Notfallseelsorger werden immer dann gerufen, wenn Menschen durch plötzliche Ereignisse aus ihrem Alltag gerissen werden. Etwa bei schweren Unfällen, Naturkatastrophen oder auch wenn unerwartet ein geliebter Mensch verstirbt. Ihre Aufgabe ist es dann, die betroffenen Personen emotional zu unterstützen.
Anspruchsvolle Arbeit, professionelle Ausbildung
In Breckerfeld gibt es „erst“ seit zehn Jahren ein eigenes Team von Notfallseelsorgern. Aktuell sind es acht Frauen und Männer, die sich für diese Tätigkeit haben ausbilden lassen: „Unsere Arbeit ist anspruchsvoll und erfordert sowohl psychologische Kenntnisse als auch Empathie und Professionalität“, erzählt Ingo Janzen im Gespräch mit LokalDirekt. Janzen leistet seit 26 Jahren Notfallseelsorge und ist als Regionalpfarrer für sechs Kirchenkreise verantwortlich, in denen er die jeweiligen Teams vor Ort koordiniert.
Etwa 100 Stunden dauert die Ausbildung für die Ehrenamtlichen. Sie beinhaltet unterschiedliche Themenblöcke wie Seelsorge bei Suizidfällen, plötzlichen Kindstod, schweren Autounfällen oder das Überbringen von Todesnachrichten. „Hinzu kommen regelmäßige Fortbildungen, unter anderem an der Ruhr-Uni Bochum“, so Janzen. „Und trotzdem kann man sich nicht pauschal vorbereiten“, ergänzt Teamleiterin Claudia Greßhöner. Denn wenn die für Breckerfeld zuständige Rettungseinsatz-Leitstelle in Schwelm Notfallseelsorger anfordert, erhalten diese lediglich einige wenige Vorabinfos, Eckdaten wie den Einsatzort zum Beispiel. „Wir gehen dann in die Situation rein, verschaffen uns einen Überblick, um dann die betroffenen Menschen individuell in der aktuellen Situation stabilisieren zu können.“

„Wir wollen niemanden bekehren“
Gerd Nowak, der das Team zirka acht Jahre unterstützt hat, betont: „Der Begriff Notfallseelsorger wird oft mit kirchlicher Seelsorge in Verbindung gebracht – und ja, es ist eine kirchliche Einrichtung, aber wir alle sind nicht angetreten, um Menschen zu bekehren.“ Es stehe immer der Mensch im Mittelpunkt, unabhängig von seiner Konfession: „Empathie und Authentizität sowie auch eine analytische Vorgehensweise sind in Notfallsituationen wichtig, damit wir richtig reagieren können.“
Schweigepflicht
Dabei arbeiten die Notfallseelsorger eng mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst zusammen: „Manchmal sind wir aber auch Vermittler zwischen diesen Institutionen und den Betroffenen“, sagt Ulrike Krokowski und schaut wissend in die Runde ihrer Teamkollegen. Aus dem berüchtigten Nähkästchen plaudern dürfen sie nicht: „Wir unterliegen der Schweigepflicht“, betont Ines Möller, die seit acht Jahren Menschen in Ausnahmezuständen betreut. Lediglich in ihren quartalsmäßigen Teambesprechungen können sie sich untereinander über das Erlebte austauschen, und auch dann nur ‚anonymisiert‘ über ihre Fälle erzählen.
Erlebtes reflektieren
Was aber, wenn der akute Belastungszustand anderer Menschen die Nofallseelsorger selbst belastet? „Zum einen haben wir dafür unsere Teamsitzungen“, sagt Ingo Janzen. Zum anderen stehe auch ihnen ein Supervisor zur Seite, um die eigene psychische Balance zu erhalten. „Besonders schwer fallen uns immer Einsätze, bei denen Kinder betroffen sind oder ein junger Mensch verstorben ist – das verpackt man auch nach 26 Jahren nicht so leicht.“ Claudia Greßhöner sagt, ihr habe es – wenn „der Kopf einfach nicht zur Ruhe kam“ – manchmal geholfen, den Einsatzbericht zu schreiben, um das Gehörte und Gesehene besser reflektieren und verarbeiten zu können.
Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse
Müsste sie ihre ehrenamtliche Tätigkeit in wenigen Worten beschreiben, dann falle ihr spontan ein: „Wir leisten ‚Erste Hilfe‘ für die Seele“, sagt die Teamleiterin – und ihre Kollegen nicken zustimmend. Und dabei sei es vollkommen unterschiedlich, was Menschen in einer akuten Belastungssituation am meisten brauchen: Während es dem einen helfe, dass der Notfallseelsorger einfach nur schweigend neben ihm sitzt, suche ein anderer das Gespräch. Kindern, vor allem kleineren, könne oftmals durch Ablenkung geholfen werden: „Ein Malbuch, ein Spiel, Süßigkeiten oder ein Plüschtier – Kinder lassen sich mental häufig schon durch Kleinigkeiten aus der beängstigenden Situation führen“, sagt Greßhöner und erklärt damit zugleich die Dinge, die sie für das Gespräch mit LokalDirekt aus dem sogenannten Notfallseelsorge-Rucksack ausgepackt hat.

