Wenn aus einem ästhetischen Problem eine schmerzhafte Krankheit wird
Der Hallux valgus, die Abweichung der Großzehe, ist eine der häufigsten Fußfehlstellungen – wenn nicht sogar die häufigste. Vorwiegend sind Frauen betroffen. Der Grund: Hohe Absätze und spitz zulaufende Schuhe sowie ein weicheres Bindegewebe begünstigen die Entwicklung der Fehlstellung. Nicht jeder Hallux valgus wird jedoch gleich behandelt. „Der Hallux valgus tritt in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Daher ist ein differenziertes Vorgehen in der Behandlung mit unterschiedlichen OP-Techniken gefordert“, erklärt Andrea Knichel, Leitende Ärztin der Fuß- und Sprunggelenkchirurgie an der Sportklinik Hellersen. Sie hat sich auf die Behandlung von Erkrankungen der Füße und des Sprunggelenks spezialisiert.
Neben den Korrekturen der Kleinzehen und Achillessehnenrekonstruktionen gehört die Korrektur des Hallux valgus zu den häufigsten Eingriffen in der Fußchirurgie. Im Jahr 2022 machten diese allein 180 Eingriffe in der Sportklinik Hellersen aus.

Hallux valgus wird oft vererbt
Beim Hallux valgus wird die Großzehe durch die gleichzeitig zunehmende Verkürzung der Strecksehne, wie bei einem Bogen, in Richtung der Nachbarzehe gezogen. Die Kleinzehen werden in ihrer Position verdrängt. Es entstehen die typischen Krallen- oder Hammerzehen, bei denen dann auch schmerzhafte Schwielen auf den Zehen oder unter dem Fuß an der Fußsohle entstehen. Das führt zu Vorfußschmerzen im Schuhwerk beziehungsweise im Barfußgang. „Es handelt sich um eine familiär disponierte Krankheit. Das heißt, sie wird oft von der Mutter, seltener durch den Vater, an die Kinder weitergegeben“, erklärt Andrea Knichel. Die Fehlstellung lässt sich daher bei bestehender Veranlagung meistens nicht ganz verhindern. Das Ausmaß der Fehlstellung und die damit verbundene Schmerzentwicklung ist jedoch beeinflussbar.
Um die Fehlstellung gar nicht erst entstehen zu lassen, müssten wir von Kindesbeinen an barfuß laufen. Völker, die barfuß laufen, haben kaum Vorfußfehlstellungen. Da dies in unserer Gesellschaft nicht möglich ist, ist ein passendes Schuhwerk ohne Einengung der Zehen zur Vorbeugung der Fehlstellung wichtig. „Schon bei Kindern sollten die Eltern darauf achten, dass die Füße beim Schuhkauf richtig ausgemessen werden – sowohl in der Länge als auch der Breite. Nur in passendem Schuhwerk kann der Fuß gerade wachsen. Ein gutes Fußbett ist ebenfalls wichtig. Für die Erwachsenen gilt zudem: hohe Absätze mit spitz zulaufendem Schuh sind Gift für die Füße“, erklärt die leitende Ärztin in der Sportklinik Hellersen.
Das richtige Schuhwerk kann Schlimmeres verhindern
Wie viele Fehlstellungen, macht sich der Hallux valgus schleichend bemerkbar. Während anfangs eventuell die Fehlstellung nur als ästhetisches Problem wahrgenommen wird, ist bei zunehmender Deformierung auch mit zunehmenden Schmerzen zu rechnen. Es beginnt mit Druck über dem großen Ballen im Schuhwerk oder wird über eine eingesteifte Krallenzehe der verdrängten Nachbarzehe im Schuh problematisch. „Der Hallux stört zu dem Zeitpunkt vielleicht noch gar nicht, aber er unterwandert die Kleinzehe und drückt diese nach oben gegen den Schuh“, erklärt die Ärztin. Mit der Zeit wird das Großzehengrundgelenk immer weniger beweglich und entwickelt einen zunehmenden Verschleiß – eine Arthrose.
Sobald Schmerzen auftreten, sollten Betroffene einen Orthopäden aufsuchen. In seltenen Fällen kommt es zu einer deutlich zunehmenden, aber schmerzfreien Fehlstellung. Auch dann gilt die Empfehlung, einen Spezialisten aufzusuchen, da der Gelenkverschleiß mit zunehmender Fehlstellung ebenfalls zunimmt. Eine folgenreichere Operation mit einer Gelenkversteifung kann bei frühzeitiger Behandlung vermieden werden. Bei einer genauen klinischen Untersuchung mit Analyse des Gangbildes in Verbindung mit einem Röntgenbild wird die Situation beurteilt und anschließend ein individuelles Behandlungskonzept erstellt.
Gelenkschonende Verfahren sind nur bei frühzeitigem Eingriff möglich
Die Behandlung beginnt zunächst konservativ mit Gymnastik zur Kräftigung der Fußmuskulatur und dem Erhalt der Gelenkbeweglichkeit. Schuheinlagen sollen den sich verändernden Fuß betten, sodass sich dieser im Schuh gerade ausrichtet. Dies verzögert eine Zunahme der Fehlstellung. Eine fortschreitende Fehlstellung ist nur operativ zu beheben. Hier gilt: bei einer frühzeitigen Operation kann ein gelenkschonendes Verfahren eingesetzt werden. Diese sind in der Nachbehandlung weniger schmerzhaft. Insbesondere kann so ein frühzeitiger Gelenkverschleiß verhindert werden. „Wartet der Betroffene zu lange, können häufig nur noch gelenkversteifende Operationen zur stabilen Korrektur eingesetzt werden. Zudem ist dann nicht nur die Großzehe betroffen, sondern immer mehr Kleinzehen werden in ihrer Fehlstellung schmerzhaft. Die Nachbarzehen müssen dann ebenfalls korrigiert werden, was zur Folge hat, dass es nach dem Eingriff zu einer erheblichen Schwellung des Fußes mit einer Verminderung der Durchblutung kommt. All das bedeutet deutlich mehr Schmerzen und auch eine Verlängerung der Heilphase“, erklärt Andrea Knichel.
Mittlerweile gibt es viele verschiedene Arten, einen Hallux valgus zu operieren. Ziel der Operation ist, die Großzehe zu richten, um die normalen anatomischen Verhältnisse wieder herzustellen und die Schmerzen zu beseitigen. Dies gelingt nur mit knöchernen Korrekturen. Das heißt, ein Knochen muss durchtrennt und anschließend in der begradigten Form wieder zusammengefügt werden. Dies erfolgt mit Schrauben oder Platten oder beidem. Man unterscheidet gelenkerhaltende von gelenkversteifen-den Verfahren. Dies ist abhängig vom Ausmaß der Zehenfehlstellung, aber auch von der Fußstellung insgesamt. Ein Hallux valgus bei Plattfußstellung muss aufwändiger korrigiert werden.
In der Sportklinik Hellersen kommen für die einfachen Korrekturen die Chevron-Osteotomie, die Scarf-Osteotomie und die Akin-Osteotomie als gelenkerhaltende Verfahren zum Einsatz. Fortgeschrittene Fehlstellungen, insbesondere bei Spreizfuß und Plattfußstellung, werden mit einer Lapidus-Arthrodese korrigiert. Bei zusätzlich schon erkennbarem Gelenkverschleiß ist die Großzehengrundgelenk-Arthrodese erforderlich – beides gelenkversteifende Eingriffe.
Sportklinik Hellersen
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