Den Abend des 28. Mai 2022 verbringen vier junge Leute – ein Paar samt bester Freundin von ihr und bestem Freund von ihm – zusammen. Zunächst wird in einer Shisha-Bar in Kierspe gechillt, dann geht es in einem Lokal in Wipperfürth weiter. Seinen Abschluss findet die Nacht in der Wohnung des Paares in Kierspe. Dort trinken alle weiter Alkohol, ein Joint geht herum. Als die Müdigkeit obsiegt, zieht sich das Paar ins Schlafzimmer zurück, die beste Freundin ist bereits auf der Couch eingeschlafen. Der Kumpel macht es sich ebenfalls dort gemütlich. Sie haben sich vor dem Abend nicht gekannt. Dennoch sind beide mit dem gemeinsamen Schlafplatz einverstanden.
Kurz nachdem sich alle hingelegt haben, stürmt die beste Freundin (20) ins Zimmer des Paares. Sie ist ganz aufgeregt, beschuldigt den Kumpel, sie auf der Couch angefasst zu haben. Mit der Nachtruhe ist es schlagartig vorbei, eine Diskussion zwischen den Beteiligten entbrennt. Ihr Inhalt ist unter anderem Thema im Strafprozess gegen den Kumpel: Er muss sich nämlich im Amtsgericht Lüdenscheid vor dem Schöffengericht wegen versuchter Vergewaltigung verantworten. Laut Anklage hat er versucht, mit der schlafenden, inzwischen 22-Jährigen, Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Der 31-Jährige soll sich untenherum nackt an die Frau gelegt und ihr die Hose heruntergezogen haben. Zudem soll er den Slip weggeschoben und versucht haben, mit seinem erregierten Penis in sie einzudringen. Das stellen der Angeklagte und sein Verteidiger im Prozess in Abrede. Sein Mandant sei zu keinem Zeitpunkt unbekleidet gewesen, so der Verteidiger: „Sein Penis war dort, wo er hingehört, nämlich in der Hose.“ Der Angeklagte gibt an: “ Wir hatten nur eine Decke und keine Heizung an.“ Die Meinerzhagenerin hätte sich in Löffelchenstellung an ihn geschmiegt. Er sei daher davon ausgegangen, dass Kuscheln erlaubt sei. Also habe er unter der Decke seine Hand auf ihre Hüfte und den Po gelegt: „Das war alles.“
Die 22-Jährige erklärt im Zeugenstand, dass sie eingeschlafen und durch Berührungen am Unterleib aufgewacht sei. Wo genau der Angeklagte sie angefasst hatte, kann sie nicht sagen: „Ich bin langsam wach geworden. Da war er über mir. Seine Hose war schon unten und meine auch bis zu den Knien. Ich konnte seinen Penis sehen. Ich habe gefragt, was er da macht. Er hat sowas wie ‚komm schon‘ gesagt. Ich habe nein gesagt.“ Sie sei dann weg von ihm. „Ich hatte keine Probleme, aufzustehen. Er hat mich nicht aufgehalten.“ Nachdem alle wach gewesen seien, habe sich der Angeklagte während der Diskussion bei der 22-Jährigen entschuldigt. Das bestätigt der Mann im Gericht. Er betont, dass ihm leidtäte, die Frau berührt zu haben: „Es tut mir richtig, richtig leid. Ich war alkoholisiert. Meine Frau und die Kinder waren im Urlaub. Ich musste arbeiten. Ich wollte eigentlich zu Hause bleiben. Sechs, sieben Jahre war ich nicht mehr aus“, erklärt der Angeklagte. Sein bester Freund gibt dazu an, den Angeklagten überredet zu haben, mitzugehen. Zur besagten Nacht sagt der Kiersper aus, der Geschädigten nicht recht geglaubt zu haben: „Sie hat sich in der Bar auf seinen Schoß gesetzt. Sie hat öfter rumgeheult, weil sie Aufmerksamkeit wollte. Wir waren alle vier richtig betrunken.“
Auch die damals beste Freundin der 22-Jährigen gibt sich skeptisch. „Es waren immer andere Geschichten von ihr. Mal mit Hose runter, mal ohne. Die Details waren schwammig. Sie ist hysterisch geworden und wollte es seiner Frau erzählen“, erklärt die 24-Jährige. Die Meinerzhagenerin habe in der Nacht aber nicht von Vergewaltigung gesprochen, so die Freundin. Deshalb sei sie auch so geschockt gewesen, als sie den Vorwurf gehört habe. Im Prozess ist aber auch bei der Geschädigten keine Rede von Vergewaltigung. Sie spricht über Berührungen, kann aber nicht sagen, ob der Angeklagte ihren Slip weggeschoben und versucht hatte, in sie einzudringen. Eine Sachverständige für DNA-Analysen berichtet, dass sich lediglich am Bund des Slips DNA-Spuren des 31-Jährigen befunden hätten.
Alles zusammengenommen geht das Schöffengericht am Ende nicht von versuchter Vergewaltigung, sondern von sexueller Nötigung aus. Der Angeklagte habe die Frau an Po und Hüfte berührt. „Sie haben nicht mehr getan. Es ist aus dem Ruder gelaufen. In besoffenem Kopf sind Ihnen die Pferde durchgegangen. So geht das nicht. Immer Finger bei sich behalten“, so der Richter. Er verurteilt den einmalig wegen Betruges vorbestraften Mann zu sieben Monaten Haft auf Bewährung.