Gleich zu Beginn der Sitzung gab Bürgermeisterin Birgit Tupat eine umfangreiche Stellungnahme ab. Sie fasste noch einmal zusammen, wie die Kommunikation mit Straßen.NRW gelaufen ist, was alles in Bewegung gesetzt wurde und wie es derzeit an der Lennebrücke weiter geht.
Die komplette Stellungnahme gibt es hier:
Wut, Verzweiflung und Dankbarkeit – das waren die Emotionen, die die Ratssitzung bestimmten. Die Verwaltungsmitarbeiter waren sichtlich gezeichnet von den Ereignissen. Tag und Nacht waren auch sie seit Freitag im Einsatz. Das wussten die Ratsmitglieder jedoch zu schätzen. Alle dankten den Beteiligten. Ohne THW, Feuerwehr, DRK, Kreisbrandmeister und Verwaltung gäbe es jetzt gewiss keine Fußgängerbrücke über die Lenne – da waren sich alle einig. Dennoch stellte die Bürgermeisterin direkt zu Beginn der Sitzung scharf klar: „Liebe SPD, Sie brauchen nicht denken, ich hätte in dieser Sitzung dazu geschwiegen.“ Grund für die scharfe Ansage war ein Antrag der SPD von Samstag, in dem die Sozialdemokraten forderten das Thema Brücke auf die Tagesordnung zu setzen. Ursprünglich war diese Sonderratssitzung zur Einbringung des Haushalts geplant. „Seit Freitag ist hier alles anders und natürlich ist das das Thema“, betonte Tupat.
„Wir sind wirklich ohnmächtig“, sagte Philipp Olschewski, Fraktionsvorsitzender der CDU. Er könne nicht verstehen, wie Straßen.NRW es so weit kommen lassen konnte. „Eine Brücke ist ein Mindestmaß an Infrastruktur, das ist doch kein Nice-to-have. Den Menschen hier ist völlig egal, ob es nun ein Belastungs- oder ein Hochwasserschaden ist. Es muss gelöst werden – jetzt“, betonte der Christdemokrat. Dem kann Gerd Schröder, Fraktionsvorsitzender der SPD nur zustimmen. „Scharf formuliert kann man sagen: In diesem Land funktioniert nur noch der Katastrophenschutz.“ Er machte auch auf die Umleitungsproblematik aufmerksam: „Der Verkehr hat sich auf den Berg verlagert. Der Honsel ist aber eher ein schlecht asphaltierter Waldweg und aktuell kaum noch zu befahren.“ Solche Verfehlungen sorgten zudem dafür, dass das Vertrauen in die Politik und in staatliche Institutionen weg ist. „Ich kann das nicht nachvollziehen. Das ist einfach beschämend“, sagte Schröder.

Petra Triches, Fraktionsvorsitzende der UWG: „Wir waren 2017 zwei Mal in Düsseldorf. Straßen.NRW ist doch völlig egal, wer da was sagt. Bei denen müssen jetzt Köpfe rollen. Die sitzen einfach auf einem hohen Ross. Wir müssen sehen, dass jetzt mehr Druck von allen Seiten kommt.“ Aus diesem Grund organisieren sie und die Parteivorsitzende Sonja Hammerschmidt für Mittwoch eine Fahrt zum Landtag. Dort ist das Thema Lennebrücke dann nämlich auf der Tagesordnung des Verkehrsausschusses. Gerd Schröder und Aykut Aggül sagten sofort ihre Teilnahme ebenfalls zu.
