Bisher spielte die FDP in der Doppelgemeinde keine große Rolle. Das hat sich ziemlich genau vor einem Jahr geändert. Nach einer Kampfabstimmung und einem innerparteilichen Eklat übernahm Claus Vogel die Führung. Seither sind die Liberalen deutlich präsenter. LokalDirekt-Redakteurin Lydia Machelett sprach mit dem Parteivorsitzenden Claus Vogel über politische Ziele, bundespolitische Probleme und Kandidaten für die Kommunalwahl im September.
Natürlich müssen wir über das Abschneiden der FDP im Bund sprechen. Was ist da schief gelaufen?
Claus Vogel: „Auf Bundesebene vieles, auf lokaler und kommunaler Ebene eher weniger. Die Partei hat sich nach außen, insbesondere bei Abstimmungen auf Bundesebene einfach nicht mehr geschlossen gezeigt und auch nicht gemeinsam agiert. Das wurde sofort von der Öffentlichkeit wahrgenommen und zurecht abgestraft. Das Verhalten bei der Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz und letztendlich auch der Ein-Personen-Wahlkampf für Lindner haben aus meiner Sicht nicht wirklich dazu beigetragen, der FDP ein gut wählbares Profil zu geben. Bei persönlichen Gesprächen wurde mein persönliches Empfinden aber auch immer wieder bestätigt. Der letzte Sargnagel dürfte wohl die Berichterstattung in der Presse und im TV gewesen sein. Wie wurde es einmal so schön in der WELT geschrieben: ,Die einzige Partei, die die Presse noch mehr hasst als die AFD, ist die FDP…'“
Ihr Ziel ist es, in diesem Jahr in den Rat einzuziehen. Ist das nach der Pleite noch realistisch? Und wenn ja warum?
„Ja. Wir sehen unser lokalpolitisches Engagement weitestgehend losgelöst vom politischen Geschehen in Berlin. Wie erkläre ich es immer gerne: Als Kind war man ja auch nicht immer mit allem einverstanden, was die Eltern vorgaben und machten. Die Kommunalwahl ist überwiegend eine Personenwahl, bei der die Bundespolitik gegenüber lokaler Ziele in den Hintergrund tritt. Die Nachbarkreise und Nachbargemeinden zeigen ja, wie die FDP als liberaler Kompass der Kommunalpolitik gut tut. Auf Kreisebene ist die FDP stark aufgestellt und steht immer wieder für klare, sachliche Politik. Beispiele hierfür sind sicherlich die Aufrechterhaltung eines bezahlbaren und umsetzbaren öffentlichen Nahverkehrs und den Erhalt der Förderschulen, wofür die FDP lange erfolgreich gekämpft hat. Auswirkungen der liberalen Landespolitik sieht man insbesondere beim doch nun schnellen Bau der Rahmedetalbrücke: Auf Vorschlag der FDP und durch den Druck der FDP auf Kreis- und Landesebene wurde dann doch der überraschend schnelle und unbürokratische Bau möglich. Unser Vorteil ist es aber, dass wir ohne politische Altlasten und Vorabsprachen einsteigen können – das dürfte für neue Impulse im Rat sorgen.“
Die FDP in Nawi steht für diese drei Eigenschaften:
„Zielorientiert. Sachlich. Streitbar.“
Wer sind ihre Kandidaten? Werden Sie alle Bezirke besetzen?
„Unsere Kandidaten, freuen sich darauf, die lokale Politik mitzugestalten. Als Spitzenkandidat auf Platz 1 haben wir Armin Speckmann gesetzt, der sich seit langem schon für die Gemeinde engagiert und immer wieder durch seinen Einsatz für die Bewohner am Nachrodter Feld glänzt. Da Armin auch kein Blatt vor den Mund nimmt, stets vor Ort ist und sichimmer hervorragend auf Themen vorbereitet, bei denen er inhaltlich mit inden Ring steigt, sehen wir ihn als streitbaren Vertreter der Interessen der Bürger im Rat. Es folgen dann meine Person und Sebastian Müller auf Platz 2 und 3. Auch wir beide freuen uns auf neue Herausforderungen und möchten gerne die politische Landschaft mitgestalten. Durch meine nun schon mehrjährige Position als sachkundiger Bürger im Kreistag für die FDP kann ich auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen, von denen die Gemeinde sicherlich auch profitieren kann. Sebastian Müllers Engagement wird insbesondere durch den Willen getragen, in seiner Heimatgemeinde mitzugestalten und im Falle seiner Wahl auch durch fachliche Kompetenz (wie alle unsere Listenkandidaten) und mit jungem Mut bei Entscheidungen zu glänzen. Aber auch bei den anderen Listenplätzen haben wir Kandidaten, die sich engagieren wollen, sich nicht vor Verantwortung scheuen und die in Anbetracht der Ergebnisse auf Bundesebene – genau wie alle unsere Ortsmitglieder sagen: Jetzt erstrecht! Gegebenenfalls werden wir noch einen Wahlbezirk nachnominieren – die Besetzung ist doch etwas schwieriger als gedacht, insbesondere wenn für Kandidaten durch die Teilnahme oder aktive Ratsarbeit wirtschaftliche Nachteile durch eventuelle Interessenskonflikte oder das Problem einer Befangenheit entstehen würde. Da verzichten wir dann lieber auf einen Wahlbezirk, um direkt Diskussionen auszuschließen. Trotzdem haben wir eine starke Liste, die sich für so eine junge politische Gruppierung wie die FDP NaWi sehen lassen kann. Unsere Kandidaten sind: Armin Speckmann, Claus Vogel, Sebastian Müller, Dr. Michael Bömmer, Solveig Speckmann, Mira Vogel, Michael Schlicht, Jobin Strunk, Jasmin C. Berghöfer.“
In welcher Form bereichert die FDP Nachrodt-Wiblingwerde Ihrer Meinung nach die Arbeit im Rat?
