Auf die Berichterstattung zur aktuellen Personalsituation nach der Kündigung zweier leitender Ärzte im Klinikum Lüdenscheid reagiert am Dienstagnachmittag, 8. Oktober, Michael Achenbach, Kinder- und Jugendarzt in Plettenberg und Obmann der Pädiater im Märkischen Kreis. In einer Stellungnahme, die er im Namen der Kinder- und Jugendärzte im Märkischen Kreis verfasste, befürchtet Achenbach: „Hier bahnt sich eine Katastrophe mit Ansage an!“
Mit Erschrecken und Bestürzung hätten die Kinder- und Jugendärzte des Märkischen Kreises die neuesten Meldungen über die Lüdenscheider Klinik für Kinder- und Jugendliche zur Kenntnis genommen. Ein kompletter Weggang von Chef und der Riege der Oberärzte in so kurzer Zeit deute unmissverständlich auf massive strukturelle Probleme oder stark unzureichende Unterstützung seitens der Klinikleitung oder sogar des Klinikträgers hin.
Leistungsspektrum kontinuierlich abgebaut
„Wir müssen von verschiedenen Möglichkeiten ausgehen. Das Schlimmste wäre dabei die komplette Schließung der Klinik – und das muss mit aller Kraft verhindert werden. Überrascht bin ich von dieser Situation aber keinesfalls.“ Achenbach weiter: „Wenn man sich die jüngere Geschichte der Klinik anschaut, so kann man erkennen, dass in den letzten Jahren das Leistungsspektrum kontinuierlich abgebaut wurde bzw. ein Ausbau nicht gewünscht war.“
Als konkretes Beispiel führt der Mediziner Prof. Dr. Rosenbaum an. „Er hat vor vielen Jahren Lüdenscheid als Klinikdirektor verlassen und ist Chefarzt in Duisburg geworden. Dort konnte er – im Gegensatz zu Lüdenscheid – seinen neuropädiatrischen Schwerpunkt weiter ausbauen. Lüdenscheid ist damals auch aus der Beantragung eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) ausgestiegen. Iserlohn hingegen nicht, die Iserlohner konnten dann ein SPZ für den Märkischen Kreis sogar gerichtlich durchsetzen. Ähnlich sieht es mit der Intensivversorgung kleinster Früh- und Neugeborener im Märkischen Kreis aus. Die fand früher in Lüdenscheid und Iserlohn statt. Inzwischen gibt es keine Neugeborenenintensivstation mehr. In beiden Städten nicht. Das bedeutet für Risiko-Schwangere und für Eltern von Frühchen weite Wege. Wenn ein Klinikum der Maximalversorgung ein Fach so stiefmütterlich behandelt, dass es kontinuierlich schrumpft, darf man sich nicht wundern, dass Stellen nicht besetzt werden können und Mitarbeitende frustriert die Brocken hinwerfen. Das spricht sich in der kleinen Community der Kinder- und Jugendärztinnen natürlich herum – dann würde es mich nicht wundern, wenn in Zeiten von Work-Life-Balance es richtig schwer wird, Interessenten für eine unattraktive Stelle zu finden“, so Michael Achenbach.
Arbeit ohne Perspektive macht müde und mürbe
Im Märkischen Kreis leben ca. 410.000 Einwohner, davon fast 70.000 Kinder und Jugendliche. Der Kreis steuere – nach der Schließung der Kinderklinik in Iserlohn – nun auf eine Situation hin, in der es für diese Bevölkerungsgruppe kein adäquates stationäres Behandlungsangebot mehr geben könnte, befürchtet Achenbach. Mögliche Folge sei auch eine Ausdünnung der Praxen, zumindest auf längere Sicht. „Denn woher soll denn der Nachwuchs kommen, wenn nicht aus der Klinik? Wir haben in den letzten Monaten Entwicklung der Klinik mit Sorge beobachtet, aber auch wahrgenommen, wie mit extremem persönlichen Einsatz die Versorgung aufrecht erhalten wurde. Wir wissen aber auch: Zu viel Arbeit ohne Perspektive auf schnelle Besserung macht müde und mürbe. Von daher können wir die Kollegen absolut verstehen.“
„Sparen auf Kosten der Menschen, die die Arbeit erledigen, rächt sich früher oder später!“ erklärt Michael Achenbach weiter. „Mit dieser Entwicklung sehe ich auch den Standort für den Kindernotdienst in akuter Gefahr. Hagen, Siegen, Dortmund, das werden dann in Zukunft die Orte sein, wo Eltern am Wochenende
ihre Kinder versorgen lassen können. Herzlichen Glückwunsch!“
Dunkle Zeiten für Familien
Nach der Zentralisierung der schulärztlichen Untersuchungen aufgrund von Personalengpässen sei eine Schließung der Kinderklinik das nächste Schreckenszenario für Familien im Märkischen Kreis. Achenbach: „Wir Kinder- und Jugendärzte des Märkischen Kreises fordern daher den Kreistag ausdrücklich dazu auf, sich mit dieser Situation zu befassen und klar Stellung zu beziehen, wie es mit der stationären Pädiatrie in der Region weitergehen soll. Nullversorgung? Oder vielleicht ein Klinikum der Minimalversorgung für Kinder, aber das Maximum für Erwachsene? Wenn der Märkische Kreis diese Klinik-Politik weiter unterstützt, dann brechen dunkle Zeiten für Familien an!“