Ein Gang über einen Friedhof wirkt wie eine Zeitreise. Klassik oder Romantik sind der Moderne gewichen. Schriftarten und Ornamentik auf Grabsteinen sind schnörkelloser geworden. „Es geht eher auf gerade Schriften“, beobachtet Esther Langwald vom gleichnamigen Unternehmen für Grabmale in Lüdenscheid.
Dank neuer Technik können auch Fotos oder filigrane Landschaftsmotive eingearbeitet werden. „Rosen und Baum gibt es noch oft. Es wird aber auch geschaut, dass es etwas Persönliches ist“, sieht die Kiersper Bestatterin Sina Wende einen Wandel. So wurden Bart, Kamm und Schere auf die Grabplatte eines Frisörs graviert. Segelboot, Klaviertastatur oder Wollknäuel mit Stricknadeln erinnern an anderer Stelle an das Hobby der Verstorbenen, Landschaftsmotive oder Brücken an deren Sehnsuchtsorte.
Daneben gibt es auch eine Rückbesinnung. „Das Generationendenken ist wieder auf dem Vormarsch“, beobachtet Esther Langwald. So gebe es wieder mehr Familien, „die ihre Gräber neu bestücken, auch die der älteren Generation.“
Grabmal und Inschriften würden aufgefrischt und eventuell durch modernere Formen oder Schriften ergänzt. Stichwort hierbei: ein Materialmix für Grabmale oder ein Material, das mit verschiedenen Techniken bearbeitet wird. So können vorhandene Installationen auf Wahlgräbern weiter genutzt werden. – Ein Stück Nachhaltigkeit auf dem Friedhof. Dazu gehören inzwischen auch Urnen, die biologisch abbaubar sind.
Musik kommt aus der Konserve
Entscheidender, auch weil sie gesellschaftlichen Wandel nachzeichnen, sind für die Kiersper Bestatterin Sina Wende Beobachtungen rund um die Beisetzungen. In etwa 80 Prozent der Fälle erfolge die noch nach kirchlichem Ritual mit einem Pfarrer oder eine Pastorin. Aber: gesungen werde kaum noch. Die Musik kommt aus der Konserve, „weil viele die Kirchenlieder nicht mehr kennen“, sagt sie. Gespielt werde zudem eher weltliche Musik. Nur Ältere legten noch Wert auf Orgelbegleitung und kirchliche Lieder.
Sie vermisst auch Respekt und Einfühlungsvermögen gegenüber dem Verstorbenen und den Trauernden. Wenn Sarg oder Urne für den Weg zum Grab aufgenommen werden, sei es früher selbstverständlich gewesen, dass sich die Anwesenden als letzte Ehrerweisung erhoben hätten. „Einige wissen nicht, wie eine Trauerfeier abläuft. Die meisten bleiben sitzen und man sieht in fragende Gesichter“, bedauert die Bestatterin den Verlust an Empathie.
Die vermisst sie auch bei Traueranzeigen und -bekundungen. Die würden lieber per Internet geschickt als brieflich oder persönlich. „Es gibt mehr Menschen, die mit Trauer nicht mehr umgehen können“, erklärt sie das Verhalten, sich eher technischer Kanäle zu bedienen.
Grabstätte auch Kostenfrage
Angst und Distanz zum Tod könnten auch Gründe sein, dass es oft Probleme gebe, wie die Beerdigung bezahlt werden soll und keine Rücklagen vorhanden sind. „Es soll so billig wie möglich sein“, ist ihre Erfahrung. Das reiche von der Auswahl des Sarges bis zum spärlicheren Blumenschmuck.
Bei den Särgen lösen Truhenformen die Pyramidenform ab. Und: der Trend geht in Richtung Natur mit gewachsten oder geölten Oberflächen, „dass man das Holz noch fühlen kann.“ Sarg und Grabstelle sieht die Bestatterin als größte Posten auf der Abrechnung. Dabei spielt auch eine Rolle, wo man die letzte Ruhe findet.
Bei einem Wahlgrab und vergleichbaren Leistungen macht die Differenz zwischen Kierspe und Meinerzhagen rund 700 Euro aus. Bei einem Reihengrab liegt es sich auf dem Kiersper Kommunal-Friedhof gut 1000 Euro günstiger als auf kirchlichem Grund in Meinerzhagen. Allein „schon aufgrund der Größe“ sei ein Reihengrab teurer als ein Urnengrab, so Hanno Grundmann, Sprecher der Stadt Plettenberg.
Lesen Sie hier den ersten Teil unserer Serie zum Thema „Bestattungskultur“.