Lisa Wippermann hat es geschafft – und doch fühle es sich surreal an, sagt sie mit einem lächelnden Blick auf ihren Gesellenbrief: „Ich habe mir vor der Prüfung so viel Druck gemacht, vor allem vor dem theoretischen Teil, weil ich unbedingt bestehen wollte – und jetzt bin ich einfach nur happy.“
Ihre Leidenschaft für Fotografie habe sie bereits im Alter von zwölf Jahren entdeckt, als sie im Urlaub auf Ameland mit einer alten Digitalkamera ihres Vaters, dem Breckerfelder Fotografen Christof Wippermann, versucht habe, Wellen zu fotografieren. „Ich glaube, da hat es bei mir im wahrsten Wortsinn klick gemacht“, erinnert sie sich.
Mit Bus und Bahn durchs Ruhrgebiet
Nach ihrem Schulabschluss im Jahr 2021 entschied sich Lisa Wippermann dann zunächst für ein Freiwilliges Soziales Jahr. „Ich war nämlich noch nicht volljährig“, erklärt sie. Das aber sei Bedingung gewesen, um ihre Ausbildung im Fotostudio ‚Picture People‘ in Dortmund beginnen zu können: „Nicht nur wegen der Öffnungszeiten, sondern auch wegen der teils ‚sensiblen Aufnahmen‘ im Bereich der Porträt- und Aktfotografie.“ Mit ihrem Ausbildungbeginn pendelte sie dann regelmäßig von Breckerfeld aus mit Bus und Bahn bis nach Dortmund beziehungsweise Essen, wo der Berufsschulunterricht stattfand.
„Kaffeklatsch“ war Pflicht
Drei Jahre dauerte die praktische und theoretische Ausbildung, bis im Mai 2024 der Termin für die Gesellenprüfung an der Handwerkskammer Dortmund anstand. „Diese setzte sich aus einem theoretischen und einem praktischen Teil zusammen“, erklärt Lisa Wippermann. „Und letzterer bestand wiederum aus einem vorgegebenen und einem freien Thema, die beide wiederum als imaginäre Auftragsarbeit konzipiert sein mussten.“
Das vorgegebene Thema lautete Kaffeeklatsch. „Unsere Aufgabe war es, Fotografien aus vier unterschiedlichen Perspektiven sowie ein zum Thema passendes Portraitbild anzufertigen, einschließlich einer Beschreibung der vorgenommenen Kameraeinstellungen.“

„Heimvorteil“ durchs Tanzen
Parallel dazu bereitete Lisa Wippermann ihr freies Thema vor: „Ich wusste sofort, dass ich Aufnahmen von Balletttänzerinnen machen wollte, denn ich selbst habe jahrelang im ‚First Floor‘-Studio in Hagen getanzt“, erklärt sie und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Da hatte ich also quasi einen Heimvorteil, weil ich meine alten Kontakte zu den Tänzerinnen nutzen konnte.“
Doch bevor sie mit der praktischen Umsetzung beginnen konnte, musste erst ein detailliertes Konzept erstellt und von der Prüfungskommission genehmigt werden. „Ich musste vom Ablauf des Shootings bis hin zum technischen Equipment, das ich verwenden wollte, vorab alles detailliert aufschreiben und auch Skizzen anfertigen, die die Lichtpositionen und die geplanten Aufnahmen zeigten.“ Ebenso musste sie beschreiben, für welche Art Auftragsarbeit die Fotos verwendet werden sollen.
Schwarzweiß im Martin-Luther-Haus
Mit dem Okay der Prüfungskommission begann für Lisa Wippermann dann eine – wie sie sagt – sehr anstrengende Zeit: Parallel zu ihrem Ausbildungsjob bei ‚Picture People‘ habe sie oft noch bis spät abends im Studio ihres Vaters an ihrem Prüfungsthema gearbeitet, manchmal die halbe Nacht durch. „Es war für mich natürlich super, dass ich immer auf sein Equipment zurückgreifen konnte, um vorab ein bisschen herumzuexperimentieren“, betont die 21-Jährige. Denn ihr eingereichtes Konzept – eine Reportage für ein Kulturmagazin – musste ja schließlich auch praktisch umsetzbar sein: „Zum Glück hatte ich mich für Inddor-Aufnahmen entschieden. Wäre ich für mein Shooting auf das Spiel von Sonne und Schatten angewiesen gewesen – und das wäre dann schwierig geworden, weil´s in diesen Wochen fast nur geregnet hat“, erinnert sie sich.
Als Location für das Shooting wählte Lisa Wippermann das Martin-Luther-Haus – und das, obwohl der große Saal mit seinen teils schwierigen Lichtverhältnissen und seiner etwas „aufnahmeunfreundlichen“ Farbgestaltung für bestimmte Fotoszenarien, insbesondere bei der Wiedergabe von Hauttönen manchmal eine kleine Herausforderung darstellt. „Gerade deswegen habe ich mich für Schwarzweißaufnahmen entschieden“, lacht sie.
Nachbearbeitung gehört dazu
Nachdem die Fotos der Balletttänzerinnen, für die sie eigens „Tutus“ – also Ballettkostüme mit einem Rock aus Tüll – bestellt hatte, im Kasten beziehungsweise auf der Chipkarte waren, ging es an die Nachbearbeitung: „Die digitale Bildbearbeitung gehört zum Fotografenberuf dazu“, erklärt Lisa Wippermann, dass für „Profis“ Photoshop & Co. zum Tagesgeschäft dazugehören, um das Optimum aus einer Aufnahme herauszuholen. „Die digitale Bearbeitung ist sogar in der Prüfungsordnung vorgeschrieben.“ Und auch hier konnte sie auf das Software-Equipment von Christof Wippermann zurückgreifen: „Für die Ausbildung hat es schon große Vorteile, wenn man einen Fotografen zum Papa hat“, lacht sie.

