Am 20. Dezember des letzten Jahres erledigt eine Frau bei Lidl in Halver ihren Einkauf. Als sie die erworbenen Waren in ihrem Kofferraum verstaut, wird sie von einem Unbekannten angesprochen. Und das sehr forsch, wie die 42-Jährige als Zeugin im Amtsgericht Lüdenscheid aussagt. Wann immer sie sich habe wegdrehen wollen, habe der Mann sie am Arm gepackt. War das ein Ablenkungsmanöver, damit ein Komplize unbemerkt an die Handtasche der Frau gelangen konnte?

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Der Verdacht drängt sich auf. Denn: Bei anschließenden Einkäufen in Schalksmühle fällt der Frau auf, dass ihre EC-Karte fehlt.

Jemand hatte sie aus dem Portemonnaie, das sich in einem Seitenfach ihrer Handtasche befunden hatte, gestohlen. Schockiert sperrt die 42-Jährige sofort die Karte – zu spät.  Bei der Kontrolle des Kontos stellt die Geschädigte fest, dass einige Zahlungen in Geschäften sowie eine Abhebung am Automaten an der Bahnhofstraße in Halver getätigt worden waren. Den Betrag kann die Frau dem Gericht aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr nennen. Aus der Prozessakte ergeben sich 1500 Euro.

Geführt wird die Verhandlung gegen einen 38 Jahre alten Mann aus Rumänien. Diesen erkennt die Geschädigte nicht als denjenigen wieder, der sie angesprochen hatte. Der Angeklagte gibt an, die Geldbörse mit der Karte neben dem PIN gestohlen zu haben: „Ich war unter Drogen. Ich habe den Moment abgepasst, als die Frau mit jemandem geredet hat. Da habe ich die Geldbörse genommen.“ „Und der Mann, der mit ihr geredet hat, gehörte nicht zu Ihnen“, fragt der Richter. „Das weiß ich nicht“, antwortet der Angeklagte.

Das mit dem PIN im Portemonnaie kann nicht sein, erklärt die Zeugin. Erstens habe nur die Karte und nicht das ganze Portemonnaie gefehlt. Zweitens habe sie ihren PIN nirgends aufgeschrieben. „Ich habe ihn im Kopf“, beteuert die 42-Jährige. Sie vermutet, der Angeklagte habe den PIN irgendwie ausgespäht, als sie ihn an der Kasse ins Kartenlesegerät eingegeben habe.

Doch wie ist der Angeklagte überhaupt ins Visier gekommen? Beim Abheben des Geldes war er von der Kamera am Automaten sehr gut erkennbar aufgenommen worden. Ebenso wie bei den zahlreichen anderen Abhebevorgängen, die der Mann unter anderem in Torgau, Steinfurt, Bonn, Hamm, Gelsenkirchen, Wuppertal und Recklinghausen vorgenommen hatte. Jedes Mal handelte es sich um gestohlene Bankkarten. Offenbar mit einer sogenannten „Reisende-Täter-Fahndung“ gelingt es der Polizei, den Mann zu schnappen.

Er hat zwölf Eintragungen im Vorstrafenregister. Davon ein Urteil wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Bei dem Rest handelt es sich um Suchvermerke im Zusammenhang mit den ganzen Geldabhebungen. Der Richter will wissen, seit wann der 38-Jährige in Deutschland ist, und warum. „Ich wollte hier arbeiten und dann kam das mit der Drogensucht. Seit vier Jahren konsumiere ich Heroin und Kokain. Ich hatte vorher schon eine Sucht. Ich war nur kurz davon weg“, erklärt der Mann. In dem ihm zustehenden letzten Wort verspricht er: „Ich mache das nie wieder.“

Das Gericht verurteilt den Angeklagten schließlich wegen der Nutzung der EC-Karte wegen Betrugs zu 1500 Euro Geldstrafe. Zudem wird die Staatsanwaltschaft versuchen, den abgehobenen Betrag bei dem Mann einzutreiben. Der Richter sieht den Betrug als erwiesen an. Wie der Mann an Karte und PIN gelangt war, sei hingegen nicht aufzuklären.