Chefarzt Dr. Oliver Meier klärt über die dreidimensionale Deformität der Wirbelsäule und die Behandlungsmöglichkeiten auf.
Zwei Prozent aller Jugendlichen zwischen zehn und 16 Jahren leiden laut dem Deutschen Skoliose Netzwerk an einer Skoliose – einer dreidimensionalen Deformität der Wirbelsäule. Da das Wachstum im Kindesalter noch nicht abgeschlossen ist, kann die Verkrümmung immer weiter fortschreiten und sich verschlimmern. Je früher die Skoliose festgestellt wird, desto größer ist das Risiko des Fortschreitens.
Als einer der angesehensten Wirbelsäulenchirurgen Deutschlands ist Dr. Oliver Meier, Chefarzt Spezielle Wirbelsäulenchirurgie im Deutschen Wirbelsäulen- und Skoliosezentrum an der Sportklinik Hellersen, Spezialist auf dem Gebiet der Skoliose. In den vergangenen 30 Jahren operierte er mehr als 1.200 Skoliosen – Jugendliche sowie Erwachsene. Viele seiner Patienten kommen aus dem Ausland, insbesondere aus den Arabischen Emiraten, um sich von ihm und seinem Team behandeln zu lassen. In einem Interview beantwortet er alle Fragen rund um Skoliose.
Herr Dr. Meier, welche Erfahrung haben Sie gemacht: Wie häufig kommt eine Skoliose im Jugendalter vor?
Dr. Oliver Meier: Von den genannten zwei Prozent der betroffenen Jugendlichen leidet der Großteil an einer leichten Verkrümmung. Das heißt, hier kann schon viel mit Krankengymnastik und Sport erreicht werden. 15 Prozent leiden jedoch an einer mittleren Skoliose – das heißt zwischen 20 und 30 Grad. Und zehn Prozent haben mit 30 bis 40 Grad eine schwere beziehungsweise mit mehr als 40 Grad sogar eine sehr starke Skoliose. Eine konkrete Ursache für diese Erkrankung ist bisher nicht bekannt. Es wird vermutet, dass eine genetische Komponente besteht. Auffällig ist auch, dass mehr Mädchen als Jungen an einer Skoliose leiden.
Und wie wird die dreidimensionale Verkrümmung festgestellt?
Die meisten Skoliosen fallen bei U-Untersuchungen auf. Aber auch im Sommerurlaub nehmen die Eltern häufiger den einseitigen Rippenbuckel wahr. Skoliosen sind in der Regel schon von außen deutlich sichtbar. Eine klinische Untersuchung und Tests bestätigen dann häufig die Vermutung. Ein solcher Test ist zum Beispiel der Vorneigetest. Wenn sich der Betroffene nach vorne beugt, ist der Rippenbuckel zu sehen und mit dem Skolimeter kann ausgemessen werden, ob eine Skoliose besteht. Wegweisend ist dann das Röntgenbild, um die Gradzahl der Krümmung zu bestimmen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Skoliose?
Dr. Oliver Meier: Zunächst muss man wissen: Je früher die Skoliose beginnt, desto weiter kann sie sich durch das Wachstum verschlimmern. Bis zu einer Krümmung von 20 Grad wird mit Krankengymnastik und Sport behandelt, ab 30 Grad zunächst mit einem Korsett, um die sich noch im Wachstum befindende Wirbelsäule konservativ zu formen. Ab 50 Grad ist eine Operation nötig, allerdings erst, wenn der Patient ausgewachsen ist. Das ist in der Regel mit 13 bis 15 Jahren der Fall. Zuvor wurde meist schon versucht mit einer Korsett-Behandlung der Krümmung entgegenzuwirken.
Leiden nur Kinder und Jugendliche an einer Skoliose?
Dr. Oliver Meier: Nein, auch Erwachsene können eine Skoliose haben. Hier bestehen zwei verschiedene Skoliosetypen. Die Erwachsenen, die bereits als Kind an einer Skoliose litten und damit alt geworden sind und diejenigen, die eine sogenannte Denovo-Skoliose haben. Das bedeutet, dass diejenigen, die Skoliose erst als Erwachsene bekommen haben. Meist ist diese dann aufgrund von Verschleiß entstanden. Ein Großteil der Erwachsenen, die heute mit Skoliose operiert werden, haben eine verschließbedingte Instabilität.
Da die Erwachsenen ausgewachsen sind, ist eine Korsett-Therapie nicht mehr möglich. Hier kann nur mittels Operation die Wirbelsäule wieder in die richtige Form gebracht werden. Das Entscheidende ist bei dieser Art von Skoliose auch weniger die Gradzahl der Krümmung, als vielmehr die Beschwerden, die dem Patienten zu schaffen machen und ihn einschränken.
Wenn die Skoliose festgestellt wurde und sowohl bei ausgewachsenen Jugendlichen als auch bei Erwachsenen die OP-Indikation eindeutig ist, wie läuft dann die Operation ab?
Dr. Oliver Meier: Bei einer entsprechenden Operation wird die dreidimensionale Deformität durch ein sogenanntes Pedikel-Stabsystem korrigiert. Dabei wird jeweils ein Stab links und ein zweiter Stab rechts der Wirbelsäule eingesetzt und durch Schrauben befestigt. In jeden zu korrigierenden Wirbelkörper werden zwei Schrauben eingesetzt, um die Wirbelsäule zu stabilisieren. In der Regel wird in Bauchlage operiert und der Eingriff dauert mindestens drei bis vier Stunden.
Ist es richtig, dass besonders viele Patienten mit Skoliose aus dem arabischen Raum nach Lüdenscheid kommen, um sich in der Sportklinik Hellersen operierten zu lassen?
Dr. Oliver Meier: Das ist richtig. Viele junge Patienten kommen aus Katar und Dubai, da die Ärzte dort nicht selbst eine Skoliose operieren. Und insbesondere für Operationen an der Wirbelsäule ist sehr viel Erfahrung und Expertise wichtig. Deutschland ist in Katar und in den Golfstaaten für seinen medizinisch sehr guten Ruf bekannt. Vor allem, wenn es um Behandlungen des Skelettsystems geht. Häufig kommen die Patienten über persönliche Empfehlungen zu uns nach Lüdenscheid und auch die Botschaft hat die Kontaktadressen einiger Mediziner hinterlegt. Unsere gehört auch dazu.
Was passiert, wenn eine Skoliose nicht behandelt wird?
Dr. Oliver Meier: Wird eine Skoliose nicht behandelt, verschlimmert sie sich immer weiter. Das heißt sie verschlimmert sich auf 70 bis 80 Grad. Patienten können dann Luftprobleme bekommen, weil der Rumpf zu klein ist. Zudem kann die Lungen-Herzfunktion eingeschränkt werden. Daher sollte immer gemeinsam mit einem erfahrenen Mediziner analysiert werden, wie eine adäquate Therapie aussehen kann und welche im individuellen Fall nötig ist.
Behandlungsschwerpunkte bei Skoliose in der Sportklinik Hellersen
- Mitwachsende Systeme bei Jugendlicher Skoliose
- Erwachsenen Skoliose
- Neuromusküläre kogenitale Skoliosen
Sportklinik Hellersen
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