Der Mannschaftssport nennt sich zwar American Football, aber ich bin nicht in Amerika, sondern in Lüdenscheid. Lightnings (Blitze) nennt sich die ortsansässige Abteilung American Football des Lüdenscheider Turnvereins von 1861. Montagabend ist Trainingszeit. Ich will aber nicht nur daneben stehen und zuschauen, sondern den Sport – zumindest in Ansätzen – erleben, fühlen spüren.
Meiner Anfrage, am Training aktiv teilzunehmen – soweit es meine nicht vorhandene Kondition zulässt – wurde seitens des 1. Vorsitzenden Chris Tremmel zugestimmt.
Doch bevor ich in die Montur schlüpfe, gibt es vorab eine Menge Informationen, die mit denen, die ich während der verschiedenen Trainingseinheiten mit auf den Weg bekomme, definitiv ein Buch füllen würden. Touchdown und Quarterback kenne ich ja noch, aber Begriffe wie Interception, Fumble (beides Ballverluste) oder Receiver (Fänger) sind mir neu und erfordern Erklärungsbedarf.

Auch die Einweisung durch Chris Tremmel, wie sich der Sportler verhalten sollte, ist wichtig: „Du solltest unbedingt darauf acht, immer die Körperspannung zu halten und den Kopf in den Nacken zu legen. Das ist eine natürliche Blockade. Außerdem schützt die Körperspannung Kopf und Nacken, da die Spieler von der Schulter bis oberhalb der Knie attackiert werden können. Aber keine Angst – es gibt viele Sonderregelungen zum Schutz der Spieler. No-Go’s sind etwa: in den Helm greifen, den Kopf attackieren oder von hinten in die Beine“, erläutert Tremmel.
Dann bekomme ich eine Montur übergestreift – um Brust und Schulter zu schützen – und einen Helm aufgesetzt, einen Mundschutz hatte ich mir vorher besorgt – da Chris Tremmel im Vorfeld betonte: „Den möchtest du dir nicht ausleihen“. „Du bekommst ein gelbes Trikot, damit du von allen erkennbar bist und die Spieler etwas Rücksicht nehmen“, heißt es.

„Wenn der Trainer pfeift, geht es aufs Spielfeld, egal wie das Wetter ist“, stellt Tremmel fest. Heftige Regenschauer prasseln aufs Spielfeld. Es gießt in Strömen; der Trainer pfeift – also ab aufs Feld.
Zunächst warmlaufen. Da merke ich schnell, dass ich etwa so fit wie eine Eimer Wasser bin – egal ob als Corona-Folge oder jahrelanger sportlicher Untätigkeit. Immerhin kann ich pausieren, indem ich nach Luft schnappend behaupte: „Ich mache mal ein paar Fotos.“

Danach folgen weitere Aufwärm- und Dehnungsübungen. Da zieht’s schnell in den Oberschenkeln – und ich weiß jetzt schon: Muskelkater ist mir gewiss. Auffallend bei den Übungen, die in einer Dreiergruppe nacheinander absolviert werden: der Team-Geist. Denn hier wird sich nach jeder Übung abgeklatscht. Bei den Sprint-Übungen entscheide ich mich, wieder „Fotos“ zu machen.

Nach den Lockerungsübungen bilden die Spieler einen Kreis. Ich soll in die Mitte und finde mich tatsächlich mitten in einer brüllenden Horde wieder, spüre aber sofort wieder den faszinierenden Team-Geist.
Immerhin hat der Regen aufgehört und die Sonne scheint sogar durch die Wolken. Ich werde permanent mit Informationen gefüttert, habe aber natürlich keinen Block dabei, um mir Notizen zu machen. Immerhin kenne ich als ehemaliger Filmkritiker durch einige Spielfilme, die sich – manchmal auch nur am Rande – mit Football beschäftigen, ein paar Grundzüge des Spiels, merke aber schnell, dass ich die enorme Komplexität des Ganzen deutlich unterschätzt habe. Die Bemerkung des Sportreporters Frank Buschmann Football sei wie „Schach mit Kühlschränken“ trifft die Sache ziemlich gut. Obwohl ich die „Kühlschränke“ noch um das Adjektiv „bewegliche“ ergänzen würde.

Denn die Trainingsversuche, bei denen die „Kühlschränke“ umspielt werden sollen, scheitern oft daran, dass sich die Defense-Spieler bewegen und einen einfach nicht vorbei lassen wollen. Dann geht es daran, selbst ein „Kühlschrank“ zu sein und gleich der dritte Offense-Spieler rammt mich um und ich glitsche über den Kunstrasen.
Schnell kommt mir die Einweisung vor dem Training in den Sinn und ich weiß: ich habe alles ignoriert, was mir Chris gesagt hatte. Ein schlechter, unstabiler Stand, keine Körperanspannung und zack – geht’s zu Boden. Aber leichte Schrammen und Prellungen gehören wohl dazu – ich wollte es ja nicht anders.

Weiter geht es mit Werfen und Fangen – auch das ist mit dem seltsamen Ei-Ball gewöhnungsbedürftig. Erst als mir klar wird, dass die Wurftechnik eine ähnliche ist wie beim Speerwurf funktioniert es besser.
So wird mir immerhin nach einigen Würfen ab und zu ein wohlwollendes „gut geworfen“ attestiert. Und das „Ei“ zu fangen, klappt nach einigen Versuchen auch einigermaßen gut. Schwierig hingegen: den Ball zu kicken. Denn dabei ist der richtige Winkel schwer zu treffen.

Anschließend werde ich noch Zeuge von einigen findigen Spielzügen. Der Quarterback (so eine Art Kapitän und Spielmacher) schaut auf sein Wristband und erklärt den kommenden Spielzug in einer eigenen Sprache – so wissen Gegenspieler nicht, was passieren soll und können nur spontan reagieren.
Spätestens jetzt wird klar: Die Möglichkeiten der Spielzüge sind – wie beim Schach – nahezu unendlich. Spannend zu beobachten, dass die meisten – trotz guter Abwehrarbeit – auch funktionieren.

Zum Abschluss kommen alle zusammen – Stichwort: Team-Geist – und der Trainer bedankt sich für das gute Training und weist auf das kommende Spiel hin: „Mit Iserlohn haben wir noch eine Rechnung offen“.

Und ja: obwohl ich nur ansatzweise das Training mitgemacht habe, spüre ich noch Tage später den Muskelkater und die Prellungen. Trotzdem: es war extrem kurzweilig und hat wirklich enormen Spaß gemacht. Und nein: eine Anmeldung habe ich (noch) nicht unterschrieben.
Fotogalerie:













