Das Kino Weidenhof wurde zur Wahlarena. Wenige Tage vor der Bundestagswahl hatte der Kreisverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Kandidatinnen der demokratischen Parteien im Bundestag zur Gesprächsrunde in Plettenberg eingeladen. Vor gut 40 interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Kinosaal 2 des Weidenhofs wurden die Themenfelder Wirtschaft, Arbeit und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt gestellt. Dazu gab’s Fingerfood und Popcorn: Kinoatmosphäre.
Nicht auf, sondern vor der Kinoleinwand stellten sich Jana Norina Finke (Die Linke), Marjan Eggers (Bündnis 90/Die Grünen), Bettina Lugk (SPD), Lydia Timmer (FDP) und Paul Ziemiak (CDU) den Fragen von LokalDirekt-Redakteur Bernhard Schlütter und des Publikums. Die Redezeit für die Politiker war pro Antwort auf eine Minute begrenzt. „Sportlich“, kommentierte das Bettina Lugk. Vor allem Paul Ziemiak wurde wiederholt durch die klingelnde Stoppuhr von DGB-Organisationssekretär Clemens BIen gestoppt.
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Einleitend zählte DGB-Kreisvorsitzender Bernd Schildknecht einige Themen auf, die aus Sicht der Gewerkschaften besonders wichtig seien. Zum Beispiel die Krankenversicherung. „Es muss doch möglich sein, die private und die gesetzliche Krankenversicherung zusammenzubringen“, meinte er.
Die Politikerrunde brachte zu den Themen starke Wirtschaft, gute Arbeit, Rente und Krankenversicherung keine neuen Erkenntnisse. Gut vorbereitet legten die Bewerberinnen und der Bewerber die Standpunkte und Lösungsvorschläge ihrer jeweiligen Partei dar, unterfütterten sie mit persönlichen Erfahrungen.
Lydia Timmer, von Beruf Steuerberaterin, warb u. a. für die Finanzierung der Rente durch Aktienanlagen und forderte, die Steuerbelastung für Unternehmen zu senken. Paul Ziemiak zeigte die Grenzen des öffentlichen Personennahverkehrs in ländlichen Regionen auf: „Es können nicht überall hin Busse fahren. Zur Kita meiner Kinder wird nie ein Bus fahren.“ Bettina Lugk erzählte, dass bei Gesprächen mit ihren Eltern regelmäßig die Themen Rente und Pflege auf den Tisch kämen. Marjan Eggers, die im Pflegebereich arbeitet, kennt die immer größer werdenden bürokratischen Anforderungen aus erster Hand. Jana Finke berichtete aus ihrer Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst, dass junge Leute sich meist gegen eine Ausbildung entschieden, weil diese für sie im Gegensatz zum Studium unattraktiv erscheine.
Beim Thema Krankenversicherung wurden einige Unterschiede deutlich. Bettina Lugk bezeichnete die Unterscheidung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung als „Spaltpilz der Gesellschaft“, kritisierte außerdem den viel zu hohen Verwaltungsaufwand durch die Vielzahl der Kassen. Paul Ziemiak betonte: „Ungleichbehandlung darf nicht sein. Die medizinische Notwendigkeit muss entscheidend sein.“ Nach seiner Vorstellung sollte die Grundversorgung für alle gleich viel kosten. „Zusatzleistungen kann ja jeder dazubuchen.“ Marjan Eggers unterstrich die Förderung der Grünen nach Einführung einer Bürgerversicherung. Lange Wartezeiten für gesetzlich Versicherte, während privat Versicherte kurzfristig Arzttermine bekommen – diese Ungerechtigkeit müsse aufhören. Jana Finke forderte eine Krankenversicherung, in die alle einbezahlen – und zwar: „Jeder so viel, wie er leisten kann“. Lydia Timmer plädierte für die Beibehaltung des jetzigen Systems: „Auch die privat Versicherten zahlen ins Gesundheitssystem ein, teilweise sogar mehr als gesetzlich Versicherte.“
Beim Thema Vermögenssteuer sind Marjan Eggers und Jana Finke eindeutig für deren Einführung, Lydia Timmer und Paul Ziemiak dagegen. Bettina Lugk gibt zu, dass sie bei diesem Thema noch zu keiner eindeutigen Meinungsbildung gekommen sei. Die kleinen und mittleren Einkommen wollen alle Parteien entlasten – mit unterschiedlichen Modellen.
Auf die Frage aus dem Publikum, wie Deutschland mit der Trump-Regierung in den USA umgehen werde, zeigte sich die Arena-Runde einig: In dieser weltpolitischen Lage sei ein selbstbewusst auftretendes Europa erforderlich.
Moderator Bernhard Schlütter verabschiedete die Zuhörer im Kinosaal mit dem Nachspann: „Gehen Sie am Sonntag wählen, feiern Sie die Demokratie!“
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