Ulrich und Helga Woitkowski leben dort, wo einst der Telegraf stand. „Das Haus hat eine lange Geschichte. Hier war der Telegraf, ein Stollen, eine Bäckerei und eine Schule“, erzählt Ulrich Woitkowski. Er hat ganze Ordner voll historischer Dokumente gesammelt. „Die Preußen wollten gerne wissen, was die Franzosen so treiben. Und die Nachrichten wurden über Telegrafen übermittelt“, erzählt Woitkowski. Auf seinem Grundstück stand die Station 44. Dort wurden die Nachrichten aus Breckerfeld empfangen und nach Iserlohn zum Danzturm weitergegeben – beziehungsweise umgekehrt. Insgesamt gab es 62 Telegrafenstandorte, die Koblenz am Rhein mit der preußischen Hauptstadt Berlin verbanden und Nachrichten in eineinhalb Stunden über die Distanz von 588 Kilometern befördern konnten.
„Früher sah das hier natürlich anders aus“, erzählt Ulrich Woitkowski. An das Wohngebäude war ein zweigeschossiger Turm angeschlossen. Bauherr war Ingenieurhauptmann Wittich, der Garnisonsbaudirektor in Münster war. Für den Bau verantwortlich war Maurermeister Bluth aus Iserlohn. Er baute auch die Stationen 42 und 43. „Dafür musste er eine Kaution von 900 Reichstalern hinterlegen. Wenn irgendwas an dem Bau nicht stimmte wurde diese einbehalten“, erklärt Woitkowski.
Die Nachrichten wurden mit Hilfe eines Masten, an dem sechs bewegliche Arme waren, weitergegeben. Dies war nur bei guter Sicht möglich. „Jede Station war mit einem Ober- und einem Untertelegrafisten besetzt. Das waren meist ältere Soldaten. Diese lebten auch mit ihren Familien hier im Haus“, berichtet Ulrich Woitkowski. Was für eine Nachricht sie empfingen und weitergaben, wussten die Soldaten übrigens nicht. Entschlüsselt wurden diese nur in Koblenz, Köln und Berlin. Für die Kommunikation wurde ein sogenanntes dekadisches System mit 4095 Kombinationsmöglichkeiten verwendet. Genutzt wurden davon allerdings nur 2200. „Man konnte nicht nur Buchstaben übermitteln, sondern auch ganze Silben“, weiß Woitkowski aus seinen Forschungen. So war der Signalmast für alle Stationen nach einer genauen Norm gebaut. Jeder war 6,30 Meter hoch, die sechs Flügel waren je 1,74 Meter lang und 0,33 Meter breit. Die einzeln verstellbaren, paarweise auf 3 Ebenen angeordneten Flügel ermöglichten je Ebene 15 Stellungen. Diese Stellungen wurden Bedeutungen zugeordnet. Für ein Zeichen benötigten die Telegrafisten von Koblenz bis Berlin 7,5 Minuten. 1848 benötigte eine Depesche mit 30 Worten etwa 90 Minuten.
1849 war dann Schluss mit der Telegrafie in Veserde. Die Linie wurde in Iserlohn von Aufständischen zerstört. Die Linie von Köln nach Koblenz war noch drei Jahre länger in Betrieb. Da in diesem Zeitraum auch die elektrische Telegrafie in Betrieb genommen wurde, verkaufte das Militär die Station in Veserde. Aus den gesammelten Dokumenten der Familie geht hervor, dass 1850 Friedrich Holzrichter, dem auch das Land drumherum gehörte, das Gebäude für 165 Taler kaufte. 1878 miete die Gemeinde das Haus und richtete dort eine Schule ein. „Deswegen bin ich auch immer verwirrt, wenn das Gebäude neben Holzrichter als alte Schule bezeichnet wird. Eigentlich ist das hier die alte Schule und das Gebäude im Dorf die neue“, sagt Ulrich Woitkowski.
1887 verschwand der Turm dann. Denn die Schulgemeinde kaufte das Haus für 5100 Mark und vergrößerte es um eine Haushälfte. Der Turm wurde abgetragen. „Bis 1899 war das hier eine Schule. Mein Großvater, der 1880 geboren wurde, müsste also hier zur Schule gegangen sein“, berichtet Ulrich Woitkowski.
Nach dem Ende der Schule ging das Haus zurück in den Besitz von Familie Holzrichter und wurde als Wohnhaus genutzt. Schon drei Jahre später kaufte Albert Nimmermann, Woitkoskis Großvater, für 6750 Mark das Gebäude. „Das war viel Geld. Der Monatslohn eines Arbeiters lag 1900 bei 60 bis 70 Mark“, berichtet der Veserder. In den 1930er-Jahren betrieb dann Woitkoskis Onkel eine Bäckerei auf dem Viehkopf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmte die englische Armee das Gebäude. Woitkowskis Eltern und Großeltern kamen bei Verwandten im Dorf unter, konnten aber später zurück in ihr Haus.
Weitere Infotafeln sollen folgen
Die Tafel an der Einfahrt zum Telegraf ist die erste Infotafel, die Wanderwegewart Matthias Krapat aufstellte. Es sollen aber noch einige weitere folgen. „Wir haben so viele markante und interessante Punkte auf unseren Wanderstrecken. Nach und nach werden wir uns darum kümmern“, erklärt der Wanderwegewart des Heimat- und Verkehrsvereins. Der Telegraf habe den Auftakt gemacht. Als nächstes möchte Krapat ein Schild am Fährbachtal anbringen: „Dort gibt es einen alten Grauwacke-Steinbruch.“
Die Schilder macht er selbst. „Es gibt natürlich vorher immer einiges zu klären. Man recherchiert, spricht mit den Eigentümern der Grundstücke, wo sie aufgestellt werden“, erklärt der Wegewart. Grundsätzlich würden solche Tafeln die Wege attraktiver machen. Aktuell laufe die Recherche, wo weitere solcher Informationen Sinn machen. Der Johannisborn sei beispielsweise auch möglich.