Zu seinem ersten heimischen „Bonsai“ kam Hans Pfingsten eher zufällig: „Als wir 1973 hier in Breckerfeld gebaut haben, war noch kein Garten angelegt“, erzählt der heute 84-Jährige, dessen Familie über viele Jahrzehnte im Ortskern die ‚Konditorei Pfingsten‘ betrieben hat.
Mit zwei ersoffenen Kiefern fing es an
Als er beim Einkauf für die Konditorei in einem Großhandelsmarkt zwei kleine Kiefern in schönen Übertöpfen entdeckte, nahm er sie mit: „Meine Schwiegermutter fragte mich beim Heimkommen was ich denn mit den ‚Dingern‘ will“, lacht Hans Pfingsten. Gedacht waren sie da natürlich schon für den späteren Garten an der Epscheider Straße.
Zunächst aber mussten die beiden Kiefern noch eine ganze Weile in den kleinen Töpfen ausharren: „Mein eigener Beruf, die Familien-Konditorei, der Neubau, Frau und Kinder – fürs Gärtnern hatte ich damals überhaupt keine Zeit.“ Also blieben die jungen Nadelbäume erstmal eingetopft draußen vorm Haus stehen, bis eine sehr lange Regenphase kam: „Kurz gesagt: sie sind mir regelrecht ersoffen“, sagt Hans Pfingsten. „Das Regenwasser konnte in den Töpfen nicht ablaufen, die Wurzeln verrotteten.“

Bei einem Spaziergang kam Hans Pfingsten – eher zufällig – an der Gärtnerei Kriese vorbei, erzählte dem damaligen Inhaber von seinen ‚ertrunkenen Kiefern‘ und bekam einen Tipp, der ihm später bei vielen weiteren eigenen Baumzüchtungen half: „Heinz Kriese meinte, ich soll die Rinde an mehreren Stellen mit dem Fingernagel einritzen. Wenn sie auch nur an einer einzigen Stelle noch ’saftig‘ wäre, dann wäre noch Leben im Baum und man könne ihn retten.“
„Rindentest“ rettete Bäumen das Überleben
Zuhause angekommen und neugierig geworden, machte Pfingsten umgehend den ‚Rindentest‘ und fand tatsächlich an den beiden – scheinbar ertrunkenen – Kiefern Anzeichen von Leben unter der Rinde. „Ich recherchierte weiter, in welcher Erde Nadelhölzer am besten gedeihen, und topfte die Bäume um“, erzählt er. Beide überlebten, bildeten neue Wurzeln, trieben neu aus – und zieren bis heute Hans Pfingstens Terrasse.
Inspiriert durch japanische Gärten
Bei seinen Recherchen zu Bäumen und deren Pflege stieß er auch auf Berichte über chinesische und japanische Gärten und erfuhr, dass dort viele „große Baumarten“ mangels Platz in Töpfen bewusst klein gehalten werden. „Bonsai heißt aus dem Japanischen übersetzt ja nichts anderes als ‚Baum im Topf‘, auch wenn der Begriff heute eher für die kunstvolle Gestaltung oder absichtlich herbeigeführte Form eines Baumes verwendet wird“, erklärt Pfingsten.
„So begann meine Begeisterung für formschöne Bäume im Miniformat, und ich fing an, kleine Triebe verschiedener Baumarten in Töpfe einzupflanzen“, so der Hobbyzüchter. Neben Kiefern also auch Eichen, Buchen, Lärchen, Wacholder, Zypressen, Ahorn oder auch Mammutbäume.

