Es war ein komplett neues Programm – laut Aussage des Künstler „ungefahr drei Wochen alt“ -, das der wortgewaltige Kabarettist Jochen Malmsheimer in der Stadthalle zu Gehör brachte. Eine überaus literarische Sprache, intelligenter Wortwitz und wütendes Echauffieren machten seinen Auftritt zu einem Feuerwerk über nicht immer alltägliche Absurditäten.
Das Bühnenbild: spartanisch – ein Tisch, eine Lampe, ein Glas Wasser, eine „Montagsklingel“ ein Mikrophon. Das Programm: alles andere als spartanisch – ein nimmermüder Schwall deutscher Sprachfeinheiten, gepaart mit stets kritischem, zum Nachdenken animierendem Inhalt und das als aberwitzige Glossen und humoristische Pointen verpackt – die Zuhörer jedenfalls hatten kaum Gelegenheit zwischen den Lachattacken Luft zu holen.
Seit über 30 Jahren ist Jochen Malmsheimer als kabarettistischer „Berserker des Wortes“ – so titulierte ihn die Presse einst treffend – unterwegs und sorgte oft auch mit vielen TV-Auftritten – etwa mit Jürgen von der Lippe oder bei „Neues aus der Anstalt“ – für erstauntes Amüsement. Sein neues Programm „Statt wesentlich die Welt bewegt, hab ich wohl nur das Meer gepflügt – ein Rigorosum Sonderhausen“ bezieht sich – laut eigener Aussage – auf den südamerikanischen Freiheitskämpfer Simon Bolivar.
In seinen „Tagebuchaufzeichnungen“ erinnerte er sich an das Jahr 1976 – „da war ich 15“ -, an diverse Ereignisse – Apple-Gründung, Wolf Biermanns Ausbürgerum, Honeckers Amtsantritt und: Der Wiedehopf war Vogel des Jahres. Außerdem wurde der Montag als Wochenanfang festgelegt – „ausgerechnet der verwarzteste Tag der Woche“ und außerdem lägen „Montage viel zu nah aneinander“. Aberwitzig ließ er sich über Künstliche Intelligenz und Chatbots aus. „Wenn man Scheiße lange rührt, wird kein Marzipan daraus“, stellte er entlarvend fest.
Gags im Staccato-Rhythmus, Dauerlachen inklusive. Mit Erkenntnissen über die Corona-Pandemie, die damit verbundenen Verschwörungstheorien und der „grenzdebile Aberglaube dummer Minusgruppen“ ging es weiter zum „Homehoming“ und dem „Locke down“ – also dem Friseur im Haus -, bis zum Niesen in die Armbeuge – „warum nicht in die Armbeuge des Nachbarn“ und zum Arztbesuch wegen des Bluthochdrucks, der übrigens Mücken, die sich an seinem Blut laben, prompt platzen lässt.
Auch der ärztliche Rat, es mit Sport zu versuchen, gefalle ihm gar nicht – und schon lässt Malmsheimer ein Wortgewitter gegen das Radfahren los. „Körper und Geist leben rein zufällig im gleichen Hautsack“, stellte er fest. Weiter ging es – manchmal wild gestikulierend und gar brüllend – mit dem „Ihh-Bike“, zudem sei „Gutes Rad teuer“ – eine der typischen Sprachabsurditäten die Malsmheimer einmal mehr vom Stapel ließ. Dann ging es auch dem Radler-Outfit an den Kragen, gepaart mit dem sich im Hinterteil festsaugenden Sattel – eine schlechte Kombination.
Bei dem überaus witzigen Dialog mit einem „Fan“, der ihn fragte: „Sind sie nicht der Kavallerist?“, „Ja, genau, der Kavallerist“, musste Malmsheimer über die eigenen Gags lachen, zeigte sich mit starken Dialogen in unterschiedlichen Stimmlagen als Sprachgenie und Schauspieltalent.
Das toppte er gar noch, als er nach Fahrradsturz im Krankenhaus in „Bettenhaft“ aufwachte – „war nicht Gutenberg der Erfinder des Blutdrucks?“ und sich „der Gesamtwerk“ und schließlich noch sein Unvermögen zu ihm gesellten, um im wilden Absurdistan sich mit ihm zu unterhalten. Wobei: das Unvermögen konnte sich nicht artikulieren, sondern nur unverständliches Sprachgeblubber von sich lassen. Den schizophrenen Zwist verstand Malmsheimer aber sensationell und aberwitzig darzustellen. So landet er vom Wetter („Das Wetter ist durch die tägliche Vorhersage humoristisch ausgereizt.“) über die Kunst beim „Erwinismus“, suchte den Sinn im Unsinn und erinnerte mit seinen skurrilen Absonderlichkeiten an den britischen Humor wie ihn etwa die Monty-Python-Truppe so vorzüglich umzusetzen verstand.
Als Abschiedsworte gabe Jochen Malmsheimer dem Publikum noch folgende Weisheit auf den Weg: „Auf das der Wind in euren Rücken nie euer eigener ist“.