Analoge Social-Media-Kampagne
Die Ergebnisse, die sie für die Präsentation des vorgegebenen und des freien Themas vor der Prüfungskommission ausgewählt hatte, ließ Lisa Wippermann auf Hartschaumplatten aufziehen. „Außerdem habe ich die Aufnahmen in einer Art ‚analogen Instagram-Story‘ dargestellt, um den Prüfern zu zeigen, wie meine Arbeiten in einem Social-Media-Kontext wirken würden“, erklärt sie – und gibt erst auf Nachfrage eher schüchtern zu, dass auch sie selbst „recht zufrieden“ mit dem Resultat ihrer monatelangen Arbeit ist. „Das freie Thema war ja auch nicht so schlimm, ich hatte viel mehr Bammel vor dem Live-Shooting an der Zeche Zollverein“, lacht sie. Denn auch das sei Teil der Gesellenprüfung gewesen: „Vor den Augen der Prüfungskommission ein Fotoshooting organisieren, den Models Anweisungen geben und dabei gleichzeitig den Prüfern erläutern, was man da eigentlich macht.“

Jahrgangsbeste Nachwuchsfotografin
Lisa Wippermanns Leistungen waren dabei in allen Prüfungsteilen so gut, dass sie auf Kammerebene bei der Handwerkskammer Dortmund Jahrgangsbeste wurde – und sich damit für die Teilnahme bei der Deutschen Meisterschaft im Handwerk qualifizierte. „Das war einfach Wahnsinn“, sagt sie, als sie an den Wettbewerb zurückdenkt, an dem jährlich nicht nur Fotografengesellen, sondern die besten Nachwuchstalente unterschiedlichster Handwerkgenres teilnehmen. „Dass ich bei den ‚German Craft Skills’ dann unter 42 Teilnehmern auf dem dritten Platz lande – damit hätte ich niemals gerechnet“, freut sich die junge Breckerfelderin.
Neben einer Urkunde erhielt Lisa Wippermann aufgrund dieser hervorragenden Leistungen von der Handwerkskammer die Zusage für ein Stipendium beziehungsweise finanzielle Unterstützung, sollte sie sich innerhalb der nächsten drei Jahre dazu entschließen, ihre Meisterprüfung zu machen.

Führerschein vor dem Meister
Doch die 21-Jährige ist sich noch unsicher: „Im Moment weiß ich noch nicht, ob ich wirklich direkt wieder zur Schule gehen oder erstmal arbeiten möchte, um Geld zu verdienen.“ Auch wenn Papa Christof ihr empfiehlt, die Meisterschule zu besuchen: „Denn der Berufstitel ‚Fotograf‘ ist mittlerweile nicht mehr geschützt, mit einem Meistertitel genießt man meiner Erfahrung nach einfach mehr Vertrauen bei potenziellen Auftraggebern.“ Lisa Wippermann kontert: „Das mag sein, aber die nächste Prüfung, die ich jetzt erstmal machen möchte, ist die Führerscheinprüfung. Ich bin jetzt wirklich lange genug mit Bus und Bahn durchs Ruhrgebiet gefahren.“
Ausstellung zur Museumsnacht
Zwar keine Prüfung, aber zumindest ein Termin ist in Lisa Wippermanns Kalender schon jetzt fest vorgemerkt: Die Breckerfelder Museumsnacht am 13. Juni. Schon 2023 hat sie bei dieser Kunst- und Kulturveranstaltung einige ihrer „Retro-Aufnahmen“ ausgestellt, Fotos im Polaroid-Stil, die während einer Reise entstanden sind: „Es war total aufregend, Feedback zu meinen Fotos von den Besuchern der Museumsnacht zu bekommen.“ Privat habe sie nämlich ein Faible für Retro-Fotografie, für die sie eine „alte Nikon“ und Kleinbildfilme verwendet, verrät sie: „Ich finde es total spannend, wenn man keinen Knopf zum Löschen hat und das Ergebnis so annehmen muss, wie es ist.“
Auch in diesem Jahr werden im Rahmen der Museumsnacht wieder „Reisebilder“ von Lisa Wippermann zu sehen sein – nämlich die Ergebnisse ihrer Ausbildungsreise zu einer der besten Nachwuchsfotografinnen der Region.