Im Rahmen der Grundsteuerreform wurden bundesweit Neubewertungen auf der Grundlage von Eigentümer-Erklärungen durchgeführt. Kämmerin Sabine Plate-Ernst führte aus, dass im Ergebnis das Messbetragsvolumen für die Grundsteuern A und B in Herscheid gesunken ist. Um im Sinne der Aufkommensneutralität weiterhin Einnahmen von 1,52 Millionen Euro aus den Grundsteuern zu erzielen, müsste Herscheid nach Berechnung des Landes NRW die Hebesätze für die Grundsteuer A auf 158 Prozent und für die Grundsteuer B auf 789 Prozent festsetzen.
Dadurch, so erläuterte Sabine Plate-Ernst, würden allerdings die Wohngrundstücke, im Gegensatz zu den Nichtwohngrundstücken (u. a. Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke), deutlich mehr belastet. Diese seien nämlich deutlich niedriger bewertet worden als zuvor. Betrachte man die Wohngrundstücke separat, so wäre ein aufkommensneutraler Hebesatz in etwa in bisheriger Höhe von 680 % (statt 789 %) ausreichend.
Um dies auszugleichen, verabschiedete der Landtag NRW das Gesetz über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierter Hebesätze. Den Kommunen wird damit die Möglichkeit eines differenzierten Hebesatzes eingeräumt und somit die Entscheidung ermöglicht, unterschiedliche Hebesätze für Wohngrundstücke und Nichtwohngrundstücke festzulegen und damit den örtlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Für Herscheid würden dabei nach NRW-Berechnung die aufkommensneutralen Hebesätze für die Grundsteuer B bei 671 Prozent für Wohn- und bei 1293 Prozent für Nichtwohngrundstücke liegen.
Für die Einführung differenzierter Hebesätze nannte Sabine Plate-Ernst zwei hohe Hürden: Es fehle zurzeit noch die entsprechende Computersoftware und wenn diese demnächst zur Verfügung stehe, benötige die Verwaltung Zeit, um die Änderung umzusetzen. Außerdem gebe es keine Rechtssicherheit. Die Kämmerin verwies auf zwei gegensätzliche Gutachten: „Wenn die Gerichtsentscheidungen zu der Verneinung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit kämen, hätte das zur Folge, dass, bei Anwendung der differenzierten Hebesätze, die Hebesatzsatzung nichtig wäre.“
Die Verwaltung empfahl daher, ab 1. Januar 2025 zunächst die bisherigen einheitlichen Hebesätze auf die Grundsteuer anzuwenden. Das würde allerdings einen Einnahmeverlust von rund 146.000 Euro für die Gemeinde bedeuten. „Die Eigentümer von Nichtwohngrundstücken müssen sich daher darauf einstellen, dass die gewährte Steuerentlastung so bald wie möglich durch die Einführung differenzierter Hebesätze rückgängig gemacht wird“, betonte Sabine Plate-Ernst.
Die SPD-Fraktion plädierte dagegen für die Einführung der Differenzierung ab 1. Januar 2025. „Eine Steuersubvention für Geschäftsgrundstücke können wir uns angesichts der Haushaltslage nicht leisten und sie ist auch nicht angebracht“, meinte Patrick Butschkau. Nach Informationen der SPD werde Südwestfalen IT bis spätestens Ende Januar das Softwareupdate liefern. Die Klärung der rechtlichen Lage könne Jahre dauern. Den Einnahmeverlust über diesen ungewissen Zeitraum könne sich Herscheid nicht leisten.
Dietrich Herfel (Grüne) stimmte Butschkaus Ausführung „zu 100 Prozent“ zu: „Die 146.000 Euro würden direkt in unsere Schulden gehen.“ In der weiteren Diskussion kamen auch die Vertreter von CDU, FDP und UWG zu der Auffassung, die Differenzierung direkt umzusetzen. Die Befürchtung der Verwaltung, im Falle entsprechender Rechtsprechung einen Totalverlust der Steuereinnahmen zu erleiden, teilen die Politiker nicht. Selbst im ungünstigsten Falle würde das Risiko bei 146.000 Euro liegen, die zurückerstattet werden müssten, sind sie überzeugt.
Mit der einstimmigen Empfehlung des Hauptausschusses, die differenzierten Hebesätze zum 1. Januar 2025 einzuführen, geht das Thema in die Ratssitzung, in der am 9. Dezember der endgültige Beschluss gefasst wird.