Fachsimpeleien mit Förstern
Einige Ableger hätten ihm Förster geschenkt, mit denen Hans Pfingsten auf seinen Waldspaziergängen ins Gespräch und zuweilen auch ins Fachsimpeln kam, zum Beispiel was gegen Pilzbefall helfe.
Auch als es vor Jahrzehnten im Steinbachtal eine größere Neuanpflanzung gegeben habe, die immer wieder von Wild abgefressen wurde, gab ihm der Förster einige Zweige mit: „Und so sind bei mir im Topf aus einigen kahlen und krummen Ästchen vollblättrige, gesunde Kleinbäume gewachsen“, sagt Pfingsten und lacht: „Die Rehe haben mir sozusagen dabei geholfen, meine Bonsais zu gestalten.“
Wenig, aber gezielt schneiden
Aktuell hegt, pflegt und formt der Breckerfelder an die 50 Topf- und Schalenbäumchen: „Viel Arbeit machen sie nicht, ab und zu gießen reicht.“ Auch das Formen ergebe sich vielfach von selbst: „Ich schneide nur wenig, dafür aber gezielt weg und lasse mich bei der Gestaltung von der natürlichen Wuchsrichtung der Äste inspirieren“, erzählt Hans Pfingsten. Hin und wieder unterstützt er mit Kupferdraht die dünnen Triebe, damit sie einer gewissen Form folgen oder sich in dieser stabilisieren.

Auf die richtige Mischung kommt es an
Auch wenn sich das nach „nicht allzu viel wissen müssen“ anhört – etwas Sachkunde sei schon vonnöten, damit die Bäume in den Schalen gedeihen. Zum Beispiel, welche Erdart sich für welchen Art eignet: „Auf die richtige Mischung kommt es an“, weiß Hans Pfingsten. „Bei ursprünglichen Waldbäumen sollte die Erde im Topf – zu jeweils einem Drittel – aus Torf, Lehm und Quarzsand bestehen.“ Der Sand dient als Drainage, damit kein Stauwasser im Topf entsteht.
Trotz allen Sachwissens, das er sich über viele Jahre angelesen hat, und selbst bei noch so guter Pflege sei ihm aber ab und zu auch mal ein Baum komplett eingegangen. Dennoch versuche er jedes Exemplar zu ‚retten‘: „Nur weil Dreiviertel der Krone abgebrochen oder einige Äste abgestorben sind, gebe ich sicher nicht auf“, lacht Pfingsten.

Ein ganzer Wald aus einem Ast
So ist zum Beispiel auch sein „Mini-Lärchenwald“ entstanden: Hans Pfingsten legte einen einzigen übrig gebliebenen Ast ganz flach in Erde und zog gezielt nur jene Triebe hoch, die ganz gerade nach oben wuchsen.
Und wenn das nicht funktioniert: „Auch mit so genanntem ‚Totholz‘ lassen sich tolle Effekte erzielen, wenn man dessen Rinde abschält und mit Natronlauge bleicht.“

Starre Eiche, geschmeidiger Ahorn
Wichtig bei einem Hobby wie seinem, sei aber vor allem eines: Geduld. „Bis ein kahles eingepflanztes Ästchen neu austreibt, kann schon mal ein Jahr vergehen – und selbst dann ist es ja noch lange kein Baum, auch kein noch so kleiner.“ Am schwierigsten zu formen wären übrigens Eichen, bei denen sich selbst dünne Zweige sich nur schwer in Form biegen lassen würden. ‚Geschmeidiger‘ seien Ahornzweige.
Prinzipiell könnte er seine Mini-Bäume übrigens auch aus den Töpfen und Schalen in die freie Natur auspflanzen: „Dann würden sie sich wie ganz normale Bäume weiter entwickeln, in die Höhe und Breite sprießen.“ Für Hans Pfingsten, den Hobby-Baumformer, liegt der Reiz aber eben darin, sie möglichst klein, bis etwa 50 Zentimeter Höhe, zu halten oder ihnen über Jahre hinweg eine bestimmte Wuchsrichtung oder Form zu geben.