Dank Spenden jetzt mehr Notfallseelsorge-Rucksäche
Neben Süßigkeiten und Spielzeugen breiten sich auf dem Tisch weitere Sachen aus, die auf den ersten Blick eigentlich nicht nach „Notfall“ im klassischen Sinn aussehen: Regenschirm, Schnuller, Kaugummi, eine kleine Flasche Coca Cola, ein Teelicht sowie eine Schachtel Zigaretten samt Feuerzeug: „Die Frage nach einer Zigarette ist wohl eine der häufigsten, die ich in den vergangenen acht Jahren bei einem Einsatz gehört habe – selbst von Nichtrauchern“, lacht Ulrike Krokowski.
Bis vor kurzem standen dem achtköpfigen Team der Breckerfelder Notfallseelsorge lediglich zwei dieser Rucksäcke zur Verfügung: „Unsere Bereitschaftsdienste gehen jeweils von Sonntag bis Sonntag, wir mussten die Rucksäcke also immer reihum an den jeweils Diensthabenden weitergeben“, erzählt Claudia Greßhöner. Dass dies nun nicht mehr notwendig ist, sei einer großzügigen Spende zu verdanken: „Nachdem wir einen Rundruf gestartet haben, zeigten sich einige ortsansässige Unternehmen sehr spendabel“, sagt sie. So haben sowohl die Provinzial- als auch die LVM-Versicherung, die Sparkasse an Ennepe und Ruhr ebenso wie die Märkische Bank, die Hanse-Apotheke und auch die katholische Kirchengemeinde mit Sach- und Geldspenden dazu beigetragen, dass der Notfallseelsorge in Breckerfeld nun weitere gefüllte Rucksäcke für ihre wichtige Aufgabe zur Verfügung stehen.

Zweckgebundene Spenden möglich
Denn Fakt ist: Das für Menschen in Notlagen kostenfreie Hilfsangebot der Notfallseelsorge finanziert sich ausschließlich über Spenden. Einmal jährlich werde zum Beispiel auch ein Gottesdienst gehalten, dessen Kollekte explizit hierfür bestimmt ist: „Selbstverständlich können alle, die uns unterstützen wollen, dies auch unabhängig von gesonderten Spendenaufrufen tun“, betont das Breckerfelder Team. Möglich ist dies per Banküberweisung einer – und das ist wichtig – zweckgebundenen Spende zugunsten der Notfallseelsorge auf das Konto der Evangelischen Jakobus-Kirchengemeinde, IBAN DE61 4545 1060 0008 6451 78, bei der Sparkasse an Ennepe und Ruhr.
Die acht Breckerfelder Notfallseelsorger sind davon überzeugt, dass Mitgefühl und Nähe in den schwersten Momenten, in Schock- und Krisensituationen eine große Hilfe für die Betroffenen sein können: „Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Ruhe und Stabilität zu bringen“, betonen sie. Indem sie zuhören, trösten, Hände halten – und einfach da sind, wenn sie gebraucht werden. Ehrenamtlich, unentgeltlich und als Zeichen der Menschlichkeit.