Der Uhu saß am 11. Februar völlig entkräftet im Garten von Ralf und Elke Hötte in Rennerde. Nachbarin Natascha Heß entdeckte die große Eule im Gebüsch. Sie saß einfach da und bewegte sich nicht. Die Rennerderin beobachtete den Uhu – doch es tat sich nichts. Der Vogel blieb nahezu bewegungslos dort sitzen. Ihr war klar, dass etwas nicht stimmte. Ihr Lebensgefährte stellte schließlich einen Kontakt zu einem Falkner in Altena her.
Burkhard Wellpott kam und sah sich den Uhu genauer an. „Prinzipiell ist es nicht ungewöhnlich, dass Eulen auf dem Boden sitzen und sich auch mal in der Nähe von Menschen aufhalten. Sie bewegen sich gerne laufend, dass ist nicht so kräftezehrend“, erklärt der Greifvogelexperte im Gespräch mit LokalDirekt. Auch brüten sie gerne zwischen Bäumen, denn Uhus bauen keine Nester. Doch dieser Uhu verhielt sich anders. „Als ich kam, ist er nicht weggelaufen. Normalerweise versuchen die Vögel die Distanz zum Menschen zu halten. Als ich ihn berührte, ist er dann einfach umgekippt und liegengeblieben. Er war völlig entkräftet“, erzählt Burkhard Wellpott. Es bestand also Handlungsbedarf. Der Falkner nahm den Vogel mit und konnte ihn in der Voliere eines Bekannten unterbringen.
„Ich gehe davon aus, dass es sich um ein männliches Tier, also einen sogenannten Terzel, handelt“, sagt Wellpott. Terzel, weil die männlichen Tiere ungefähr ein Drittel kleiner sind als die weiblichen Tiere. „Genau kann man das nur sagen, wenn man eine Feder rauszupft und eine DNA-Analyse macht“, erklärt der Experte. Gerade einmal 1750 Gramm wog das Tier. „Allerdings ist das Gewicht nicht ganz aussagekräftig. Man merkte, dass er so extrem unterernährt war, weil man das Brustbein scharfkantig fühlen konnte. Normalerweise ist eine Fettschicht darüber, dass man zwar merkt, dass dort etwas hartes ist, aber nicht die Konturen fühlt“, berichtet der Falkner.
Uhus sind die größte Eulenart – und sie kommen nicht all zu oft vor. Wellpott: „Das Problem liegt darin, dass Uhus keine Nester bauen und ihnen somit oft die Brutmöglichkeiten fehlen.“ Am liebsten nutzen sie Stein- und Felswände und legen ihre Eier dort in Nischen. Auch Bauruinen werden von den Tieren gerne genutzt oder eben Wurzeln im Wald, da müssten sie allerdings ungestört sein und das sei in den heimischen Wäldern oft nicht der Fall. Und auch eine ausgewogene Ernährung sei oft schwierig. Zwar fänden die Uhus Mäuse und Ratten. „Aber Uhus werden nicht umsonst Adlereule genannt. Sie können auch Hasen, Kaninchen und Rebhühner jagen – doch die gibt es hier nicht oder wenig“, sagt Wellpott.
Dabei, so der Falkner, hätten Uhus einen extrem hohen Bedarf an ausgewogener Ernährung – gerade jetzt: „Sie haben eine Körpertemperatur von 40 Grad. Wenn es warm wird, werfen sie ihre Federn ab. Wird es wieder kälter, müssen sie Federn nachschieben. Das kostet viel Kraft und Energie.“ Den Rennerder Uhu hat Wellpott vier Wochen lang ordentich aufgepäppelt. Er bekam Eintagsküken, Ratten und Putenherzen. „Er war so schwach, dass er anfangs erstmal wieder angefüttert werden musste“, erzählt der Falkner. So konnte er nicht direkt ganze Tiere mit Fell oder Gefieder fressen. Denn dass ist äußerst schwer zu verdauen. „Eigentlich ist es wichtig, da dadurch auch der Magen immer wieder gereinigt wird, aber das erfordert auch wieder Energie. Und das hätte der Uhu nicht geschafft.“
Von Tag zu Tag nahm die Eule zu. 2400 Gramm hatte sie zum Schluss. Zahm ist sie in der Zeit übrigens nicht geworden, darauf wurde geachtet. „Sie hat ohne großen Menschenkontakt in der Voliere gelebt. Wir haben sie gefüttert, aber bwusst nicht an den Menschen gewöhnt“, betonte Wellpott. Und so war der Vogel bei seiner Auswilderung auch alles andere als zutraulich. Als Wellpott die Kiste im Garten von Natascha Heß öffnete wurde der Falkner mächtig angefaucht. Die Beteiligten freute das: „Das zeigt, dass es ihm wieder gut geht. Das ist normales Verhalten“, sagt Wellpott. Rechtzeitig zur Paarungszeit ist der Uhu nun zurück in seinem Revier.
Die Chancen, dass er überlebt seien gut. Er wisse wie die Jagd funktioniere und wo es Nahrung gibt. Wodurch er so entkräftet war, kann der Falkner nicht sagen.
Falkner sucht Gelände
Burkhard Wellpott sucht übrigens nach einem Gelände für seine Falknerei. Am liebsten irgendwo rund um Altena. Er braucht mindestens 1000 Quadratmeter. Auch ein Strom- und Wasseranschluss sei wünschenswert, aber keine Voraussetzung. „Ich würde dort dann gerne meine Volieren errichten und natürlich auch Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Parkmöglichkeiten für drei Fahrzeuge wären also auch gut“, erklärt der Falkner.