Donnerstag, 15.15 Uhr: Voller Vorfreude rennen die Kinder über den Dorfplatz. Ihr Ziel: Die Räume der Christlichen Versammlung. Von allen Seiten kommen Kinder. Der Vorraum platzt aus allen Nähten – und die Gaderobe auch. Es ist laut und wuselig – dabei sind die Türen gerade einmal 15 Minuten geöffnet. Überall stehen Schuhe, kleine und große. Ein Kind weint, zwei Kinder streiten sich, das eigene Kind findet keinen freien Gaderobenhaken, das andere kleine Kind räumt derweil schon die Snack-Bar ab. Ein fremdes Kind wirft 5 Wasserbecher gleichzeitig runter. Mama ist gestresst. Zu laut, zu voll, zu chaotisch. Durchatmen. Eins nach dem anderen. Kind 1 Schuhe aus und schonmal auf die Reise schicken. Kind 2 einfangen, umziehen und mit ihm gemeinsam das Haus erkunden. Raus aus dem Vorraum.
Und mit dem Verlassen der Gaderobe endet auch der Stress. Es geht rein ins Spieleparadies. Kunterbunt, ein wenig laut aber voller Spaß. Schnell ist klar: Das wird nicht nur für die Kinder ein toller Tag. Die großen erobern die Hüpfburg, die Kleine probiert rückwärts ins Bällebad zu rutschen. Die Kinder strahlen übers ganze Gesicht. „Mama, meine Freundin ist auch da“, erzählt die Große begeistert als sie ganz kurz an mir vorbei zur nächsten Attraktion geht. Eine Freundin? Ich sehe gefühlt die ganze Schulklasse und die ganze Kindergartengruppe – letztere mit Eltern. Die Große darf sich frei im Gebäude bewegen, die Kleine soll Bescheid sagen, wenn sie den Raum wechselt. Ob das klappt? Ein Restrisiko bleibt. Beim Blick auf die zahlreichen bunten Wasserbecher an der Bar sagt dem Mutter-Instinkt, dass das Risiko doch deutlich größer ist als angenommen. Wenn der Tisch fällt, gibt es Hochwasser in Räumen. Beim Blick in die Runde kann sich Mama jedoch definitiv entspannen. Man kennt sich, man kennt die Kinder. Irgendwie passen alle ein bisschen auf. Und so sind gerade meine Tröstfähigkeiten bei einem kleinen Mädchen gefragt, das sich den Kopf gestoßen hat. Schnell bringe ich sie in die tröstenden Arme ihrer Mama – so macht man das halt auf dem Dorf.
Die Kinder sind schon nach wenigen Minuten ins Spiel vertieft. Es haben sich Gruppen gebildet. Für Mama wird es Zeit für einen Kaffee. An der kleinen Bar steht auch Mareike Hohage. „Mega Aktion“, lobe ich und sie strahlt. „Ja, es ist wirklich super. Mit so einem Erfolg hatten wir tatsächlich gar nicht gerechnet“, erzählt sie mir. Wir nehmen uns ein wenig Zeit und sie erzählt mir, wie das Ganze überhaupt zustande kam. „Also lange geplant war das nicht. Es war eine ganz spontane Idee“, erzählt mit die Wiblingwerderin. Gemeinsam mit ihrer Freundin Franziska habe sie einen solchen Spielraum in Iserlohn besucht. „Es war kalt und nass und wir hörten davon. Also sind wir mit den Kindern hin und es war toll. Man kam ins Gespräch“, berichtet sie. Die Organisatorin habe ihr erzählt, dass die Spielsachen von der Barmer Zeltmission stammen. „Und vor allem sagte sie, dass die Spielzeuge danach noch nicht wieder vermietet sind“, erinnert sich Mareike Hohage. Die Wiblingwerderin wurde hellhörig und die fixe Idee war geboren. „Ich habe dann schnell in unserer Gemeinde eine Abfrage gestartet, wer helfen kann und bekam ausreichend Rückmeldungen“, erzählt die Organisatorin. Die Spielgeräte kamen dann von Iserlohn direkt nach Wiblingwerde. Ein etwa 15-köpfiges Team kümmert sich in dieser Woche um den Winter-Spielraum. „Und dann gibt es noch ein paar im Hintergrund, die beispeilsweise Kuchen backen“, freut sich Mareike Hohage. Während wir plaudern und das gesellige Treiben in dem großen Raum beobachten, kommen immer mehr Kinder. 50 bis 70 Kinder sollen es täglich gewesen sein. „Die ersten stehen immer schon um kurz vor drei Uhr vor der Tür. Damit haben wir wirklich nicht gerechnet.“

Aber, wir sind ja eigentlich in einer Kirche. Wie viel christlicher Glaube steckt denn hier drin? „Natürlich spielt das für uns eine Rolle. Daher gibt es auch immer zur Halbzeit ein Lied und eine kleine Geschichte aus der Bibel“, erzählt Mareike Hohage. Der Gemeinde sei es wichtig, immer wieder Aktionen für Familien anzubieten und die Türen zu öffnen. „Wir haben ja beispielsweise auch den Osterweg oder das Vater-Kind-Frühstück. Es geht darum, einfach offen zu sein und mögliche Hemmschwellen abzubauen“, erklärt sie. Und wer möchte, kann dann ganz für sich entscheiden, auch mal zu einem normalen Gottesdienst zu kommen. Diese finden immer sonntags um 11 Uhr statt. Parallel gibt es auch einen Kindergottesdienst. Oder zum Spielgruppe „Mucki-Treff“ am Mittwochmorgen von 9.30 bis 11 Uhr. „Aber das ist gar kein Muss“, betont sie. Viele verbringen auch einfach nur einen schönen Tag mit ihren Kindern – und irgendwie steckt ja auch darin ganz viel christlicher Wert. In den vier Tagen, die der Winter-Spielraum bereits geöffnet war, gab es für Mareike Hohage und ihr Team viele schöne Begegnungen und Erlebnisse. „Es sind so kleine Dinge. Eine Frau hat uns zum Beispiel einfach einen Kuchen gebracht, um uns zu unterstützen“, so etwas ist toll. Das Angebot ist komplett kostenlos. Wer möchte, darf etwas in ein kleine Spar-Schaf werfen.
