Struths Ehemann hat eine „demenzielle Entwicklung“ gezeigt, wie Struth sie nennt („Das klingt feiner als Demenz“) – bedingt durch einen Gehirntumor. „Vergesslichkeit, Verwirrtheit, Aggressivität, Freundlichkeit – wir haben alle Sparten durch“, erinnerte sich Marianne Struth an eine schwere Zeit im Gespräch mit LokalDirekt.
Ein langwieriger Prozess: Es können Jahre vergehen, bis die Symptome als Demenz erkannt werden. Jeder kenne Vergesslichkeit. Sobald sie zunimmt, versuchen Erkrankte oft, die Anzeichen zu verheimlichen und entwickeln ein tiefes Schamgefühl. „Immerhin werde ihre Persönlichkeit angegriffen und Gehirnzellen sterben ab. Betroffene entwickeln sich ins ,Babyalter‘ zurück“, erklärt Struth. Auch Parkinson-Symptome sind möglich. Alkoholmissbrauch kann die Erkrankung fördern. Häufig ziehe sich in Folge der Freundeskreis zurück. Insgesamt ist jeder Krankheitsverlauf aber individuell.
Tipp: „Man darf sich selbst nicht vergessen“
Neun Jahre habe Struths Mann an der Krankheit gelitten. Bis zu zehn sind möglich. Vor drei Jahren ist er verstorben. Besonders hart sei es gewesen, wenn ihr Partner sie nicht mehr erkannt habe. „Er meinte zu mir, die andere Frau ist ja auch nett, aber du bist mir lieber.
Das war schlimm“, so Struth. „In solchen Situationen musste ich oft das Zimmer verlassen und ein Mal tief durchatmen, bevor ich wieder zu ihm zurückging. Man darf sich selbst nicht vergessen“ – zwei von vielen Tipps, den die Kiersperin auch anderen Betroffenen aus ihrer eigenen Erfahrung weitergeben möchte.
Struth: „Das muss doch auch für Kierspe möglich sein“
Das tut sie in der Demenz-Selbsthilfegruppe für Pflegende Angehörige seit 2017 an jedem ersten Mittwoch im Monat zusammen mit dem Meinerzhagener Gerd Hegemann – ehrenamtlich.
Struth suchte sich zunächst Unterstützung bei einem Demenzkurs in Lüdenscheid. Hier wurden Fragen für Angehörige behandelt: Bewältigungsstrategien, Pflegeanträge und Hilfsangebote. In diesem Rahmen habe sie von anderen Selbsthilfegruppen erfahren. „Das müsste doch in Kierspe auch möglich sein, habe ich mir damals gedacht.“
Also startete Struth einen öffentlichen Aufruf. Zusammen mit einer Bekannten hat sie einen Termin ausgemacht, allerdings sei niemand gekommen. Ihre Vermutung: Von Laien wird so ein Treffen nicht angenommen. Dennoch fruchtete die erste Initiative: Gerd Hegemann aus Meinerzhagen meldete sich, dessen Frau ebenfalls an Demenz erkrankt war. Und: Die Gruppe profitiert von einem Sonderprogramm des Landes NRW für Alzheimer. Alzheimer und Demenz sind sich im medizinischen Sinne und in ihren Auswirkungen ähnlich. „Wir unterscheiden hier nicht“, erklärt Struth. „Früher hat man oft von Altersverwirrtheit gesprochen.“ Heute ist die Forschung weiter. Man weiß etwa, dass in seltenen Fällen auch Jüngere davon betroffen sein können.
Treffen im Schutzraum
Zehn bis zwölf Personen treffen sich regelmäßig zum Austausch in der Tagespflegestätte Volmetal bei „Rat & Tat“. „Mehr als 15 lassen wir nicht zu, damit sich gute Gespräche ergeben können“, so Struth. In der Gruppe werde alles mit absolutem Stillschweigen behandelt. Jedes Mal auf der Agenda: „Wie ist es mir seit dem letzten Treffen ergangen? Welche Tipps konnte ich in meinen Alltag gut einbauen?“ Ebenfalls ein wichtiges Thema: Was können Betroffene an Pflegeleistungen in Anspruch nehmen? „Viele wissen von ihren Möglichkeiten nichts und sind erstaunt, was alles machbar ist“, so Struth. Auch während der Treffen können Angehörige Hilfe in Anspruch zur Betreuung nehmen: die Verhinderungspflege. Man kann sie im Voraus bezahlen, sich die Inanspruchnahme aufschreiben und sie dann stundenweise abrechnen lassen, wenn etwa Nachbarn den Erkrankten nicht betreuen können. Nach einem halben Jahr könne man die Nutzung bei der Pflegekasse einreichen und bekommt die Kosten erstattet.
Referenten ergänzen das Gesprächsangebot. Ein zentrales Thema der Vorträge: die Patientenverfügung. Wichtig zu beachten: Der Betroffene muss sie noch selbstständig unterschreiben können.
Unterstützung durch Kreis und Kassen
Durch Fördergelder des Märkischen Kreises und durch die Krankenkassen wird die Gruppe unterstützt. Mit den Geldern frühstücken sie zusammen. „Das gemeinsame Essen soll den Angehörigen etwas Gutes tun und Wertschätzung für ihre Leistung ausdrücken.“ Unterstützung erfährt die Gruppe außerdem durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Auch Halveraner, Meinerzhagener und Valberter schließen sich den Treffen an. Im Sterbefall oder bei einem Umzug ins Pflegeheim scheiden Teilnehmer häufig aus der Gruppe aus. Schwere Themen, doch auch das gemeinsame Lachen komme nicht zu kurz. Struths Ziel für alle Beteiligten: Das Leben so lebenswert zu machen, wie möglich.
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Demenz Selbsthilfe-Gruppe
Mittwochs von 17 bis 19 Uhr
Tagespflegestätte Volmetal „Rat & Tat“
Kölner Straße 159, 58566 Kierspe
Ansprechpartner
Marianne Struth
Tel.: 02359 / 7109
Mobil: 0151 / 59463718
Gerd Hegemann
Tel.: 02354 / 5382