Tatsächlich will sie nicht aus dem Bus raus. Also packen zwei Polizistinnen sie an den Armen, um sie nach draußen zu befördern. Vor dem Bus holt die Betrunkene plötzlich zum Faustschlag aus. „Ich musste nach hinten ausweichen. Wir wurden die ganze Zeit beleidigt mit Kurwa und wir sollten uns verpissen“, sagt eine Beamtin (27) im Amtsgericht Lüdenscheid als Zeugin aus.
Dort muss sich die Plettenbergerin wegen tätlichen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und versuchter Körperverletzung verantworten. Aufgrund ihrer damaligen Alkoholisierung habe sie kaum Erinnerungen an den Tag, erklärt die 49-Jährige. Sie wisse nur noch, dass sie nach Hause hatte fahren wollen. „Ich hatte aber kein Geld. Ich habe den Busfahrer gebeten, mich trotzdem mitzunehmen. Das wollte er nicht.“
„Sie wollte sich nicht wieder anziehen“
Ab dem Zeitpunkt, als die Polizistinnen aufgetaucht seien, habe sie keinerlei Erinnerungen mehr. Umso wichtiger sind die gerichtlichen Zeugenaussagen der Beamtinnen. Und so berichtet die Polizistin weiter. Nach dem versuchten Faustschlag hätten sie und ihre Kollegin die Angeklagte fixiert. „Sie hat sich dagegen gesperrt.“ In der Gewahrsamszelle sei die 49-Jährige durchsucht worden, so die Zeugin. Dafür sei eine Entkleidung nötig. Um der Person eine komplette Nacktheit zu ersparen, würden Ober- und Unterkörper nacheinander entblößt, sodass ein Teil immer von Kleidung bedeckt sei.
Nach der Durchsuchung der unteren Körperhälfte habe sich die Plettenbergerin nicht mehr anziehen wollen. Sie habe sich stattdessen sehr pietätlos verhalten, sagt die 27-Jährige. Ihre Kollegin (29) erklärt dazu in ihrer Zeugenvernehmung: „Sie wollte sich nicht wieder anziehen. Sie hat sich mit gespreizten Beinen vor uns hingesetzt.“ Die Angeklagte habe sie in der Zelle angegriffen, so die 29-Jährige. „Es waren definitiv gezielte Schläge in unsere Gesichter. Als sie gelegen hat, gab es auch Tritte. Es könnte sein, dass die Tritte auch gezielt waren.“
„Ich habe die falschen Leute getroffen“
Die Verteidigung der Angeklagten gibt den Prozessbeteiligten einen kleinen Einblick in das Leben der Mandantin. Sie habe ein beeinträchtigtes Kind in Polen. Sie wollte in Deutschland arbeiten und sich und ihrem Sohn ein gutes Leben ermöglichen. Ihr Plan sei jedoch nicht aufgegangen. „Ich habe die falschen Leute getroffen“, sagt die 49-Jährige. Plötzlich habe Alkohol ihr Leben bestimmt: „Wenn ich trinke, bin ich ein anderer Mensch. Ich habe dann Angst vor mir selber.“
Oft sei sie um den Tattag herum irgendwo aufgewacht, ohne zu wissen, wie die dorthin gekommen war. „Einmal bin ich in einem Fluss aufgewacht“, sagt die Plettenbergerin. Inzwischen habe sich ihr Leben aber geändert. Sie sei freiwillig in eine Klinik gegangen und habe einen Job gefunden. Fünf Vorstrafen wegen Diebstahls, Körperverletzung, Widerstands und Beleidigung bringt die Frau mit. Ein Jahr hat sie im Gefängnis gesessen. Das habe sie geprägt, erklärt die Angeklagte.
Das Gericht rechnet den Lebenswandel positiv an. Aufgrund der Alkoholisierung geht die Richterin von verminderter Schuldfähigkeit aus und verurteilt die 49-Jährige zu acht Monaten Haft auf Bewährung. Arbeitet die Frau mit einem Bewährungshelfer zusammen, bleibt straffrei und nimmt Gespräche bei der Caritas wahr, muss sie nicht wieder hinter Gitter.