Dass der oft beschworene Mythos Schalke lebt, verdeutlichte diese Veranstaltung auf beeindruckende Weise. Mit rund 120.000 Mitgliedern ist der Ruhrgebiets-Klub weltweit einer der größten Fußballvereine. Fans haben sich von Husum im hohen Norden bis nach Oberstdorf ganz im Süden der Republik in aktuell rund 850 örtlichen Fanclubs zusammengeschlossen. All diese eint das eine gemeinsame Credo: Blau und Weiß, ein Leben lang.
Mit ihren 265 Mitgliedern sind die Kerspe-Knappen mittlerweile eine der größten vereinsmäßig organisierten Fangemeinschaften. Arthur Saager, langjähriger Geschäftsführer des Dachverbandes der S04-Fanclubs in Deutschland, war sehr gerne der Einladung seiner Freunde aus dem Sauerland zur Teilnahme an deren großer Geburtstagsfeier gefolgt und reihte sich in die große Schar der Gratulanten ein. „Was hier in Kierspe nun schon über so lange Zeit geleistet wird, das hat einen ganz besonders hohen Stellenwert, und davor ziehe ich meinen Hut!“ attestierte er der Vorstandsmannschaft um den rührigen Gründungsvorsitzenden Klaus „Tom“ Müller.
Natürlich war auch der Kiersper Bürgermeister Olaf Stelse zur Jubiläumsfeier ins stilgerecht mit Fahnen und Luftballons in den prägenden Farben Blau und Weiß geschmückte PZ der Gesamtschule gekommen. Das Stadtoberhaupt nutzte die Gelegenheit, um mit dem Ehrengast Klaus Fischer über dessen lange und erfolgreiche Zeit als einer der torgefährlichsten deutschen Angriffsspieler zu fachsimpeln. Dies tat auch der heimische SPD-Landtagsabgeordnete Gordan Dudas sehr gerne, der als langjähriger S04-Fan ebenfalls seit Langem eingeschriebenes Mitglied der Kerspe-Knappen ist. Ein herzliches Willkommen galt zudem dem bekannten Künstler Alexander Jokisch aus Bonn, nach dessen Entwurf die Kapelle in der Arena auf Schalke gestaltet wurde und der Ehrenmitglied der Kerspe-Knappen ist.
Da der offizielle Geburtstag gemäß der am 10. September 1999 vollzogenen Gründung in diesem Jahr auf einen Wochentag fiel, fügte es der Kalender sinnfällig so, dass die Jubiläumsfeier exakt „04 Tage“ später abgehalten werden konnte, wie es in der für Schalke-Fans üblichen Zählweise so schön heißt. In seiner launigen und emotionalen Begrüßungsrede erinnerte der Klub-Vorsitzende Tom Müller an die Vorgeschichte zur Gründung. Es waren nur eine Handvoll Fußballverrückter, die über viele Jahre hinweg zu fast allen Heimspielen nach Gelsenkirchen fuhren. „Der Zulauf wurde immer größer. Als wir dann zu acht Mann waren, haben wir gesagt: Jetzt bekommen wir ja einen Kleinbus voll, da lohnt es sich, einen Fanclub zu gründen“, erinnerte er sich. Schon bald sollte das aber nicht mehr ausreichen. Seit vielen Jahren wird regelmäßig ein großer Bus eingesetzt, der stets ausgebucht ist. Und obwohl die „goldenen Zeiten“, an die sich nicht nur Tom Müller am Samstag wehmütig erinnerte, mit dem sportlichen Absturz der vergangenen Jahre nun leider vorbei zu sein scheinen, hält der Zuspruch unvermindert an. Auch zuletzt gab es immer wieder Neuaufnahmen.
