Kommentar.

Die Geschehnisse rund um den Baufortschritt und die Freigabe der Rahmedetalbrücke kommentiert LokalDirekt-Redakteur Wolfgang Teipel.

"Die Brückenparty ist vorbei. Die Enttäuschung darüber, dass der Verkehr voraussichtlich erst im Februar 2026 über die neue Talbrücke Rahmede rollen wird, ist verklungen. Noch vier Monate nervige Staus – das trübt natürlich die Freude darüber, dass diese Brücke schneller fertiggestellt werden wird, als es zunächst für möglich gehalten wurde. Die Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK) hatte die ambitionierte Formel ausgegeben „Fünf Jahre minus X“.  Geschafft. Vom Tag der Sperrung am 2. Dezember 2021 werden bis zur Freigabe im kommenden Jahr vier Jahre und drei Monate vergangen sein. Absoluter Rekord. Und es hätte tatsächlich noch ein wenig schneller gehen können. Bis zur Sprengung am 7. Mai 2023 wurde unnötig viel Zeit vertan. Die Mühlen der Bürokratie . . .

Trotz alledem: Was hier geschafft worden ist, ist in Deutschland leider noch nicht an der Tagesordnung. Bislang dauert die Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte noch immer viel zu lange. Die Sanierung des Rathaustunnels, einer wichtigen innerstädtischen Lüdenscheider Verkehrsader, ist ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen darf.

Der Leidensdruck, den die Sperrung der A45 überall in der Region ausgelöst hat, ist allerdings ungleich höher. Pendler im Stau, Lärm- und Staubbelästigung an den Umleitungsstrecken, kaputte Straßen und der wirtschaftliche Schaden. Die Beratungsfirma IW Consult, eine Tochtergesellschaft des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, hat die Folgen durchgerechnet. Im Auftrag eines Verkehrsverbandes erstellte sie eine "ökonomische Schadensbetrachtung". Die Experten kommen dabei auf einen wirtschaftlichen Schaden von mindestens 1,8 Milliarden Euro in einem Zeitraum von fünf Jahren. Wegen einer einzigen Brücke wohlgemerkt. Dieser Schaden und die gesundheitlichen Beeinträchtigen von Menschen an den Umleitungsstrecken lassen sich nicht wieder aus der Welt schaffen. Deshalb braucht die Region nach dem Desaster, das sie selbst nicht zu verantworten hat, finanzielle Unterstützung. Land und Bund sind gefordert – wer will, der kann.

Dass schnelle Lösungen auch gute Lösungen sein können, das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Autobahn GmbH, des Baukonsortiums und viele weitere Akteure bewiesen. Für sie war der Brückenbau nicht nur eine Herzensangelegenheit. Sie haben mit der neuen Talbrücke Rahmede eine Blaupause für andere große Infrastrukturprojekte geschaffen. Die positiven Erkenntnisse können jetzt an anderen Stellen umgesetzt werden. Sie lauten: Genehmigungswege verkürzen, Transparenz schaffen, zeitsparende Bauausschreibungen ermöglichen, Einspruchsinstanzen reduzieren und Netzwerke schaffen, die Druck auf Landes- und Bundesregierung ausüben und die den ständigen Dialog suchen. Das ist auch mit Hilfe von Bürgermeister Sebastian Wagemeyer als dem Bürgerbeauftragten für den Brückenbau gelungen. Ohne ihn wäre die SIHK-Forderung „Fünf Jahre minus X“ eine Gleichung mit noch mehr Unbekannten geworden."

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