Der „Stadtbesuch“ für den Regierungspräsidenten begann um 10 Uhr mit einer Unternehmensbesichtigung im Industriegebiet, eingeladen hierzu hatte die Möbelwerkstatt Breckerfeld beziehungsweise deren Muttergesellschaft Kukatsch Systeme. Und Heinrich Böckelühr zeigte sich beeindruckt: „Die Vorstellung von einer Tischlerei, wie man sie von früher her kennt, ist hier längst überholt“, sagte er im Anschluss über den familiengeführten Betrieb. „Von der Planung bis zur Fertigung ist hier alles Durchdigitalisiert.“
Spontanes Gespräch zur Anwohnersituation
Im Anschluss stand eine ebenfalls „beeindruckende“ Örtlichkeit auf dem Programm – auch wenn diese einen wohl eher beklemmenden statt positiven Eindruck bei Heinrich Böckelühr hinterließ. Denn in Höhe des „Hotel Böving“ konnte er live erleben, welche Auswirkungen die Sperrung der Rahmedetalbrücke auch auf die Stadt Breckerfeld hat: Lkw, die sich im Minutentakt mit Millimeterabstand auf der Frankfurter Straße aneinander vorbei zwängen, dazu ein so schmaler Bürgersteig, dass Fußgänger nur sehr wenig Abstand zu deren Seitenspiegeln halten können.
Hinzu komme der Verkehrslärm, über den sich Böckelühr vor Ort spontan auch mit einer Anwohnerin unterhielt: „Also ich möchte hier ehrlich gesagt nicht wohnen“, gab er danach unverhohlen zu.

„Nicht alles ist tippitoppi“
Er könne daher absolut nachvollziehen, dass die Stadt Breckerfeld weiterhin die Idee einer Umgehungsstraße verfolge: „Ich verstehe ihren Ärger über den jahrzehntelangen Stillstand in dieser Angelegenheit.“ Zugleich müsse er Straßen.NRW als Baulasträger in Schutz nehmen: „Auf den Straßen in unserem Regierungsbezirk ist nun wirklich nicht alles tippitoppi. Aber manchmal kommen dann leider auch noch ungeplante, aber kurzfristig drängendere Sanierungsmaßnahmen hinzu“, meinte er und nannte als Beispiel die Lennebücke in Nachrodt-Wiblingwerde (wir berichteten).
Pläne für Umgehungsstraße weiterverfolgen
Böckelühr betonte, die Bezirksregierung könne in Sachen Straßenbau wenig bis gar keinen Einfluss nehmen. Nichtsdestotrotz ermutigte er die Fraktionsvertreter, weiterhin darauf zu drängen, dass die Planungen für eine Umgehungsstraße wieder aufgenommen werden. Parallel dazu müsse die gesamte Infrastruktur im Regierungsbezirk im Blick gehalten werden: „Diese verschlechtert sich eigentlich von Tag zu Tag und wir müssen aufpassen, dass bald nicht sämtliche Hauptverkehrszweige zu Klump gefahren sind.“
Für November dieses Jahres sei daher eine Veranstaltung „mit Akteuren aus der gesamten Region“ geplant, darunter Straßen.NRW, die Deutsche Bahn und Vertreter der Kommunen: „Alle Beteiligten wollen in einen Dialog treten, um die dringlichsten Prioritäten auszuarbeiten“, sagte Böckelühr.

Grundsteuerreform: „Einen Rat kann ich nicht geben“
Im weiteren Verlauf der Gesprächsrunde, die im Vereinsheim an der Sport- und Freizeitanlage stattfand, tauschten sich die Fraktions- und Stadtvertreter mit dem Regierungspräsidenten über die zum Januar 2025 in Kraft tretende Grundsteuerreform aus, die eine stärkere Differenzierung zwischen Wohn- und Gewerbegrundstücken ermöglichen soll: Einig waren sie sich, dass es dadurch zu keiner „finanziellen Schieflage“ zwischen gewerblichen und privaten Grundstückseigentümern kommen dürfe.
„Letzten Endes liegt die Entscheidung, ob und welche unterschiedlichen Hebesätze bei der Grundsteuer B erhoben werden, in den Händen der Kommunen – einen Rat kann und möchte ich nicht geben“, so Böckelühr. Weil das Grundsteueraufkommen aber auch nach der Reform in etwa so hoch sein sollte wie vor der Reform, gelte es im Rat zu diskutieren und zu prüfen, wie die sogenannte Aufkommensneutralität gewahrt werden könne.
„Ihr müsst euch auf mehr Flüchtlinge vorbereiten“
Deutlicher fiel Böckelührs Ratschlag hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen aus: „Ihr müsst euch vorbereiten“, appellierte er an die Stadtvertreter.
Basierend auf Erfahrungswerten der vergangenen Jahre sei davon auszugehen, dass die Zahl Geflüchteter zum Jahresende hin wieder drastisch steigen werde: „Vieles hängt dabei sicher auch vom weiteren Kriegsgeschehen in der Ukraine ab, jedoch ist davon auszugehen, dass viele Menschen aus anderen Herkunftsländern bereits jetzt – vor den Herbststürmen und Wintereinbrüchen – auf dem Weg nach Europa und Deutschland sind“, so der Regierungspräsident. „Wir alle müssen uns darauf vorbereiten, dass sich die Zahl der ankommenden Flüchtlinge im Vergleich zu den aktuellen monatlichen Zahlen im September/Oktober wahrscheinlich verdoppeln wird.“
Angesichts dessen schlug Heinrich Böckelühr einen Bogen zum Beginn seines „Stadtbesuchs“: Da auch Breckerfeld zukünftig weitere Flüchtlinge aufnehmen und entsprechend Unterkünfte schaffen müsse, halte er beispielsweise die „Smart Castle“-Lösung (kleine Häuser in modularer und nachhaltiger Holzbauweise, die sich schnell aufbauen und bei Bedarf erweitern lassen) der Möbelwerkstatt Kukatsch für eine überlegenswerte Möglichkeit: „Ich denke, dieser Ansatz ist eine gute Sache, auch für Kommunen, die innerhalb kurzer Zeit Wohnraum schaffen wollen oder müssen.“

Viele neue Impulse
Bürgermeister Dahlhaus dankte dem Regierungspräsidenten im Namen aller Anwesenden aus Rat und Verwaltung für „die vielen Impulse, die sich für uns im Gespräch mit ihnen ergeben haben“. Heinrich Böckelühr erwähnte, er habe während seiner Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Schwerte von 1999 bis 2017 immer „ein bisschen neidvoll“ auf die Schuldenfreiheit der Stadt Breckerfeld geblickt, die Hansestadt – „dank der gesperrten Rahmedetalbrücke“ – in den vergangenen Jahren aber quasi nur auf der Durchfahrt wahrgenommen: „Daher bedanke auch ich mich herzlich für diesen Besuchstag und den intensiven, konstruktiven Austausch und die vielen neuen Eindrücke.“ Sprach´s und schrieb dies auch in das ‚Goldene Buch‘ der Stadt.