Für Zlata und ihre Mutter ist es bereits das dritte Ostern fern von ihrer Heimat. Es ist nicht mehr dasselbe. Der Vater verbleibt in der Ukraine, der Rest der Familie ist verstreut. „Ich vermisse die alten Zeiten schon sehr. Ich bin schließlich in diese Kultur hineingewachsen. Ich kannte es nicht anders“, erklärt Zlata. Dennoch ist das Osterfest trotz der schwierigen Monate nicht wegzudenken – ganz im Gegenteil: Auch für die orthodoxen Ukrainer ist Ostern das höchste Fest der Christen. Vorfreude ist angesagt, auch wenn das Osterfest noch ein wenig auf sich warten lässt. In diesem Jahr fällt Ostern nach dem julianischen Kalender auf den 5. Mai.
Doch die Vorbereitungen laufen schon viele Wochen vorher. Wie in Deutschland fasten auch die Ukrainer 40 Tage vor Ostern, dann wird auf das Verzehren von tierischen Produkten verzichtet – also weder Fleisch, Fisch, noch Milchprodukte.
Kein Osterhase, der Eier versteckt
Unterschiede zum deutschen Osterfest liegen nicht nur im Datum. Der Osterhase sowie die traditionelle Ostereiersuche waren für Zlata vor der Flucht noch fremd. „Ich habe es am Anfang nicht ganz verstanden. Wir haben keinen Hasen in der Ukraine, der Eier versteckt“, schmunzelt die 17-Jährige.
Apropos Ostereier: Auch in der Ukraine werden Eier gefärbt und bemalt. Diese bilden ein wichtiges Symbol für die Osterzeit und die Auferstehung Jesu Christi. Die Ukrainer unterscheiden zwischen hartgekochten „Kraschanky“ und ausgeblasenen „Pysanky“. Die Eier werden mit verschiedenen bunten, einzigartigen und traditionellen Volksmustern verziert – eine detaillierte, kunstvolle und insbesondere schwierige Arbeit. „Die Eier färben wir mit natürlichen Farben. Wir benutzen Zwiebelschalen oder Rote Bete“, sagt Zlata. Eine lustige Tradition sei der „Eier-Kampf“: Zwei Familienmitglieder stoßen ihre Eier gegeneinander und wessen Ei zuletzt bricht, hat schließlich gewonnen.
Traditionelles Osterbrot gibt Zukunftsvorhersagen
Das Osterfest ist nicht vollständig ohne das traditionelle Osterbrot „Paska“. „Das darf einfach nicht fehlen“, weiß Zlata. Schöne Erinnerungen sind mit dieser Tradition verbunden, denn jedes Jahr backen Zlata und ihre Mutter gemeinsam das Brot und verbringen dabei Zeit miteinander. Am Abend vor Ostersonntag wird der Teig vorbereitet, der dann eine ganze Nacht an einem dunklen Ort stehen muss. Der Teig wird mit leckeren Kleinigkeiten wie etwa Rosinen, Nüssen oder kandierten Früchten ergänzt. Manchmal kommt auch Rum rein. Am nächsten Tag wird dieser dann in mehrere kleine Formen gebacken. Zum Schluss dürfen eine süße Glasur und bunte Streusel nicht fehlen.
Die Hefe im Teig sorgt dafür, dass das Osterbrot schön aufgeht und fluffig ist – dies symbolisiere den Wohlstand und das Glück der Familie. Ein trockenes Osterbrot sei hingegen ein schlechtes Zeichen. Daher ist gute Laune und viel Liebe beim Backvorgang angesagt.
Gottesdienst beginnt in der Nacht
Sind die gefärbten Eier und das selbstgebackene Osterbrot vorbereitet, kann der Osterkorb mit den beiden Osterspeisen vorbereitet werden. „In den Körben finden sich auch immer Würste, Schinken, Käse, Gewürze oder Süßigkeiten“, erklärt Zlata. Der Höhepunkt der Osterfeierlichkeiten bildet schließlich die Nacht auf den Ostersonntag – zu eher „unchristlichen“ Zeiten, wie man in Deutschland sagen würde. Denn der Ostersonntag beginnt bereits sehr früh: Zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens gehen die Gläubigen, mit den gepackten Osterkörben, in die Kirche zum Gottesdienst. „Doch die meisten kommen erst ab fünf Uhr zum Segen“, weiß Zlata aus Erfahrung.
Im Stehkreis werden die Gläubigen vom Priester mit Weihwasser geweiht. Es sei ein Zeichen für Gesundheit und Stärke über das gesamte Jahr. Einige tragen während des Kirchenbesuchs das traditionelle ukrainische Gewand „Wyschywanka“. Während der Osterzeit begrüßen sich die Ukrainer mit dem Spruch „Christos voskres!“ (Christ ist auferstanden). Geantwortet wird „Voistynu voskres!“ (Er ist wahrhaftig auferstanden). Die Worte werden dreimal wiederholt.
Ein kleiner Funken Hoffnung
Der Ostersonntag gehört der Familie. Beim Osterfrühstück wird gemeinsam Zeit verbracht – in den vergangenen drei Jahren hat Zlata ihre Verwandten aus der Ukraine per Videochat zugeschaltet. Doch nicht jeder Ukrainer kann das Osterfest so friedlich wie Zlata feiern. „Die Menschen in meiner Heimat haben Angst, in die Kirche zu gehen. Sie fürchten die Bombardierungen der Russen“, bedauert die junge Ukrainerin. Doch der Krieg hindere die Menschen nicht daran. Das Osterfest habe immer noch einen hohen Stellenwert im Kriegsalltag. Der Glaube hält die Menschen zusammen. Die Möglichkeit, die schwierigen Monate für einen Moment auszublenden – auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist –, schenkt ihnen Kraft.