Am Freitag jährt sich der Angriff Russlands auf die Ukraine. Ein Jahr Krieg. Ein Jahr, dass für die Ukrainer alles veränderte. Valentina Rodzaevska kam mit ihren Kindern, ihrer Schwester und ihrem Vater nach Nachrodt, in ein fremdes Land mit einer fremden Sprache und Kultur. Weihnachten hat die junge Frau bereits von ihrem Fest fern der Heimat erzählt. In den vergangenen Tagen lernte die Ukrainerin nun, dass es in Deutschland inoffiziell auch noch eine fünfte Jahreszeit gibt: Karneval.
„Es ist etwas schwierig für uns, denn in der Ukraine haben wir diese Tradition nicht. Ich habe
Karneval in Brasilien oder Italien im Fernsehen gesehen – aber ich wusste nichts über den Karneval in
Deutschland“, erklärt die junge Ukrainerin. Nach anfänglicher Verwunderung ist sie nun vollauf
begeistert vom Karneval. „Mir gefällt, dass sich jeder so ausdrücken kann, wie er möchte“, betont
Valentina Rodzaevska. Nachdem ihr bereits Weiberfastnacht in Altena gut gefiel, ging es Rosenmontag direkt weiter zum Kölner Karneval.

Karnevalsmusik, Sketche, Besen-Tanz – alles neu für die junge Ukrainerin. „Wir sind einfach mitgegangen“, erzählt Rodzaevska. Eine Nachbarin lud sie und ihre Schwester zur Weiberfastnacht in Altena ein. Es war ihr erster Kontakt zum jecken Volk, sodass sie nicht genau wusste, was sie erwartet.
Als es alle Frauen bereits beim ersten Song auf die Tanzfläche zog, war sie zunächst verwundert. Doch die ausgelassene Atmosphäre begeisterte sie schnell. „Alle waren witzig und freundlich, es fühlte sich an wie eine Familienfeier“, erzählt die junge Ukrainerin. Auch die Situationskomik der Sketche und Performances trafen ihren Humor. Am besten gefiel ihr das Tanzen, dabei konnte sie die positive Stimmung genießen und ihre Sorgen für einen Moment vergessen.
Sie überraschte etwas, dass auch viele älteren Frauen in wilder Kostümierung mitfeierten: „Ich kann
mir nicht vorstellen, dass meine Schwiegermutter sich so verkleidet und feiert. Ich glaube, es wäre
mit mehr Scham verbunden. Aber in Deutschland ist das einfacher“, erzählt Rodzaevska. Diese
Ausgelassenheit beim Feiern unabhängig des Alters begeistert sie.
Sich frei ausdrücken und Spaß haben, ohne verurteilt zu werden – damit verkörpert der Karneval für
Rodzaevska auch Freiheit. „In dem Orientierungskurs lernen wir, dass in Deutschland Demokratie und
Freiheit die Basis bilden. Jeder kann leben, wie er möchte. Karneval ist Ausdruck davon“, sagt
Rodzaevska. Ihr Kurs hätte auch ein Kino besuchen können – doch ihr Sprach- und Orientierungskurs entschied sich für den Kölner Karneval. So besuchte die Gruppe den beliebten Rosenmontagszug in Köln.
Mit viel Kamelle, Musik und Tanz verbrachte sie einen Nachmittag in Köln. Dabei trafen auch
deutsche Karnevalsklassiker wie „Viva Colonia“ ihren Geschmack, weil die Songs Stimmung machten
und das Tanzen dazu so leichtfalle. Besonders begeisterte sie auch das Kamelle-Werfen bei dem
bunten Karnevalsumzug, denn das hatte sie zuvor noch nicht gesehen. „Es ist witzig, wie selbst große
Männer über die Süßigkeiten herfallen“, erzählt Rodzaevska lachend. Die selbst habe auch einige Blumen und Süßigkeiten ergattern konnte.

Richtig spannend sei die fünfte Jahreszeit für die Kinder gewesen. So wachte ihre Tochter voller Freude mit den Worten auf: „Mama, es ist sechs Uhr, wir haben Karneval!“ Sie habe sich riesig auf die Karneval-Party in der Schule gefreut. Verkleidet als Pocahontas machte sie dort ihre ersten Karneval-Erfahrungen und kam glücklich zurück nach Hause. Das freut die junge Mutter sehr. Denn ihre Tochter habe lange Zeit Schwierigkeiten gehabt, in der neuen Schule anzukommen. „Sie hatte viel Stress, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen, wenn sie in die Schule gehen sollte. Ich weiß nicht, ob es mit der Sprache besser klappt oder sie Freunde gefunden hat, doch jetzt ist es besser“, erzählt die junge Mutter. So wollte ihre Tochter nach der Karneval-Feier gerne noch etwas bei den anderen Kindern bleiben. Deswegen ist eines bereits beschlossen: Der nächste Kindergeburtstag wird eine Karneval-Party, bei der alle – Mütter wie Kinder – verkleidet kommen sollen.