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Nach einer wunderbaren Laudatio, die Heike Deuschle, die „gute Seele“ bei allen Busfahrten und Erfinderin der dabei gern genossenen „Auswärts-Bowle“, auf den verdienstvollen Klubgründer Tom Müller hielt („Du bist die Seele und der unermüdliche Motor unseres Vereins, du trägst Schalke im Herzen!“), wurden die Gründungsmitglieder geehrt. Unter großem Beifall betraten nacheinander Rocco Carbotti, Uwe Köhl, Kevin Rompel, Frank Schmitt und Rudi Wick die Bühne. Was hätte besser den Abschluss dieser Ehrung und zugleich den Auftakt zum weiteren festlichen Abend mit Musik und Tanz bilden können als dies: Der Männerchor Kierspe, unter der Leitung seiner Dirigentin Sofia Wawerla, sang die inoffizielle Vereinshymne, das „Steigerlied“, mit dem bis heute die traditionelle Verbundenheit der Knappen mit dem Ruhrgebiet und dessen einst prägenden Bergbau zum Ausdruck gebracht wird.
Ein besonderes Highlight des Abends war das vom fachkundigen Moderator Tobias Werner geführte Gespräch mit Ehrengast Klaus Fischer. Dieser plauderte gerne über frühere Zeiten und erzählte, gefüttert mit gezielten Stichworten seines Gesprächspartners, viele interessante Anekdoten. Eine davon: Als der damals 20-jährige Fußballer, der seine Karriere beim SC Zwiesel im Bayerischen Wald begonnen hatte, 1970 seinen zweiten Profivertrag beim SC Schalke 04 unterschrieb, ließen die Verantwortlichen seines bisherigen Klubs TSV 1860 München nichts unversucht, um ihn nicht ins Ruhrgebiet ziehen zu lassen. „Ich hab dann tatsächlich auch noch einmal meine Unterschrift unter die Vertragsverlängerung gesetzt“, schilderte Fischer, der sich daraufhin in einer echten Zwickmühle befand. Es gab nun zwei Verträge, was ihm letztlich noch eine Geldstrafe durch den DFB einbrachte. „Die Schalker unter ihrem damaligen Präsidenten Oskar Siebert haben nicht locker gelassen. Weil die 1860er mich aber unbedingt behalten wollten, haben sie mich dann tatsächlich regelrecht entführt und auf einer einsamen Alm nahe Kitzbühel versteckt“, so der begehrte Mittelstürmer. „Nach acht Tagen hatte ich die Schnauze voll, kehrte zurück, und schon waren die Schalker wieder zur Stelle. Und so bin ich ins Ruhrgebiet gewechselt, obwohl mir meine Mutter dringend abgeraten hatte: Was willst du da? Da kannst du ja nicht mal ein weißes Hemd anziehen, das wird von dem vielen Ruß dort doch dreckig!“, hatte sie gesagt. Der Rest ist Fußballgeschichte. In 285 Spielen für Schalke schoss Fischer 185 Tore, wurde Nationalspieler, zweimaliger WM-Teilnehmer und sechsmaliger „Tor des Monats“-Sieger, oft per Fallrückzieher. Einer dieser spektakulären Treffer, 1977 im Länderspiel gegen die Schweiz, wurde sogar zum „Tor des Jahrzehnts“ gekürt.
Klaus Fischer ist auch nach Ende seiner Karriere dem Ruhrgebiet und dem FC Schalke 04 treu geblieben. Bis heute ist er viel unterwegs, als offizieller Repräsentant des Traditionsklubs. Angesprochen auf die aktuelle sportliche Situation, zeigte er sich skeptisch, was einen baldigen Wiederaufstieg in die Bundesliga angeht, geschweige denn, dass sich der Traum aller Schalke-Anhänger vom Gewinn der ersten Meisterschale doch noch einmal erfüllen könnte. „Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. Ob ich das allerdings noch erleben werde, wo ich doch nun schon bald 75 Jahre alt werde, wird sich zeigen.“ Mit einem Schmunzeln versprach er zum Schluss seines mit lebhaftem Beifall begleiteten Auftritts: „Wenn die Kerspe-Knappen ihr 50-Jähriges feiern, dann bin ich sehr gern wieder dabei!“
Nach einem musikalischen Geburtstagsständchen des Fanfarenzugs Meinerzhagen folgte ein weiterer Höhepunkt durch die Kult-Band The Florians, deren bekanntester Hit alle Teilnehmer von den Stühlen riss und zum Mitsingen animierte: „Königsblauer S 04!“ Danach wurde es noch ein langer und gemütlicher Abend, wozu auch die Helfer des MBC Kierspe beitrugen, die für die Bewirtung der Festteilnehmer sorgten.