Ohnehin durften die Gäste nicht zartbesaitet sein, weder in der direkten Ansprache, noch in ihrem Verständnis von Humor. Doch Ausbilder Schmidts Truppenbesuch warf seine Schatten voraus, und ganz offensichtlich wussten alle Gäste, worauf sie sich einließen.
Nun ist Ausbilder Schmidt wider Erwarten keineswegs eine Figur, die mit zotigen Bundeswehrwitzen einen ganzen Abend füllt, vielmehr ist Holger Müllers alter Ego gewissermaßen ein Protagonist, dessen Geschichten Raum für aktuelle gesellschaftliche Themen bieten. Dem geschulten Auge fällt auch auf, dass Ausbilder Schmidt nicht in dienstlich geliefertem Kampfanzug auf der kleinen Bühne steht. Das ist aber nebensächlich, denn schnell wird klar: Hinter der harten Schale steckt ein luschiger Kerl, äh, Kern. Der sich über Influenzer und Veganer auslässt, aber nicht verschweigt, dass sein eigener Sohn mit asphaltklebenden Klimaaktivisten sympathisiert. Und mit breitem Grinsen und fetter Zigarre im Gesicht berichtet, welche Folgen der Fitnesstest mit der maskulinen Rekrutin Hermine hatte, „als beim Aufprall mehrere Kasernengebäude ernsthafte Risse bekommen haben“.
Schmidt, der in der Vergangenheit angeblich mit Schulterklappen des Dienstgrades Stabsunteroffizier aufgetreten sein soll, hat aber auch für diesen Frauentyp durchaus Anerkennung übrig, und zieht diesen durchaus in Erwägung, falls das Amt des Verteidigungsministers mal wieder weiblich besetzt würde: „Bei Walters fieser Fresse würde sogar Putin Angst bekommen“, ist sich der Ausbilder sicher. Die Durchsetzungsfähigkeit des bekannten Charakters aus einer in einem Frauengefängnis spielenden TV-Serie sei in der Truppe sowieso nötig, und könne sich positiv auf die Verteidigungsbereitschaft auswirken: „Morgens sind die Pumas fertig, sonst gehen wir zusammen duschen.“ – eine Anspielung auf die aktuellen Ausfallquoten bei den Schützenpanzern der Wehr. „Political correctness“ ist bei Ausbilder Schmidt gewissermaßen mit dem Ritt auf einer Rasierklinge zu vergleichen, quasi Satire am Limit.

Doch das gehört untrennbar zur mehr als selbstironisch angelegten Figur des Ausbilders, der seine Mannschaft stets mit dem obligatorischen „Guten Morgen, Ihr Luschen“ begrüßt, und einräumt, mit seinem Auftreten gegenüber Rekrutinnen und Rekruten ständig das Damoklesschwert der Dienstaufsichtsbeschwerde über sich schweben zu haben. Anders als erwartet, und wenn man Holger Müller aus seinem vor 14 Jahren gedrehten Spielfilm kennt, ist das Thema Bundeswehr keineswegs abendfüllend.
Obgleich Ausbilder Schmidt Panzer als typische Firmenwagen mit Privatnutzung betrachtet, zeigt sich ein tiefsinnigeres Bild als das eines cholerischen Soldaten. Auch andere Facetten kommen ans Tageslicht: Da wird Schmidt zum Familienfreund, der seiner Nichte beim Umzug hilft.
Natürlich nicht ohne Vorschläge, wie mit „300 Diddl-Mäusen und 400 Leonardo-Gläsern“ zu verfahren sei, sondern auch mit fachkundigem Blick bei der Auswahl der neuen Wohnung. Bei deren Besichtigung er sich von seinen Klischees nicht weit entfernt, sondern zum „axtschwingenen Vermieterschreck“ mutiert, der sich noch in seinen Ansichten bestätigt fühlte, nachdem die neue Wohnung bereits in Schutt und Asche gelegt worden ist.
Auch die Gäste des Café Breddermann, von denen nicht wenige bei der Vorstellung Lachkrämpfe bekommen haben, bekamen ihr Fett weg. So wurde ein Zuschauer als „Oberlusche“ entlarvt, nachdem er sich zu den von Oma geschnittenen Apfelspalten bekannte, und später noch mehrfach ins Visier des Ausbilders geriet. Und vom Ausbilder sogar bis auf die Toilette verfolgt wurde, weil er nach der Pause nicht wieder schnell genug an seinem Platz wer. Im Laufe des Abends zog Holger Müller mit blankpolierten Stiefeln, Barett und gelegentlichem Schluck aus der Feldflasche alle Register, und half seinem Publikum zu etwas Langersehntem: Einfach mal zwei Stunden ablachen, alle Sorgen vergessen.
Dazu diente neben der unvermeidbaren Abhandlung über die berüchtigten Hartkekse auch die musikalische Untermalung: Mit dem Radetzky-Marsch wurde die Pause eingeläutet, nach der Zugabe wurde „Preussens Gloria“ gespielt. Unklar ist, ob die anschließend gespielten Titel „In the army now“ und „In the navy“ noch zum Programm gehörten, oder auf das Konto von Gastgeber Christian Bredderman gingen. Thematisch passten sie wie die Faust aufs Auge, außerdem musste der Ausbilder bei Laune gehalten werden.

Nachdem das „entfant terrible“ aller militärischer Organisationen völlig unluschig einer älteren, gehbehinderten Frau mit ihrem Rollator half, stand er bereitwillig für Selfies bereit. Und die hat wirklich nahezu jeder Gast mit ihm gemacht. Darauf war der Ausbilder aber offenbar großzügig eingestellt, und verschenkte zwecks Partnerlook manche seiner Zigarren.
Auch Holger Müller hatte seinen Spaß und fühlt sich auf kleinen Bühnen nach eigenem Bekunden sehr wohl. Und der Erfolg gibt ihm Recht: Bereits in rund zwei Wochen ist er wieder im Café Breddermann zu Gast.
Lesen Sie hier das Interview mit Holger Müller.