Digitales Lernen in einem interaktiven Center – ein innovatives, aber noch fremdes Konzept für die Stadt Halver. „TUMO“ nennt sich der Bildungs-Hub, dessen Realisierung im Denkhof an der Frankfurter Straße denkbar wäre. Doch was genau hat es mit diesem außerschulischen Lernort auf sich? Heike Müller-Bärwolf, Regionale-Koordinatorin der Stadt Lüdenscheid, studierte die Vorteile von TUMO intensiv und stellte das Konzept im Ausschuss für Bildung und Jugend am Dienstag, 31. Mai, vor.
TUMO: Armenisches Bildungskonzept zeigt Erfolge
Die TUMO-Idee stammt aus Armenien, genauer gesagt aus der Hauptstadt Jerewan, und wurde durch die Initiative der KfW auch im Jahr 2020 in Deutschland eingeführt. Auch in Lüdenscheid soll bald das erste deutsche TUMO-Center in einer ländlichen Region entstehen – LokalDirekt berichtete. Das kostenlose Bildungskonzept sei unter der jungen Generation sehr nachgefragt: Laut Müller-Bärwolf, die sich das TUMO-Center in Armenien angesehen hat, besuchen und nutzen wöchentlich rund 15.000 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren das TUMO-Center. „Es ist riesengroß und hat eine unfassbare Dynamik“, erzählt sie begeistert. Aktuell gibt es weltweit elf Zentren und sechs TUMO-Boxen.
Sie entscheiden zu Beginn selbst, welche kreativen Themenbereiche sie nach individuellem Interesse vertiefen möchten – und die Auswahl ist groß: Diese erstreckt sich von Programmierung, Robotik über Filmproduktion bis hin zur Fotografie. In Armenien können die Jugendlichen zwischen 14 Lernbereichen entscheiden, in Lüdenscheid werden es acht sein. Die Nutzer haben dann zwei Mal in der Woche für je zwei Stunden die Möglichkeit, diese Lernpfade – bestehend aus drei Levels – selbstständig zu erarbeiten und sich bis zum Workshop hochzuarbeiten. Dort können sie ihr digitales, angeeignetes Wissen sofort anwenden. Begleitet werden sie dabei von TUMO-Coaches, die in der Regel jung und Experten in den Themenbereichen sind. Schließen die Jugendlichen ihre Lernbereich ab, erhalten sie, wie Müller-Bärwolf erklärte, ein „Living Diploma“.
Lernen in einer Box: Die „TUMO-Box“
Ein TUMO-Zentrum in einer ländlichen Region ist schwierig, weiß Müller-Bärwolf. „Wir sind schließlich nicht Berlin“, hieß es weiter. Was, wenn nicht genügend Kinder und Jugendliche für das Projekt rekrutiert werden können? Die Lösung für das Problem ist die TUMO-Box. Diese können circa 60 bis 200 Quadratmeter groß sein. Hier haben etwa 12 bis 30 Jugendliche Platz und Zeit, ihre gewählten Lernpfade zu absolvieren. Danach geht es dann in das TUMO-Zentrum – in diesem Fall wäre es das Zentrum in Lüdenscheid – um in den Workshop ihr Wissen zu vertiefen. Eine Realisierung dieses Projekts ginge nur gemeinsam – die Kommunen müssen zusammenarbeiten, appelliert Müller-Bärwolf.
Es muss jedoch nicht zwingend eine Box sein, erklärt Müller-Bärwolf. Das Projekt wäre auch in einem leerstehendem Ladenlokal oder im Denkhof, die sich bereits eine Delegation aus Armenien besichtigt und Zustimmung signalisiert hat, realisierbar. Die TUMO-Box sei auch außerhalb der TUMO-Zeiten am Nachmittag für die Kommune nutzbar.
Laut Vorlage sind die Boxen über das Förderprogramm des Bundes nicht förderfähig. Denkbar wäre hier jedoch ein Zugang über die Regionale 2025. TUMO sei bereits im Arbeitskreis Regionale vom Ausschussvorsitzenden Achim Magenheimer vorgestellt worden. Mit der Auszeichnung des zweiten Sterns würden sich nun gute Realisierungschancen ergeben. „Die Südwestfalen-Agentur bemüht sich intensiv um einen Förderzugang“, heißt es so weiter.
Halveraner Politik zeigt sich offen
Die „Generation der Zukunft“ soll lernen, mit den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in Gesellschaft und Arbeitswelt umzugehen – das möchte das TUMO-Konzept erreichen. Hierzu bekräftigte Heike Müller-Bärwolf im Ausschuss, dass das Bildungssystem nicht zufriedenstellend sei: „Es muss viel mehr kommen und Corona hat daran leider nicht viel verändern können. Wir sind noch zu langsam“.
Im Anschluss an den Vortrag kam seitens der Grüne-Fraktion eine Nachfrage zur Geschlechterverteilung in den TUMO-Zentren. „Haben Mädchen den gleichen Anteil bei der Teilnahme?“ fragt Sina Löschke. Heike Müller-Bärwolf entgegnete, dass es in den gemischten Gruppen von Mädchen und Jungen ein Gleichgewicht gebe – so sei es zumindest in Armenien. TUMO sei eine gute Möglichkeit, um das Interesse für Mädchen in männerdominierten Berufen zu steigern, so SPD-Fraktionsmitglied Achim Magenheimer: „Meine Herkunft sind ja die IT-Berufe und wir haben immer das Ziel, Frauen in diese Berufe zu bekommen“. Die Wahrheit sehe leider aber anders aus, bedauert Magenheimer. Aus der Mischung von verschiedenen Lernbereichen könne das Ziel angetrieben werden.
Den Ansatz, dass mit dem TUMO-Konzept viele Jugendliche und eine breite Altersgruppe sowie Mädchen und Jungen angesprochen werden, begrüßt Dr. Sabine Wallmann von der UWG. „Von dem Konzept her ist es einfach genial“, sagt sie. Welche Unternehmen sich an TUMO beteiligen könnten, habe sich Wallmann schon überlegt, beispielsweise die Firma duotec im Bereich Technologie. „Ich kann nur sagen: Lasst uns anfangen, und zwar schnell“, appellierte sie schließlich.
„90 Prozent der Ziele, die sie präsentiert haben, sind Ziele, die wir versuchen, bereits in Schulen zu erfüllen“, erklärt Mathias Ihne (FDP) aus der Lehrer-Perspektive. Eineinhalb Jahre müssten Schüler und Lehrer auf Monitore warten, teilweise gäbe es in Technikräumen kein WLAN. Ihne gibt zu Bedenken, dass man sich mit TUMO „nicht reinwaschen“ dürfte. Reiner Klausing, Schulleiter der Humboldtschule, sprach sich hingegen für die Idee aus, denn Bildung müsse man heutzutage anders denken: „Wir müssen die Schüler mitnehmen, die vielleicht noch nicht ihren Weg gefunden haben. Es ist wichtig, diesen Schritt zu gehen und die Projektorientierung in den Mittelpunkt von Bildung zu stellen“, betont Klausing.
Dagmar Eckhardt (SPD) meldete zum Schluss noch Bedenken an – sie möchte vermeiden, dass die TUMO-Box am Ende nicht zu einem „besseren Jugendzentrum entsteht, wo gezockt wird“. Durch die feste und begrenzte Lernzeit, ließe sich diese Sorge jedoch vermeiden, sagt Heike Müller-Bärwolf.
Die Beschlussvorschlag, die Realisierung einer TUMO-Box in Zusammenarbeit mit
der Stadt Lüdenscheid unter Berücksichtigung von Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen, wurde einstimmig angenommen.