„Wie schon oben gesagt: Streitbar, sachkompetent, zielorientiert und ohne politische Altlasten. Zudem sehen wir uns als Fürsprecher der Sparsamkeit undWirtschaftlichkeit im Umgang mit Haushaltsmitteln, was in unseren Zeiten knapper öffentlicher Kassen nach unserer Ansicht besonders wichtig ist.“
Was sind für Sie aktuell die drei wichtigsten lokalpolitischen Themen?Und wie sehen ihre Lösungen aus?
„1. Brücke & Verkehr: Die aktuelle Situation ist eine Katastrophe für die Gemeinde und nur durch eine unverständliche Blockadehaltung einzelner Personen und festgefahrene Fronten sitzen wir auf einer infrastrukturellen Zeitbombe. Da werden wir sicherlich an einigen Narben kratzen, an die sich andere – auch sicherlich aus guten Gründen – nicht wirklich trauen.
2. Gartenhallenbad, Lennehalle, OGS: Hierfür müssen sicherlich pragmatische Lösungen gefunden werden, bei denen der Grundsatz gelten sollte: Form Follows Function. Die Wünsche sind groß, die Finanzen leider klein. Und gerade nach der Kostenexplosion beim Gartenhallenbad sollten wir es uns gut überlegen, ob und wozu wir eine neue Lennehalle benötigen und welchen Preis wir dafür zu zahlen bereit und in der Lage sind.

3. Wirtschaftsförderung. Sichere und mehr Arbeitsplätze vor Ort sorgen für stabile Einnahmen der Gemeinde und langfristig für mehr Einwohner. Dazu zählen wir aber auch die Problematik mit dem Nachrodter Feld, den Verkehr und auch das ewige Thema Gastronomie/Raststatt.“
Was möchten Sie tun, um Nachrodt-Wiblingwerde als Lebensraum attraktiver zumachen?
„Wir finden Nachrodt-Wiblingwerde schon sehr attraktiv – sonst würden wir nicht so gerne hier wohnen und würden uns nicht so dafür einsetzen wollen. Die Frage ist eher, was unattraktiv ist. Und da steht ganz oben die Verkehrsproblematikauf der Liste. Nicht nur die starke Belastung des Lennetals (was hoffentlich durch den Brückenschluss A45 – vielleicht schon ab Herbst 2025 – besser wird), sondern auch die Verkehrsanbindung an die Nachbargemeinden insbesondere für Jugendliche an den Wochenenden ist ja eher suboptimal. Da kann man sicherlich noch was bewegen, ohne die Gemeinde infinanzielle Nöte zu bringen. Beispiele in den Nachbargemeinden gibt es (Bedarfs-ÖVP, Sammeltaxi, Nachtbus, Bürgerbus etc.). Die Vereine leisten viel und dies sollte auch deutlich unterstützt werden. Feuerwehrfest, Turnvereinfest, Rock@School, Weihnachtsmarkt… dies sind doch die Highlights insbesondere für die Generation U 30. Gerne mehr davon – das unterstützen wir gerne! Schade ist auch, dass es keinen Wochenmarkt oder ähnliches mehr gibt. Insbesondere in Wiblingwerde ist durch den Wegfall des Ladens der Familie Winkhaus ein kleines Vakuum entstanden. Wie gesagt: Ideen gibt es viele.“
Die Gemeinde liegt auf Rang zwölf in NRW mit den meisten Auspendlern. Was kann die Politik tun, um die Wirtschaft zu stärken, damit mehr Arbeitsplätze vor Ort entstehen?
