Es ist 18.30 Uhr am Montag, 20. März. Christine Gassmann-Berger schließt persönlich die Eingangstür ab, nachdem der letzte Kunde das Kaufhaus an der Hauptstraße verlassen hat. Nach nunmehr 54 Jahren. Eröffnet wurde es 1969, erbaut vom Vater der heutigen Gassmann-Chefin.

Warum der Wittener Kaufhausbetreiber ausgerechnet in Meinerzhagen sein zweites Haus aufbaute, ist nicht ganz sicher. „Meine Eltern waren öfter zum Skifahren im Sauerland“, erinnert sich Christine Gassmann-Berger. Vermutlich habe er dabei an diesem Standort Bedarf gesehen. Und offenbar richtig gelegen.
Erst in den vergangenen Jahren ist der Betrieb unrentabel geworden, hat rote Zahlen geschrieben. Im Gegensatz zum Stammhaus in Witten und der später noch eröffneten Filiale in Essen. Zu den beiden Standorten im Ruhrgebiet wird in den kommenden Tagen auch die noch verbliebene Ware gebracht, die trotz der offensiven Abverkaufsaktionen keine Käufer fand.
„Lederwaren waren sofort weg“
Viel ist es nicht mehr, geschätzt 80 Prozent der Ware fand noch den Weg in die Haushalte der Umgebung. Da staunt die Chefin angesichts der leeren Regale, und kann sich trotz melancholischer Stimmung ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Lederwaren waren sofort weg, wir haben keinen einzigen Koffer mehr übrig“, stellt sie fest.
Der letzte Kunde, ein junger Mann, kaufte Socken und ein Regencape. Typische Artikel, die im „Gassmann“ durchaus beliebt waren. Doch damit ist nun am Meinerzhagener Standort Schluss. Am letzen Öffnungstag kamen durchaus noch viele Kunden ins „Gassmann“, mancher wohl auch nur, um sich zu verabschieden.

Kaufhaus-Schließungen sind immer wieder Themen in den überregionalen Nachrichten, auch ganz aktuell wieder. Meist sind große Handelskonzerne betroffen, Investoren geben sich die Klinke in die Hand. Ob diese sich stets so betroffen zeigen, wie Christine Gassmann-Berger, dürfe bezweifelt werden. Sie macht keinen Hehl daraus, dass auch viel Herzblut in dem Haus steckt. Bereits ihre Großeltern waren Kaufleute. Sie ist damit aufgewachsen. Das Handelsunternehmen war Familienbetrieb, keine „aalglatte Aktiengesellschaft“.
Die Angestellten müssen sich einen neuen Job suchen, sofern sie nicht schon wieder Arbeit gefunden haben. Eine Verkäuferin, die im Obergeschoss unter anderem Bücher verkauft hat, wirkte, als wenn sie seit Jahrzehnten im Gassmann tätig sei, sprichwörtlich „zum Inventar gehöre.“ Dabei hat sie erst seit einem Jahr hier gearbeitet – und hätte es gerne bis zur Rente getan: „Ich bin fast 60, da ist es nicht so einfach, was zu finden.“ Kleinkriegen will sie sich nicht lassen. Als sie zuvor nach 22 Dienstjahren bei einem Discounter aufhörte, habe sie auch nur nach vorn geschaut.








Die Umstände, die zur Schließung des Meinerzhagener Gassmann führten, bedeuten für die Chefin allerdings auch eine deutliche Entlastung. Auch das Thema „Brückensperrung“ spielt hier mit rein. Jede Woche sei sie einmal in der sauerländischen Filiale gewesen, und habe pro Strecke 40 Minuten gebraucht, erzählt Gassmann-Berger. Zuletzt hätte sie mehr als doppelt solang benötigt. Da zumeist auch eine Angestellte mitgefahren sei, wäre das durchaus eine Kostenfrage gewesen.
Das Ausräumen beginnt zeitnah
Die Angestellten wirkten am Montag, als wäre ein normaler, wennauch anstrengender Arbeitstag zu Ende gegangen. Kurz vor Ladenschluss wurde die Rolltreppe abgeschaltet. Ob die sich in den kommenden Tagen noch viel bewegen wird, ist fraglich. Das Ausräumen soll zeitnah beginnen. Wieviel vom Gebäude erhalten bleibt, wird die Zukunft bringen. Es ist bereits verkauft, die Planung für die neue Nutzung ist in vollem Gange. Bis dahin muss die Stadt Meinerzhagen aber erstmal verdauen, dass sie eine wichtige Einkaufsmöglichkeit verloren hat.