Ungewohnte Einblicke in das bis dato eher verschlossene und zuletzt unruhige Innere von Otto Fuchs präsentierten am Donnerstagnachmittag, 25. April, im Rahmen eines Pressegesprächs die beiden neuen Köpfe an der Spitze des Meinerzhagener Konzerns. Die neue Offenheit soll kein Einzelfall bleiben, versprechen Andreas Engelhardt und Dr. Walter Stadlbauer; Transparenz laute vielmehr von nun an die Marschroute – intern ebenso wie in der Kommunikation nach außen.
„Wir sind gekommen, um die Zukunft richtig auszurichten“, schaut Engelhardt nach vorn und betont, dass es nach unruhigen Zeiten im Betrieb wichtig sei, das Vertrauen der Belegschaft zurückzugewinnen. Der Transformationsprozess „Mission One“ solle noch konsequenter aber auch transparenter umgesetzt werden, der Weg dorthin aber auf einem anderen Führungsverständnis fußen, versprechen Engelhardt und Stadlbauer, die sich im Pressegespräch zugänglich, kommunikativ aber auch selbstkritisch zeigen.
„Die Inhaberfamilie hat gesagt, wir brauchen eine Beschleunigung von kurzfristigen Maßnahmen zur Verbesserung der Profitabilität“, fasst Engelhardt seinen Auftrag zusammen. Das bedeutet: Den derzeit schleppend laufenden Automobil-Bereich zu stabilisieren und die erfolgreiche Aerospace-Sparte weiter auszubauen. „Das ist für uns kein Gegensatz, wir brauchen beides. Und unsere Aufgabe ist es, in einem schnelleren Tempo den Kollegen vor Ort dabei zu helfen, diese Dinge erfolgreich umzusetzen.“
Kompetenzzentren als Standortsicherung
Die Gesellschafter hätten mit der Nominierung Engelhardts und Stadlbauers ein Zeichen gesetzt, „dass wir ein Familienunternehmen bleiben wollen und dass wir unsere langjährige Tradition in Materialkompetenz, in Innovation und in Marktpräsenz viel besser nutzen müssen, als das in der Vergangenheit passiert ist“. Es müsse ihnen gelingen, die Veränderungen in der Industrie auch im Unternehmen abzubilden, formuliert Engelhardt die an ihn gerichteten Anforderungen.
Gelingen soll dies mit sogenannten Kompetenzzentren – für den Bereich Automotive ebenso wie für den Bereich Aerospace. Ein Prozess, der die Fach- und Innovationskraft komplexer Anforderungen beider Sparten in Meinerzhagen bündelt, während einfachere Prozesse outgesourct werden. Die internationale Struktur des Unternehmens mit Produktionseinheiten in Ungarn, China, Südafrika und den USA habe schon zuletzt maßgeblich dazu beitragen, dass man Aufträge überhaupt habe halten oder an Land ziehen können, macht Engelhardt die Situation deutlich. „Es muss uns also gelingen, die schwierigen und hochanspruchsvollen Dinge in Deutschland zu machen, dort, wo ich viele Experten und hohe Investitionen brauche.“ Bestimmte Dinge aber, gibt Engelhardt die Richtung vor, würden eben auch nicht mehr in Deutschland gemacht.
Abrücken wolle man entschieden von der zuletzt in Umlauf geratenen Zahl, mehrere hundert Mitarbeiter aus dem Automobil-Bereich entlassen zu müssen. Der geplante und geringere Stellenabbau sehe anders aus, erklärt Engelhardt: „Wir können all denen, die aus dem Automobil-Bereich sind, einen Alternativarbeitsplatz anbieten.“ Fehlende Qualifikation auf anderen Stellen könne durch Weiterbildung abgedeckt werden. Derzeit befänden sich 230 Mitarbeiter im sogenannten Transfer. Interne Bewerbungen seien das A und O.
Am 2. Mai, am Tag des 114-jährigen Bestehens, sollen die ersten Mitarbeiter aus dem Automobil-Bereich in die Sparte Aerospace offiziell wechseln. „Wir müssen abbauen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Automobilbranche hat einfach zu wenig Aufträge“, fasst Engelhardt die wirtschaftliche Situation zusammen. Bis zum Jahr 2026 jedoch dürften keine Verluste mehr im Automobilbereich eingefahren werden.
Wettbewerbsfähigkeit bedeutet auch Veränderung
Die richtigen unternehmerischen Entscheidungen im enthierarchisierten Management vorausgesetzt, werden Stadlbauer und Engelhardt nicht müde zu betonen, wie wichtig ihnen Vertrauen ist: „Auf unser Wort muss man sich verlassen können“. Sie seien nicht gekommen, um alles besser zu wissen. „Wir sind gekommen, mit der unglaublichen Tradition und der höchsten Kompetenz im Markt hier die Zukunft richtig auszurichten.“ Wettbewerbsfähigkeit bedeute aber auch Veränderung.
„Wenn ich ein Unternehmen verändern will, muss ich denen, die daran beteiligt sind, erklären, warum wir das tun müssen. Tue ich das nicht, kann ich nicht erwarten, dass uns unsere Mitarbeiter blind folgen“, greift Engelhardt auf, was in der Vergangenheit im Unternehmen falsch gelaufen ist. Die Bereitschaft, den Transformationsprozess mitzugestalten, sei aber in vielen Gesprächen signalisiert worden, sagt Dr. Stadlbauer. „Wir haben etwas ganz anderes erwartet, als wir hier her kamen. Aber das Management und alle Mitarbeiter sind hochmotiviert. Es ist eine wahnsinnige Energie zu spüren“, betont Stadlbauer. „Wir haben ein unglaubliches Image und wir haben es selbst kaputt geredet.“
Die Anforderungen an das neue Führungstrio sind mannigfaltig: Stabilisierung der wirtschaftlichen Position, vertrauensbildende Maßnahmen innerhalb der Belegschaft, Restrukturierung und Transformation eines Weltkonzerns. Andreas Engelhardt: „Die Tradition, auf der wir gründen, müssen wir in die Zukunft führen – mit den Menschen in Meinerzhagen.“
Am 21. Mai findet eine Betriebsversammlung statt.
Das Führungstrio bei Otto Fuchs
Andreas Engelhardt hat zusätzlich zu seiner jetzigen Verantwortung als persönlich haftender Gesellschafter des Gesamtkonzerns Otto Fuchs Beteiligungen KG und der Schüco International KG in Personalunion die Funktion des persönlich haftenden Gesellschafters der Otto Fuchs KG übernommen.
Die operative Verantwortung als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Otto Fuchs KG wird von Dr. Walter Stadlbauer, Chief Operating und Chief Technical Officer der Schüco International KG, übernommen.
Die neu geschaffene Position des Chief Financial Officers des Gesamtkonzerns Otto Fuchs Beteiligungen KG wird mit Philipp Neuhaus, Chief Financial Officer der Schüco International KG, besetzt.
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