Mitte 2023 erhält Verena Welschof eine Nachricht, die keine Hoffnung mehr lässt: Bauchspeicheldrüsen-Krebs, der gestreut hat. Die Leber ist schon befallen. Eine Palliativ-Therapie gilt als einzige Option. Mehr scheint nicht möglich. Ein bisschen die Lebenszeit verlängern, die Heirat des Sohnes im Spätsommer in Griechenland noch miterleben. Das schreibt Verena Welschof ihrer Freundin Gisela Steinhauer. Beide kennen sich seit der 5. Klasse auf dem Gymnasium in Aachen. Sie schworen sich „ewige Freundschaft“, stehen bis heute in Kontakt mit monatelangen „Sendepausen“. „Sobald wir uns trafen, war die alte Vertrautheit wieder da“, schreiben sie auf das Cover.
Als Jule und Paula spiegeln sie in dem Buch ihre Korrespondenz, den Austausch, die Anteilnahme, die viele Post per WhatsApp oder Mail. Während Jule sich mit dem Prozess des Abschiednehmens konfrontiert sieht, geht für Paula das Leben weiter. Dabei stellt Gisela Steinhauer fest, „dass man sich über Kinkerlitzchen ärgert“, während es für ihre Freundin ums nackte Überleben geht. Bei einem Strandspaziergang kommt die Journalistin, bekannt durch die WDR-Sendung „Sonntagsfragen“, auf die Idee, aus dem digitalen Austausch ein Buch zu machen. „Verena ist für die klugen Gedanken zuständig, ich für die Kinkerlitzchen“, beschreibt sie beim „Meet & Greet“ die Rollenverteilung im Buch.
„Situation annehmen“
Aus der Idee wurde innerhalb eines halben Jahres ein Buch. Ein Schlaglicht auf eine Lebenskrise, tragisch, traurig einerseits, heiter und zuversichtlich andererseits. „Wir haben den Vorteil, dass wir uns 54 Jahre kennen. Da lernt man sich richtig gut kennen“, sagt Gisela Steinhauer. Beide stellen sich einem Thema, über das man nicht gerne spricht. Auf 140 Seiten zeigen sie aber auch wie wichtig Vertrautheit und Empathie sind – um miteinander zu lachen, aber auch Krisen zu bewältigen. Ein Rezept: die Situation annehmen.
Der Umgang mit der Krankheit, die Offenheit und Klarheit, die Verena Welschof im Umgang mit der Bedrohung an den Tag legt, kommt bei der Lesung am Abend in der Jesus-Christus-Kirche an. Materielles werde unwichtig, so Verena Welschof. Bedeutsam werden Zuneigung, Liebe, kleine Gesten, Umarmungen, die sie getragen haben. Mehrfach zollen die Zuhörer in den voll besetzten Bänken Respekt, applaudieren. Eine akustische Umarmung, empathisch wie eine physische.