Das Problem liegt in den Bedarfen. Aktuell entsteht in Wiblingwerde eine komplett neue Gruppe. „Nach Einschätzung und Planung des Kreisjugendamtes sind wir von einem Bedarf von einer halben Gruppe (fünf Kinder) ausgegangen“, erklärt Alexander Bange, Pressesprecher des Märkischen Kreises. Denn auch in Nachrodt entstehen gerade neue Kindergartenplätze. Wie bereits mehrfach berichtet, steht schon lange fest, dass der katholische Kindergarten St. Elisabeth erweitert wird. „Die zweigruppige KiTa St. Elisabeth wird sowohl um eine halbe Gruppe des Gruppentyps I (zwei bis sechs Jahre) als auch um eine halbe Gruppe des Gruppentyps II (unter drei Jahren) erweitert. Damit wird der KiTa-Zweckverband dem Betreuungsbedarf der Familien vor Ort gerecht und schafft 15 neue Plätze“, berichtete Lisa Strafer, Pressesprecherin des Zweckverbandes.
Bürgermeisterin Birgit Tupat verweist in dieser Angelegenheit auf die Sitzungsvorlage 344/17. „Das ist die Sitzungsvorlage aus dem Rat vom 1. Dezember des vergangenen Jahres. Alle, bis auf den Kirchenkreis, haben einen langfristigen Bedarf für fünf Kinder gesehen.“ Prinzipiell sind ausreichend Kindergartenplätze ein großer Vorteil für die Gemeinde. Allerdings müssen die Plätze auch besetzt werden, damit es für den Träger wirtschaftlich ist. Nun wird Kritik laut. Mehrere Einrichtungen aus dem Bereich der Kindertagespflege (Namen liegen der Redaktion vor), melden nun, dass Kinder aktiv nach der Anmeldefrist abgeworben seien. Und es wird auch der Vorwurf laut, dass die Eltern unter Druck gesetzt worden seien mit der Aussage: „Wenn ihr jetzt den Platz nicht nehmt, dann können wir euch später keinen Platz garantieren.“ Die Beschwerdeführer, die im Übrigen nicht aus Nachrodt-Wiblingwerde stammen, möchten namentlich nicht genannt werden, um eine Eskalation zu verhindern.
„Die von Ihnen geschilderten Rückmeldungen haben Tagespflegepersonen dem Kreisjugendamt nicht mitgeteilt. Der Kreis hat den Träger der Einrichtung beziehungsweise die Einrichtung selbst nicht dazu aufgefordert. Nähere Details und Informationen bitten wir Sie gegebenenfalls beim Träger, dem Evangelischen Kirchenkreis Iserlohn, oder der Einrichtung selbst einzuholen“, sagt Alexander Bange.
LokalDirekt hat bei Andreas Beutler, stellvertretender Geschäftsführer des Kreiskirchenamts, nachgefragt. „Die Erweiterung einer Kindertageseinrichtung steht dem Träger grundsätzlich frei. Der Märkische Kreis stellt den Bedarf der Plätze im Rahmen seiner Jugendhilfeplanung auf, so auch den Bedarf für eine halbe Gruppenform II in Wiblingwerde“, bestätigt Andreas Beutler. Jedoch lasse das Kinderbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen keine auskömmliche Finanzierung einer halben Gruppe zu. Die Pauschalen öffneten eine Schere zu den tarifbedingten Personalkosten und den gesetzlich vorgeschriebenen Personalstunden. „Gebäudeunterhaltung und Inflation lassen die Sachkosten explodieren. Aus wirtschaftlicher Sicht kann eine zweigruppige Kindertageseinrichtung nicht mehr überleben, sodass der Zusammenschluss kleinerer und kommunal zusammenhängender Einrichtungen notwendig werden wird“, betonte Beutler. Ein Zusammenschluss sei in der besonderen Ortslage Nachrodt-Wiblingwerde jedoch nicht möglich. Beutler: „Aufgrund der extrem hohen Anmeldezahlen für unsere Kindertageseinrichtung Wiblingwerde möchten wir dem Wunsch der Eltern nachkommen und stellen eine dritte Gruppe für maximal zehn Kinder zur Verfügung.“
Der Prozess einer solchen Veränderung benötige jedoch seine Zeit. Im Herbst 2022 sei die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde über das Vorhaben informiert worden. Der Rat hat daraufhin in der Sitzung am 1. Dezember den für alle Träger in Nachrodt-Wiblingwerde geltenden freiwilligen Zuschuss beschlossen. Im Frühjahr 2023 seien die rechtlichen Voraussetzungen des Landesjugendamts erfüllt gewesen, sodass im April mit dem Umbau des ehemaligen Gemeindebüros begonnen worden sei. „Glücklicherweise konnte das sehr enge Zeitfenster bis zum 1. August durch die Handwerksbetriebe eingehalten werden, sodass einem pünktlichen Start nichts im Wege steht“, freut sich Beutler.
Auf die Frage zum aktiven Abwerben von Kindern erklärt der stellvertretende Geschäftsführer, dass das Problem bestanden habe, dass der kurze Ablauf nicht mit den üblichen Anmeldefristen zu vereinbaren gewesen wäre. Beutler: „Wie in jedem Kindergarten gibt es Wartelisten. Deutlich betonen möchte ich, dass alleine die Eltern entscheiden, wo sie ihr Kind anmelden möchten. Diese Entscheidung ist sehr persönlich und kann niemanden abgenommen werden. Auch in diesem Jahr war die Warteliste unserer Einrichtung zweistellig. Die Eltern, deren Kinder vom Alter in die neue Gruppe passen würden, wurden mit dem Beginn der Bauarbeiten über das Vorhaben informiert. Wir haben die Eltern über die Plätze informiert, Sie aber nicht aktiv abgeworben oder unter Druck gesetzt. Es gab weder eine Bedenkzeit noch eine Frist für eine Rückmeldung. Die Aussage, dass ein Kindergartenplatz anderweitig vergeben wird, falls der Platz nicht genommen wird, hat es nicht gegeben.“
Den Unmut der Tagesmütter könne er dabei allerdings gut nachvollziehen. Daher sei der Träger auf die Tagesmütter zugegangen. Es habe daraufhin ein Treffen im Kindergarten gegeben. „Auch konnten wir in diesem Gespräch ausschließen, dass wir mit den Aufnahmen offene Plätze bei den Tagesmüttern verursachen“, betonte der stellvertretende Geschäftsführer. Künftig solle die Kindertageseinrichtung Wiblingwerde enger mit den Tagesmüttern zusammenarbeiten. Im neuen Kindergartenjahr sollen unter anderem Kooperationen, zum Beispiel für Vertretungssituationen, vereinbart werden.
Zudem gab Andreas Beutler zu bedenken, dass es vor einiger Zeit noch drei Tagesmütter in Wiblingwerde gegeben habe, jetzt seien es nur noch zwei: „Diese fünf Plätze sind nach meinem Kenntnisstand bis heute ersatzlos entfallen.“