„Wir feiern Volkstrauertag. Und ich muss sagen, das zu feiern fällt mir in diesem Jahr schwer. Volkstrauertag war doch eigentlich ein Tag des Rückblicks, der Erinnerung, des Nicht-Vergessen einer längst geschehenen Vergangenheit. Es gab immer ein gewissen Abstand zwischen mir und dem Gedenken“, sagte Pfarrerin Mara Schwäbe zu Beginn der Veranstaltung. Aber irgendwie habe sich die Erinnerung ein wenig verändert, zu Respekt und Ehrfurcht mischten sich bei ihr Angst und Sorgen. Mara Schwäbe: „Volkstrauertag zu feiern ohne den Blick auf die aktuellen Ereignisse der Welt, ist in diesem Jahr für mich nicht möglich.“
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der nun fast drei Jahre andauert, sei einer der Gründe. Viele Menschen seien gestorben und deren Familienangehörigen nehmen nun den Platz an der Front ein. „Mit Kriegsstrategien, die mich sehr an die Vorgehensweisen des Nationalsozialismus in Warschau erinnern. Der zu einem Schauplatz der Machtfragen in der globalen Politik wird“, erklärte Schwäbe. Hinzu komme ein Krieg im Nahen Osten, bei dem es nicht so wirklich eine richtige Seite gebe, „außer die der zivilen Bevölkerung, die das Leid des Krieges tragen muss. Bei dem Religion wieder zum einen als Machtzweck missbraucht wird und zum anderen als Rechtfertigung für Gewalt gegen Menschen jüdischen Glaubens.“ Auch die politische Entwicklungen in Amerika, in Europa und in Deutschland würden nicht zur Entlastung beitragen. „All das macht mir Angst, weil die Sicherheit brüchig wird oder bereits zerbrochen ist, sodass neue Opfer von Gewalt und Krieg hinzukommen und hinzukommen können“, sagte Schwäbe und zitierte aus der Rede des Bundespräsidenten: „Unsere Verantwortung gilt dem Frieden.“
Sie erklärte auch noch einmal die Bedeutung des Worts „Frieden“: „Ich finde es ganz spannend, dass im deutschen Sprachkreis das Wort Frieden von Einzäunen kommt.“ Das hebräische Wort „Schalom“ stamme von der Wortwurzel „Shin-lamet-mem“ und könnte am besten mit „Vollkommenheit“ übersetzt werden. Schwäbe: „In anderen Worten: Im deutschen Sprachkreis bedeutet Frieden, wenn die Grenzen halten, im hebräischen, wenn auch die, die hinter der Grenze leben, in die Entspannung mit einbezogen sind – im Sinne von umfassenden Heil.“ Sie appellierte an die Anwesenden, dem Frieden Raum zu geben. Symbolisch dafür traten alle Besucher drei Schritte zurück.
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Beteiligt waren auch wieder die Schüler der Sekundarschule. Die Achtklässler hatten das Gedicht „Marienleben“ von Serhij Zhadan mitgebracht. „Eisen und Stahl formten die Stadt, die einst hier stand. Jetzt fliehen wir mit einem Koffer in der Hand. Einem Koffer voll Asche, der Abfall der Artillerie, Brandgeruch tränkt unsere Träume wie nie“, lasen die Schüler vor. Zeilen die der Urkainer Serhij Zhadan über den Krieg im Donbass schrieb.
Musikalisch wurde die Gedenkveranstaltung vom Posauenenchor begleitet. Die Feuerwehr, die mit Mitgliedern der Jugendfeuerwehr sowie der Löschzüge Nachrodt und Wiblingwerde vertreten war, legte traditionell den Kranz am Ehrenmal ab.