„Mehr Arbeitsplätze vor Ort bedeutet einfach weniger Berufspendler. Dies kann nur durch eine wirtschaftsfreundliche Grundstimmung erreicht werden, die aktuell nicht immer vorhanden ist. Alle wohnen hier gerne – aber nur wenige finden auch Arbeit vor Ort. Das ist sicherlich nichts, was man in vier oder acht Jahren lösen kann, aber langfristig sollte da eine Perspektive geschaffen werden. Auch der Gedanke eines interkommunalen Gewerbegebietes finde ich nicht komplett abwegig. Diskutiert wurde es vor mehreren Jahren und aus Gründen vom Rat abgelehnt, die für mich nicht alle nachvollziehbar sind und waren.“
Wohnungsknappheit ist ein Thema, das Nachrodt-Wiblingwerde gleich auf mehreren Ebenen trifft. Da gibt es das Nachrodter Feld. Die Mieter können gar nicht ausziehen, weil es nicht ausreichend vergleichbar günstigen Wohnraum gibt. Die Gemeinde weiß nicht mehr wohin mit Flüchtlingen, die Lebensbedingungen werden immer schlechter und gleichzeitig würde die Baugenossenschaft gerne ihren Wohnungsbestand in Nachrodt-Wiblingwerde erweitern, findet aber keine geeigneten Immobilien. Wie können diese Probleme gelöst werden?
„Schnell gelöst werden kann auch dies leider nicht. Seriöse Investoren wie die Baugenossenschaft stehen bereit, können aber nicht eingreifen, zumal die Eigentumslage nun komplett ungeklärt ist. Zudem war der insolvente bisherige Eigentümer und ist der offenbar finanziell auch schon taumelnde Erwerber nach allem Anschein kein Partner, mit dem eine Konsolidierung oder gar eine Fortentwicklung in diesem Bereich zu erwarten ist. Da die Rechtslage zudem der Gemeinde wenig Spielräume eröffnet, heißt es dranbleiben und jede sich eröffnende Perspektive gemeindlichen Handelns umgehend nutzen. Weitere Neubauprojekte stehen ja in denStartlöchern und die positive Entwicklung des Areals zwischen Netto und Getränkemarkt gibt auch Anreiz für andere Investoren.“
Klimaschutz ist ein Thema, das vor allem die jungen Wähler interessiert. Der Klimaschutzmanager wurde abgeschafft. Was kann die Gemeinde nun tun, um in Sachen Klimaschutzvoranzukommen?
„Meine Meinung: Offen für neue Ideen sein. Im Bereich von Solaranlagen sehe ich ein großes Potential für die Gemeinde. Ein zentrales Heizungsnetz oder Fernwärme sind ja bei unserer Topographie nicht wirklich möglich. Ich sehe die Zukunft eher in dezentraler Energieerzeugung und Verbrauch an Ort und Stelle. Ich gehe aber auch davon aus, dass die Gemeindeverwaltung aktiv bei allen Neuinvestitionen dies im Blick hat und da schon sehr verantwortlich agiert. Ich könnte mir auch gut vorstellen, einen „Solar-Stammtisch“ zu machen, bei dem aktive Anwender und Nutzer der Photovoltaik Rede und Antwort für Interessenten stehen. Dies fände ich auch – unabhängig von der politischen Arbeit der einzelnen Fraktionen – eine Idee zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit. Immerhin geht es hier ja um unsere Gemeinde und nicht um Parteibücher. Schön wäre es sicherlich, auf dem Gemeindegebiet Schnell-Ladesäulen von Ladenetzanbietern zu gewinnen. Da ist es ja aktuell eher „Mau“. Mit den einfachen aber günstigen 10kW Säulen der Stadtwerke kann man ja heute leider keine Strecke auf kurze Zeit machen.“
Sie betonten mehrfach, dass Kommunalpolitik nicht vergleichbarmit Bundes- oder Landespolitik ist. Wo würden Sie sagen, würden Sie für Nachrodt-Wiblingwerde gegen klassische FDP-Werte stimmen? Gibt es ein Beispiel?
„Gegen klassische FDP-Werte habe ich keinen Grund zu stimmen. Der liberale Gedanke, Bildungschancen für alle, leistungsgerechte Bezahlung und eine wirtschaftsrealistische bzw. finanzierbare Politik sind für mich und meine Parteikollegen elementar. Für Verwirrung bei uns allen sorgte aber das Verhalten bei der Abstimmung zum Migrationspakt. Übrigens habe ich auch schon im letzten Jahr für einen Ausstieg aus der Ampel gestimmt. Aber das ist ja auch das Schöne an der FDP: Man muss nicht immer einer Meinung sein.“
Wie erstellt die FDP NaWi ihr Wahlprogramm?
„Gemeinsam in enger Abstimmung mit den Wahlkreiskandidaten und Befragung unserer Mitglieder im Ortsverband.“