„An dieser Brücke hängen Arbeitsplätze. Und machen wir uns nichts vor: Wir Kommunen sind abhängig von der Gewerbesteuer. Und die Betriebe und Einzelhändler würden an der Situation zerbrechen. Uns helfen da auch nicht Zusagen wie ,Sie bekommen Kredite zu Sonderkonditionen‘. Das hilft niemanden hier. Wir brauchen eine Brücke. Wir müssen den Druck auf den Landesbetrieb erhöhen, sonst sitzen wir hier in fünf Monaten immer noch mit unserer Fußgängerbrücke“, betonte die Bürgermeisterin. Um auf die Sorgen der Unternehmer aufmerksam zu machen und Unterstützung zu fordern, hat Tupat am morgigen Mittwoch eine Telefonkonferenz mit NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und dem Märkischen Arbeitgeberverband.
Außerdem erklärte Tupat, dass sie von der Aussage von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, dass das Planfeststellungsverfahren für den Neubau noch in diesem Jahr fertig werden soll, nicht viel hält: „In diesem Jahr? Wir haben Januar und ich weiß jetzt schon, dass diese Aussage auch bedeuten kann, dass ich Weihnachten unter meinem Baum sitze und das Baurecht immer noch nicht da ist. Und wir wissen alle: Wenn das Baurecht ausgesprochen ist, heißt das nicht, dass gebaut werden kann. Denn dann gibt es noch die Möglichkeit dagegen zu klagen“, erklärte Tupat. Sie werde daher noch einmal an den Verkehrsminister schreiben und deutlich machen, dass das Planfeststellungsverfahren oberste Priorität haben müsste. „Ich weiß zwar nicht, wie oft wir das schon gemacht haben, aber da muss richtig Druck auf den Kessel“, betonte die Bürgermeisterin.
Sie habe mittlerweile kein Verständnis mehr. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens seien 276 Einwände eingegangen – überwiegend von einer Person. „Ich habe einen Mitarbeiter dafür, der macht in dieser kleinen Verwaltung aber noch mindestens zehn andere Dinge. Dennoch halten wir uns an Fristen. Wissen, wie dringend das ist. Also wurde alles stehen und liegen gelassen und los ging es. In den großen Behörden sitzen viel mehr Menschen – und die machen den ganzen Tag nichts anderes. Die kriegen das nicht hin? Das kann es doch nicht sein. Und machen wir uns nichts vor: Erst wenn irgendwann das Baurecht da ist und alle Klagen durch alle Instanzen abgeschlossen sind – und Gerichte sind fast genauso langsam wie Straßen.NRW – können wir mit der Ausschreibung beginnen. Und die muss bei dem Volumen gewiss europaweit erfolgen. Das dauert dann wieder.“

Umso wichtiger sei es, dafür zu sorgen, dass der Klageweg vielleicht umgangen werden könnte. „Herr Krischer hat doch angeboten, Gespräche zu führen und alles voran zu treiben. Es wäre schön, wenn den Worten endlich Taten folgen“, betonte Sonja Hammerschmidt (UWG).
„Die Wirtschaftsregion Südwestfalen wird durch die Verkehrsinfrastuktur in Frage gestellt“, sagte Matthias Lohmann, fraktionsloser Ratsherr deutlich. Vor gut sieben Jahren stellte er ein Sanierungskonzept für die Brücke vor, dass er mit externen Experten entwickelt hatte. Von Straßen.NRW hieß es damals, das er seine Kompetenzen nicht überschätzen solle. Der Landesbetrieb mache einfach einen schlechten Job, was deutlich werde, wenn man an der Kalten Eiche nach Hessen wechsle. An allen Brücken werde dort derzeit gearbeitet. „NRW hat grundsätzlich ein Problem mit Brücken und Straßen“, betonte Lohmann.
André Gütting (SPD): „Wir brauchen eine neue Brücke. Jetzt. Da muss mir ehrlich gesagt jetzt auch keiner mehr mit dem Planfeststellungsverfahren kommen.“ Michael Schlieck sieht das ähnlich: „Wir wissen gar nicht, wie viele Betriebe aus Südwestfalen beispielsweise schon ihre Produktion in andere Regionen oder Länder verlagert haben, weil die Situation untragbar ist. Natürlich sind schon viele Arbeitsplätze verloren gegagen.“ Er könne das fehlende Vertrauen der Bürger in die Politik verstehen. Egal ob rot, grün, gelb oder schwarz: „Es ist an der Zeit, dass alle aus dem Quark kommen. Sonst kommen die Extremen immer weiter nach oben.“

Der fraktionslose Aykut Aggül schlug zudem eine Unterschriften-Aktion vor, um deutlich zu machen, wie groß die Not in Nachrodt-Wiblingwerde ist.
