„Was bis Mittwoch nicht abgeholt wurde, wird entweder gespendet oder kommt in den Container. Denn dann werden wir alles ausräumen“, berichtete Pfarrbeauftragte Sandra Schnell. Dann wird die einstige katholische Kirche final an die Lennekirche übergeben. Wie bereits mehrfach berichtet, gibt die Pfarrei St. Matthäus den Standort an der Hagener Straße auf. Die Gebäude – außer der Kindergarten – wurden an die evangelische Lennekirche verkauft, die die Kirche zu einer Spiel- und Sportkirche umbauen möchte. „Wir haben wirklich alle Ecken ausgeräumt“, erzählte Schnell.
Schon vor der Eröffnung des ungewöhnlichen Flohmarkts warteten die Gäste vor der Kirche. Neben Gemeindemitgliedern und Nachrodt-Wiblingwerdern sind auch Vertreter anderer Kirchengemeinden da. Sie alle hoffen auf Schnäppchen und Andenken. Zu fast jedem Verkauf gibt es eine Geschichte. „Eine Frau hat beispielsweise ein riesiges Kreuz mitgenommen. Ich hätte nie gedacht, dass das überhaupt jemand nimmt. Aber sie berichtete, dass sie es immer als Messdienerin getragen hat und somit eine besondere Verbindung dazu hatte“, erzählte Schnell. Überhaupt waren Kerzenständer ein beliebtes Andenken. Viele wechselten schnell den Besitzer. Es gab auch welche, die sich ganz bestimmte Kleinteile ausgesucht hatten. „Eine Frau hat etwas für das Grab ihres Vaters gekauft, weil er immer eine besondere Bindung zur Gemeinde hatte“, berichtete die Pfarrbeauftragte.
Beim Ausräumen hat Sandra Schnell auch ein paar echte Kostbarkeiten gefunden: „Oberhalb der Empore gibt es noch einen kleinen Dachboden. Da war zum Beispiel noch ein großes Missionskreuz und da waren Wimpel“, sagte Sandra Schnell. Darauf stand die Jahreszahl 1897. Sie sind also älter als die Kirche selbst. Sie stammen von der KAB, der Katholischen Arbeiterbewegung. „Ich wusste bisher gar nicht, dass es so eine Gruppe hier gab. Kolping war mir bewusst, aber das tatsächlich nicht“, erzählte Schnell. Die Wimpel sind jedoch in keinem guten Zustand. Mottenlöcher sind fast überall zu finden. Die Pfarrbeauftragte möchte die Wimpel aufarbeiten lassen, denn für sie sind das echte zeit- und kirchengeschichtliche Schätze. „So etwas verkaufen wir natürlich nicht.“
Noch keinen neuen Besitzer gibt es für die große Krippe. Sie ist eine echte Besonderheit, an der auch die Gemeindemitglieder hängen. „Ich kann verstehen, dass viele es schade finden, dass die Krippe nicht mit in die Kapelle umziehen kann. Aber es geht einfach nicht“, sagt Schnell. Die Krippe ist sehr groß, benötigt viel Platz und umfasst etwa 40 Figuren. In der kleinen Kapelle undenkbar. „Selbst wenn wir sie nicht ganz aufbauen, bei Beerdigungen würde kein Sarg mehr hinpassen. Sie aufzubauen, dauert Stunden, man kann sie also nicht einfach hin und her schieben“, erklärt Schnell. Für die Michaelskapelle werde daher eine neue Krippe gesucht, „am besten eine, bei der die heilige Familie eine Figur ist, die man im Fall einer Beerdigung schnell an die Seite schieben kann“. Eine würdige und schöne Lösung zu finden sei ihr wichtig.
Orgel geht nach Italien
Neben den Dingen, die auf den Tischen zum Verkauf angeboten werden, gab es noch Angebote, die sich nicht an Privatpersonen richten. Auch daran bestand reges Interesse. Die Orgel beispielsweise geht nach Italien. Wohin genau wusste Sandra Schnell nicht: „Es gibt eine Firma, die auf die Vermittlung von Orgeln spezialisiert ist. Darüber ist das gelaufen. Wir haben Glück, dass die Orgel gerade recht frisch restauriert und damit in einem sehr guten Zustand ist.“ Eine Woche wird allein der Abbau der Orgel dauern. In der kommenden Woche werden die Arbeiten beginnen.
Ein paar Kelche aus Nachrodt werden zudem in Afrika gebraucht. Den Kontakt stellte der Radiobeauftragte des Bistums, Pater Philipp, her, der Verbindungen nach Ghana pflegt. Doch es sei gar nicht so leicht, einen Kelch von Nachrodt nach Afrika zu bringen. „Wir mussten extra Papiere für den Zoll anfertigen lassen, in denen wir bestätigen, dass der Transport des Kelchs rechtens ist“, berichtete Schnell.
Auch eine Abordnung der katholischen Gemeinde Werdohl zeigte sich interessiert an Kelchen. Kirchenvorstandsmitglieder aus Lüdenscheid hatten derweil einen Blick auf die Kirchenbänke geworfen, denn sie suchen neue für ihre Friedhofskapelle – die im Übrigen auch St. Michael heißt, so wie die der Nachrodter. Ein besonderer Gast war Günter Bader. Er war aus dem Ahrtal angereist. Gut vier Stunden war er unterwegs – auch weil er Opfer der ganzen Straßensperrungen und Beschilderungen war. Er möchte eine Flutkapelle in Dernau, seinem Heimatort, errichten. Dort soll auch der 135 Opfer der Flutkatastophe 2021 im Ahrtal gedacht werden. Die Grundstücksangelegenheiten sind bereits geklärt und der Architekt habe bereits die Arbeit aufgenommen. „Ich möchte diese Kapelle aus Dankbarkeit bauen. Wir sind dankbar, dass wir leben“, erzählte er und kämpfte dabei sichtlich mit den Tränen. Er selbst habe zwei Häuser verloren. Die Katastrophe werde er nie vergessen. Er interessierte sich unter anderem für einen Opferstock mit Kerzenhalter und andere elementare Einrichtungsgegenstände einer Kapelle. „Ich habe zufällig im Internet gefunden, dass die Kirche profaniert wurde und es einen Flohmarkt geben wird“, erzählte Günter Bader.
Es gab aber auch ein paar kuriose Besucher. Ein Mann beispielsweise kam und wollte einfach einmal die Orgel spielen. Ein Wunsch, dem die Pfarrbeauftragte gerne nach kam und so gab es zwischenzeitlich sogar Musik für die Gäste. Wer der Mann war? „Ich habe keine Ahnung“, sagte Sandra Schnell lachend.
Der Erlös des Flohmarkts bleibt übrigens in der Pfarrei. „Wir haben in diesem Jahr unser 125-jähriges Kirchweihfest. Außerdem brauchen wir noch ein paar Sachen für die Michaelskapelle, wie beispielsweise die neue Krippe“, erklärte Schnell. Der Flohmarkt sei nun ein endgültiger Abschluss. „Es ist gut, dass wir uns jetzt auf die Zukunft konzentrieren können“, betonte die Pfarrbeauftragte.