Mareike Hohage muss weiter. Das Schlimmste, was bei einem solchen Event aus Kindersicht eintreten kann, ist passiert: Die Kekse sind leer. Das geht natürlich nicht. Sofort wird der Behälter wieder aufgefüllt. In dem großen Raum geht es derweil wild zu. Es wird getanzt. Das Lied ist die Einleitung zur Geschichte und lockt auch die Kinder aus den anderen Räumen an. Erst jetzt wird deutlich, wie viele Kinder tatsächlich im Haus sind – sehr viele.
Nach der Geschichte, die Franziska Renfordt vorliest, bleibt keine Zeit zum Ruhe genießen für Mama. So ruhig es gerade war, so wild und laut geht es binnen weniger Sekunden weiter. Die Hüpfburg steht wieder und die Spieleparty wird fortgesetzt. Mini-Kind und ich wollen nun mal auf Entdeckungstour gehen. Im Treppenhaus gibt es ein interaktives Reaktionsspiel. Einen Treppenabsatz weiter oben gibt es eine Mini-Basketballanlage, wie man sie von der Kirmes kennt. Dort werden Punkte gesammelt. Beides begeistert eher die großen Kinder.
Oben angekommen gibt es rechts ein Zimmer, das voll ist mit tausenden von Bauklötzen. In einer Ecke bauen Lenia und Emmi. Ihr Turm ist schon so hoch, dass Lenia nicht mehr raus kommt. Ein Junge hat einen riesigen Turm gebaut. „Boah, Mama, guck mal, wie gut der Junge bauen kann“, sagt die Große voller Bewunderung. Mein Griff um die Hand der Kleinen verstärkt sich etwas. In dem Raum wirkt das Kleinkind wie eine Abrissbirne. Wir ziehen also sicherheitshalber weiter. Hier wird gebastelt, mit Lego gebaut und es gibt einen Billardtisch. Es ist viel ruhiger als unten.

Für jedes Alter ist etwas Passendes dabei. Die Kleine will wieder toben, es geht also zurück nach unten. Ich mache es mir im Bereich des Eingangs bequem. So kann ich sehen, wenn sie geht, aber auch einen Moment Ruhe haben. Zumindest mental. Von der Lautstärke sicher nicht. Es dauert nicht lange und eine Bekannte gesellt sich zu mir. Ihre Zwillinge spielen und wir quatschen über Urlaub und Hobbys. Wenig später kommt die Mama einer Schulfreundin meiner Tochter. Es geht um Fortschritte beim Lesen, kaputte Hausschuhe und Butterbrotdosen. Typischer Mutti-Talk zwischen Kaffee, tobenden Kindern und Snackbar – und es ist wundervoll. Es wird gelacht, man trifft sich. Eine Auszeit vom grauen Alltag. Ein echter Eltern-Kind-Treffpunkt. Jetzt ist 18 Uhr – Ende. Jacken an, Schuhe an und raus. Es ist kalt und es hat geschneit. Die Straßen sind weiß. Es ist wie ein Schritt zurück in die triste Winterwelt. Der Winter-Spielraum war ein ganz besonderer Familien-Kosmos, die normale Welt und der Alltag blieben vor der Tür.
Die Kinder und ich sind uns einig. Wir kommen wieder. Und dann heißt es: Schuhe aus und Vollgas.
Am heutigen Freitag ist der Winter-Spielraum noch einmal von 15 bis 18 Uhr geöffnet.