Nachrodt-Wiblingwerder zeigen kein Verständnis für Straßen.NRW
Auch die Bürger bekamen die Möglichkeit, ihre Gedanken und Fragen vorzutragen. Uwe Hell: „Es gibt definitiv einen Vertrauensverlust. Ich bin für eine zweite neutrale Meinung. Wir verlassen uns da auf Herrn Krischer und ich habe da erhebliche Zweifel. Und wir müssen bedenken: Selbst wenn die Brücke in einigen Tagen wieder freigegeben werden sollte, muss sie auch noch Jahre halten, bis ein Neubau steht.“ Klaus Padberg fragte sich derweil, welche Schadensqualität die Schäden am Pfeiler im November 2023 hatten, damals seien die Arbeiten noch nicht dringend gewesen: „Wir brauchen keinen Aufmarsch von Politikern. Wir brauchen auch keine warmen Worte. Wir brauchen Taten.“
Uwe Perlowsky beziffert die Lebensqualität in Nachrodt-Wiblingwerde ohne die Brücke und mit gesperrter A45 auf -8. „Das ist einfach nur noch beschämend. Wir müssen Druck machen, aber wie?“ Er appellierte an die Ratsmitglieder Druck auf ihre Landes- und Bundestagsabgeordneten zu machen. „Krischer war auch am Tunnel in Lüdenscheid. Und was ist passiert? Nix. Und das wird hier genauso sein“, mahnte Perlowsky. Florian Georg fragte, was passiert, wenn bei der Untersuchung der anderen Pfeiler ebenfalls massive Schäden gefunden werden oder eine Reparatur doch nicht gelinge. „Dann erwarte ich, dass Straßen.NRW oder Herr Krischer die Schublade öffnen und einen Plan haben. Denn mit einer Fußgängerbrücke ist es nicht getan. Das ist eine reine Zwischenlösung“, betonte Tupat. Auf die Nachfrage, ob dann auch das THW anrücke, erklärte sie: „Natürlich haben wir nachgefragt, ob auch eine Lösung für Fahrzeuge denkbar wäre. Der Bau würde allerdings zwei bis drei Wochen dauern. Außerdem sei es kompliziert mit der Zuwegung. Über die schmale Straße am Dümpel ginge es so einfach nicht.
Bernd Thiemesmann betonte, dass bei aller Wut und allem Frust ein konstruktives Gespräch möglich sein müsse: „Ich weiß, dass eine gewisse Person im Raum steht wie ein Elefant, aber wir müssen dieser Person irgendwie sagen, dass wir eine Lösung brauchen.“ Und dafür sei ein konstruktives Gespräch erforderlich. Dieses werde es geben, versprach die Bürgermeisterin.
Inzwischen meldete sich auch FDP-Ortsvorsitzende Michaela Christodoulakis mit einer WhatsApp-Nachricht zu Wort. Sie war auch beim Termin mit dem Minister. Sie sei dafür, alle an einen „grünen Tisch“ zu holen und bot an, diesen auch zu moderieren. Allerdings war sie am Montag im Rat nicht dabei und auch sonst bei keinem öffentlichen Termin zur Brücke – wovon es in den vergangenen Jahren einige gab – lediglich beim Ministerbesuch am Sonntag. Runde Tische gab es bereits einige. Der bekannteste ist gewiss der von Unternehmer Uwe Hell, der es tatsächlich schaffte, alle Prozessbeteiligten zu versammeln.