinrichtung umbauen zu lassen. Ein kompletter Wechsel in der Berufslaufbahn also? Fast, denn eine Sache, so Lauermann weiter, habe er aus der Hotelbranche mitgenommen; das „Fünf-Sterne-Denken“, wie er es nennt. Sprich: „Alle Tagesgäste sollen sich wohlfühlen.“
Und dafür wird einiges getan – das Angebot der Einrichtung reicht von Ausflügen zum Markt, gemeinsamen kochen und backen, Bingo-Nachmittagen bis hin zu „reichlich Zeit für Gespräche.“ Diese Aussage bewahrheitet sich schon einige Minuten später, als sich Ellie Seybusch mit an den Tisch setzt und davon erzählt, dass sie mit der Haushaltsführung aktuell oft überfordert ist. „Wenn du Hilfe brauchst, sag mir bitte Bescheid“, bietet Matthias Lauermann nachdrücklich an. Ellie nickt, drückt sein Hand und zieht sich wieder zurück.

„Ergänzend zur eigentlichen Tagespflege bieten wir noch einen Betreuungsdienst an: Hilfe beim einkaufen, aufräumen und Arztbesuchen“, wie Lauermann anschließend ergänzt – das entlaste nicht nur die Senioren selbst, sondern vor allem die Angehörigen. „Es verbleibt ihnen mehr Zeit miteinander, wenn sich die Kinder nicht nur mit aufräumen und putzen aufhalten müssen, wenn sie ihre Eltern besuchen.“ Insgesamt, so betont er, möchte er „als Dienstleister verstanden werden – und auch die Kosten für den „Senioren-Service“, wie er ihn nennt, würden ebenfalls von der Pflegekasse übernommen.
Die Pflegekassen bezuschussen den Aufenthalt in einer Tagespflegeeinrichtung
Apropos Kosten: Hier bestünde noch häufig die Befürchtung seitens der Angehörigen, dass diese komplett von ihnen selbst zu tragen seien. Eine Angst, die Matthias Lauermann den Betroffenen gerne nehmen möchte, wie er betont: „Ein Besuch bei uns wird von der Pflegekasse teilfinanziert, und es erfolgt auch keine Minderung des Pflegegeldes oder Pflegesachleistungen.“
Im Gegenteil: Oftmals würden die mobilen Pflegedienste und die Tagespflege Hand in Hand arbeiten: „Idealerweise war der mobile Dienst schon vor uns da und hat die Senioren für den Tag bereit gemacht, bevor sie von unserem Fahrdienst abgeholt werden.“ Für eine individuelle Beratung stünden er und sein Team jederzeit zur Verfügung.
„Die Tagespflege ist nicht die letzte Station vor dem Seniorenheim“
Und noch ein weiteres Vorurteil möchte Matthias Lauermann gerne aus der Welt schaffen: „Die Tagespflege ist nicht die letzte Station vor dem Heim. Im Gegenteil, viele unserer Gäste blühen hier erst noch mal richtig auf, merken, was sie eigentlich noch alles können und helfen sich gegenseitig.“
Nicht ohne Stolz zeigt Lauermann anschließend noch den Garten der Einrichtung – mit selbst angelegten und mit Hilfe der Gäste bewirtschafteten Gemüsebeeten. Und auch hier werden die Aufgaben gerecht geteilt: „Jeder, der möchte, darf sich an der Gartenpflege beteiligen.“
Einmal, so erzählt er, habe er ein Gespräch vor seinem Bürofenster mitgehört: „Eine Seniorin hat sich über die wuchernden Rosen beschwert. Da bin ich raus, hab ihr die Schere in die Hand gegeben und sie gebeten, sie selbst zu schneiden – seitdem ist sie unsere Rosenverantwortliche.“ Eine andere, regelmäßige Besucherin sei die „Salat – und Blumenbeauftragte.“ So habe hier jeder eine Aufgabe, denn: „Das Wort, um das sich hier alles dreht, ist Gemeinschaft.“

„Voneinander lernen“
LokalDirekt hat nachgefragt: Warum genau kommen die Gäste denn gerne in den Burgweg? „Wenn ich Ihnen das in Ihr Handy sagen soll, brauche ich aber Unterstützung“, sagt Ellie Seybusch. Gesagt, getan: Angelika Ditzer steht gerne zur Verfügung.
Über den Mehrwert, den der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung bietet, berichten die Betreuungsassistentin und die pensionierte Redakteurin im Video.
Kaffee, Kuchen und Bingo zum Ausklang des Tages
Kurz darauf ist die Ruhehezeit dann zu Ende. Nach und nach versammeln sich Gäste und Personal wieder an den Tischen im Saal. Nächster Programmpunkt: Kaffee und Kuchen – in diesem Fall Apfelkuchen mit Sahne.
Bevor sich der Tag aber dann dem Ende zuneigt und die ersten Gäste schon wieder abgeholt werden, wird noch eine Runde Bingo gespielt – so viel Zeit muss sein. Der Preis für alle: Schokoladenbonbons, die gerne genommen werden.

Und schließlich heißt es: Abschied nehmen, zumindest für heute. Die Busse trudeln nach und nach ein, es wird sich – sofern man nicht mit demselben Fahrer nach Hause gebracht wird – voneinander verabschiedet.
Aber nicht für lange – die meisten Gäste verbringen mindestens einen, manche sogar vier oder fünf Tage wöchentlich in der Tagespflege am Burgweg.