Vor vier Jahren war Prantl aus der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ ausgeschieden. Ihn vorzustellen, so Moderator Terry Albrecht, hieße „Eulen nach Athen zu tragen“. Das schmeichelte Prantl, der bekannte, es aber gerne zu hören. Dann skizzierte er seine Gedanken zur Weltlage, appellierte, den „Frieden zu gewinnen und die Gewalt zu verlernen.“ Darum geht es in seinem neuen Buch „Die Kraft der Hoffnung“, das Mitte April erscheinen soll.
„Kleines Licht suchen, das Apokalypse verhindert“
„Die weißen Tauben sind müde“ heißt ein Kapitel. Prantl wirbt angesichts der Konflikte in der Ukraine, im Gaza-Streifen, angesichts der Fliehkräfte in Europa, für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik, fordert ein Schulfach „Frieden“.

Auch wenn die Welt „so unsicher ist wie lange nicht mehr“, wenn ein „nukleares Inferno nah wie nie“ sei, dürfe man die Hoffnung nicht aufgeben. Sie lasse „die Welt nicht zum Teufel gehen“. „Man muss Wege finden, den Krieg zu beenden, auch mit Putin“, wirbt er immer wieder um Verständigung, um Gespräche, dafür , das kleine Licht zu suchen, das helfe, „die Apokalypse zu verhindern.“
Prantl liest nicht nur aus dem Manuskript seines neuen Buches. Er wirbt mit Stimm- und Körpereinsatz für seinen Appell, Hass zu überwinden. Eindringlich. Ein Vortrag wie eine szenische Lesung. „Sicherheit ist immer auch die Sicherheit der anderen“, zitiert er den Architekten der Brandtschen-Ostpolitik, Egon Bahr, von dem er, in Badehose auf einem Steg am Mittelmeer sitzend, mitgenommen hat, dass es auch heute nur Sicherheit m i t Russland oder m i t den Palästinensern geben kann.
Politische Linien verwebt mit persönlichen Erlebnissen. Religiöse Leitsätze und literarische Vermächtnisse wie Brechts Zitat über „Karthago“, das drei große Kriege führte, aber nach dem dritten nicht auffindbar war, streut er ein, um Dringlichkeit und Universalität seines Anliegen zu unterstreichen.
Hoffnung spendet Kraft zum Handeln
Ein bisschen kokettiert er auch mit seinen Kontakten, seinen Gesprächen mit Stoiber, Geißler, Kinkel oder Pistorius. Ihm, den Ex-Oberbürgermeister von Osnabrück, der Stadt des Westfälischen Friedensschlusses, hat er mitgegeben, das es darum gehe, für Friedens- statt für Kriegstüchtigkeit zu werben. Unser Lebensgefühl sei zu einem Lebensunsicherheitsgefühl geworden. Das Schlüsselwort sei „Zeitenwende“. Und das stehe für eine Politik der Rückkehr ins Militärische. Frieden, verweist Prantl auf Kant, müsse gestiftet werden. Für alle Übel gebe es Ursachen und er sieht uns alle in der Verantwortung, etwas dagegen tun zu können. In dieser Hoffnung stecke die Kraft zum Handeln. Sie sei „die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“
Ein hoffnungsvolles Beispiel für ihn ist Europa, ein riesiges Friedensprojekt, das es zu hüten gelte „wie ein rohes Ei“. Ein Statement gegen Dexit-Pläne und nationalen Wahn der Rechten. Ausgehend von den Staaten längs des Rheins, müssten auch die Anrainer der Donau, ebenfalls eine Europa verbindende Ader, einbezogen werden.
Institutionen vor Rechtsextremen schützen
Frieden sieht Heribert Prantl auch im Innern gefährdet. Er forderte früh ein Verbot der AfD. Er verweist auf Carlo Schmitt, einen der Väter des Grundgesetzes, für den klar war, dass man intolerant gegenüber denen sein müsse, die unsere Toleranz missbrauchen. „Ich will nicht, dass wir demokratische Institutionen für Rechtsextreme öffnen“, begründet Prantl seine Haltung. Und wenn ein Verbortsverfahren für die AfD nicht kurzfristig machbar sei, müsste mindestens Leitfiguren wie Björn Höcke die bürgerlichen Rechte (aktives und passives Wahlrecht) entzogen werden.
Ein solcher Antrag sei schnell umsetzbar, „hätte Symbolkraft. Ich versteh die Skepsis nicht. Was derzeit passiert ist hasenfüßig.“, urteilt Prantl, der selbst Jurist ist. Demokratie sei eine Wertegemeinschaft, kein arithmetisches Ergebnis. Und Grundlage der Gemeinschaft seien die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes.
Prantl trifft den Nerv des Publikums. Manche der gut 200 Besucher in der Stadthalle hatten vor knapp 50 Jahren noch an den Friedens-Demos gegen den NATO-Doppelbeschluss teilgenommen. In der Diskussion machte Sorge, dass sich Grenzen des Sagbaren verschoben haben, dass auch Politiker wie Söder, Merz, zuletzt auch Scholz, einen Ton angeschlagen haben, der ins rechte Framing passt.
Braucht Frieden auch Wehrhaftigkeit?
Ein junger Mann verwies darauf, dass Frieden auch Wehrhaftigkeit voraussetze, dass es ohne die Nachrüstung auch keine weitreichenden Abrüstungsverträge gegeben hätte. Hier musste auch Prantl einräumen, dass die Bundeswehr Helikopter brauche, die fliegen und Panzer, die schießen können. – Pazifismus mit Einschränkungen. Andere argumentierten, die Geschichte hätte widerlegt, dass man wehrhaft sein müsse, um Frieden zu erlangen.
Noch auf dem Weg zum Parkplatz wird in kleinen Gruppen weiter diskutiert, durchaus auch kontroverser als mit dem Gast in der Halle. Wie Prantl die Demos für die Demokratie als hoffnungsvoll ansieht, war der Abend mit ihm für andere eine Selbstvergewisserung, dass die Idee von einer friedlichen Welt noch lebendig ist, dass viele so denken, dann man nicht allein ist, dass man im Gespräch bleibt. Das lässt hoffen, gibt Kraft. Prantl hat das Schreiben Spaß gemacht, sagt er und er weiß: „Dann macht auch das Lesen Spaß.“ – Ihm zuzuhören auch. Ein inspirierender Abend mit einem sympathischen Gast. Ein starker Neustart der von Buchhandlung und Stadtbücherei organisierten Literaturtage.