Peitschen und Kaskaden
Heute finden sich dadurch in den Töpfen zum Beispiel so genannte „Peitschen“, die aussehen als hätte ihnen jahrzehntelang Wind aus nur einer Richtung zugesetzt. Oder eine spalierförmige Rotbuche. Oder eine Wacholder-Kaskade. Prinzipiell lasse sich aber jedes Gehölz zu einem Bonsai wandeln, selbst mit Obstbäumen sei dies möglich, sagt Hans Pfingsten. „Ich persönlich habe aber ein Faible für unsere heimischen Waldbäume.“ Ihn freue es, wenn sich seine ‚alltäglichen‘ Bäumchen zu etwas Besonderem entwickeln.
Wie die Bäume, habe sich auch das Hobby immer weiter entwickelt: „Seit einigen Jahren versuche ich außerdem, Bäume aus Samen zu ziehen“, sagt Hans Pfingsten und zeigt auf einen Mammutbaum: „Die Samen habe ich von meiner Tochter vor einigen Jahren zum Geburtstag geschenkt bekommen.“

Kleine Bäume tragen auch Zapfen
Etwa 40 Zentimeter ist der kleine „Mammut-Bonsai“ mittlerweile hoch – und trägt in diesem Jahr zum ersten Mal Zapfen. Einen einzigen zwar nur, aber „das reicht ja auch für so einen kleinen Baum“, lacht Hans Pfingsten.
Wenn in den nächsten Jahren mehr Zapfen dazu kämen, ergebe sich durch deren Gewicht vielleicht auch eine neue, besondere Form des Mammutbaumes: „Auch wenn man Geduld haben muss, bleibt es bei meinen Bonsai-Bäumen also immer spannend.“

Ein Drehteller erleichtert den Schnitt
Wenn sich Hans Pfingsten wieder einmal einem seiner Bäumchen intensiver beschäftigen möchte, stellt er das gewählte Exemplar auf seinen Terrassentisch: „So kann ich es besser und bequemer von allen Seiten betrachten als wenn ich mich hinunter bücke.“
Eine Eigenanfertigung, die ihm die Arbeit an seinen Bonsais erleichtert, ist ein selbstgebastelter Drehteller aus zwei hölzernen Küchenschneidbrettern und Glasmurmeln: „Damit muss ich den Topf nicht ständig umsetzen und mein Tisch wird so auch nicht zerkratzt.“

Mit grünem Daumen gesegnet
Neben den Bonsai-Bäumen hat Hans Pfingsten offensichtlich auch für andere Pflanzen einen „grünen Daumen“, denn in seinem Garten finden sich unzählige weitere Sträucher und Blumen: „Diese hier ist aus drei kahlen ‚Pinnen‘ aus dem Garten meiner Eltern entstanden“, sagt er und zeigt auf eine mehrere Meter hohe und prächtig blühende Kletterrose. „Die Grundpflanze ist also über hundert Jahre alt“, betont er stolz.
Baum-Ausstellung am 5. August
Wer Hans Pfingstens heimische Bonsai-Bäume einmal aus nächster Nähe bestaunen möchte: Eine Auswahl seiner „Topfminis“ wird er auf dem ‚Tag der offenen Tür‘ der Kunstfreunde Breckerfeld in deren Atelier am 5. August präsentieren – neben seinen eigenen Malereien. Denn der 84-Jährige hat noch weitere Hobbys: Stadtchroniken schreiben und historische Recherchen zur Breckerfelder Geschichte, Malerei, besondere Steine sammeln – und eben nun schon seit fünfzig Jahren Bonsais züchten.
LokalDirekt-Serie „Das Gartenjahr“
In unserer neuen LokalDirekt-Serie „Das Gartenjahr“ stellen wir Hobbygärtner vor und geben Tipps rund ums Thema Garten. Den Auftakt zur Serie machte ein Besuch von LokalDirekt-Redakteurin Lisa Weber bei Sebastian Schulte: Der Halveraner Hobbygärtner hat sich auf einer Pferdewiese den Traum vom eigenen Gemüsegarten verwirklicht.
Sie haben auch einen grünen Daumen und einen Garten oder einen Balkon, den sie zeigen möchten? Sie haben besondere Pflanzen bei sich zu Hause? Schreiben Sie uns eine E-Mail an [email protected] und erzählen uns Ihre Geschichte.