„Sie matchen“ – so könnte man auf Neudeutsch das Resultat beschreiben, das das Jobcenter EN bei der Vermittlung erreicht hat: „Beide Seiten haben ihre Chancen erkannt und genutzt“, sagt Integrationscoach Dietmar Bickmann vom Jobcenter. „Die RS-Kunststoffgesellschaft war und ist auf weitere Arbeitskräfte angewiesen und Valentyn Prus, Oksana Denysenko und Valentyna Pleshka wollen arbeiten, um finanziell unabhängiger zu sein.“
„Zettelwirtschaft“ und Übersetzung-App
Vor gut einem Monat erhielten die drei Ukrainer einen Praktikumsplatz bei RS – und seitdem herrscht im Unternehmen eine kleine „Zettelwirtschaft“: Vom ersten Tag an hat sich Valentyn Prus akribisch alle Arbeitsschritte notiert, die ihm sein Chef Ralf Höhmann gezeigt hat, und diese mit Magneten an die von ihm zu bedienenden Maschinen geheftet. So kann er im Zweifel auf Ukrainisch nachlesen, was genau an welcher Stelle zu tun ist. Wenn er darüber hinaus Fragen hat, zieht er ‚Joker Nummer 2‘ und wendet sich an eine langjährige Mitarbeiterin, die aus Polen stammt und Ukrainisch versteht. Und dann gibt’s da auch noch eine Übersetzungs-App, auf die Prus notfalls zurückgreifen kann.
„Sofort ins Team integriert“
„Natürlich ist es nicht ganz leicht mit der Verständigung“, sagt Ulrike Höhmann, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann leitet. „Aber alle tun ihr Bestes und so funktioniert es dann auch. Ein wirkliches Problem ist das nicht“, betont sie. Denn viel wichtiger als die Sprache seien ihr die Motivation und das Engagement ihrer Mitarbeiter: „Und da kann ich bei allen Dreien nur von einem riesengroßen Glücksgriff sprechen: Sie sehen die Arbeit, sie suchen sich Arbeit, erledigen alles zuverlässig und haben sich sofort in das Team integriert.“
Als Lohn für diese Leistung und Anerkennung für dieses Verhalten erhalten Prus, Denysenko und Pleshka jetzt nach ihrem einmonatigen Praktikum feste Verträge – und die Hörmanns möchten nach den guten Erfahrungen zudem noch zwei weitere Menschen aus der Ukraine einstellen. „Der Arbeitgeberservice des Jobcenters hat bereits geeignete Kandidaten gefunden, sie können in den nächsten Wochen in das Praktikum einsteigen“, so Dietmar Bickmann.
Der Integrationscoach steht in engem Austausch mit dem Arbeitgeberservice, der wiederum Unternehmen mit offenen Stellen genau im Blick habe: „Wir schauen, was die Menschen an beruflichen Erfahrungen aus ihren Heimatländern mitbringen, wo sie mit ihren Sprachkenntnissen stehen und ob sie motiviert sind. Unser Ziel ist es, zusammenzubringen, was zusammenpasst.“ Dies sei aufgrund des deutschlandweiten Arbeits- und Fachkräftemangels dringend nötig. „Bund und Land haben Programme wie den ‚Jobturbo‘ und die ‚Vermittlungsoffensive‘ gestartet, um das Problem in den Griff zu bekommen“, ergänzt der Leiter des Jobcenters EN, Dirk Farchmin. „Dem kommen wir nach, indem wir die Kontaktdichte mit arbeitsmarktnahen Bewerbern noch einmal erhöht haben.“
Außerdem organisiere das Jobcenter vermehrt Veranstaltungen für bestimmte Zielgruppen. „Mal richten wir uns dabei gezielt an neu Zugewanderte, geben Informationen rund ums Arbeiten in Deutschland und beantworten Fragen. Mal geben wir lokalen Unternehmen die Gelegenheit, sich und ihre offenen Stellen möglichen Interessenten live und vor Ort vorzustellen“, erklärt Enrique Herold, Leiter des Arbeitgeberservice. Denn auch im Ennepe-Ruhr-Kreis würden viele Betriebe händeringend Personal suchen.
„Win-win-win-Situation“
Die RS-Kunststoffgesellschaft hatte bis vor Kurzem zwölf Mitarbeiter, dank der drei neuen Arbeitsverträge sind es jetzt 15. „Die Auftragslage ist sehr gut. Was uns bislang eingeschränkt hat, ist tatsächlich der Personalmangel“, sagt Ulrike Höhmann. Die Maschinen in dem Betrieb, der hauptsächlich Fenster- und Rollladentechnik herstellt, laufen an sieben Tagen pro Woche. Sie müssen bedient und befüllt werden, fertige Teile herausgenommen, sortiert, zugeschnitten, verpackt, etikettiert und für den Versand vorbereitet werden. Aufgaben, die die drei Ukrainer nun nach und nach übernehmen können. „Wir müssen jetzt zwar etwas mehr Energie hineinstecken, um mehrere neue Mitarbeitende gleichzeitig einzulernen. Aber wir können davon nur profitieren“, zeigt sich Ulrike Höhmann überzeugt.
Unter dem Strich sei es letztlich eine Win-win-win-Situation: für das Unternehmen, den Bundeshaushalt und die Ukrainer selbst. Denn Prus, Pleshka und Denysenko, die vor zwei Jahren vor dem Krieg in ihren Heimatregionen Charkiv, Odessa und Saporischja nach Deutschland geflohen sind, betonen: „Wir wollen kein Bürgergeld und auch keine Langeweile. Wir wollen arbeiten.“
Jobturbo, Vermittlungsoffensive, Arbeitgeberservice
Der Bund und das Land NRW haben vor wenigen Monaten zwei Initiativen ins Leben gerufen, um dem Arbeits- und Fachkräftemangel mit dem Motto „Jede und jeder wird auf dem Arbeitsmarkt gebraucht“ entgegenzuwirken. Während der Bund mit seinem „Jobturbo“ verstärkt auf die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt abzielt, hat die „Vermittlungsoffensive“ des Landes die Arbeitsmarktnähe aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Fokus.
Jedes Unternehmen im Ennepe-Ruhr-Kreis, das offene Stellen hat, kann sich an den Arbeitgeberservice des Jobcenters EN wenden, Telefon 02336/933999. Ein persönlicher Ansprechpartner wird dann gemeinsam mit den Integrationscoaches versuchen, passende Arbeitssuchende zu finden.