Sehr geehrter Herr Brosch, schon wieder ist ein Jahr vergangen. 2023 – was bleibt Ihnen in Erinnerung, sowohl positiv als auch negativ?
„2023 war ein weiteres Jahr, das durch unterschiedliche Krisen geprägt war. Wir spüren in Halver deutlich die Auswirkungen steigender Zahlen Geflüchteter in unseren Unterkünften, gehen um mit den Auswirkungen einer lange nicht dagewesenen Inflation, spüren Lärm, Staub und kaputte Straßen durch die Brückensperrung in Lüdenscheid und kämpfen mit den Auswirkungen des Hackerangriffs auf unseren EDV-Dienstleister, der uns in verschiedenen Kernbereichen unseres Dienstleistungsangebots nahezu handlungsunfähig gemacht hat.
Ich bin stolz darauf, dass wir trotz dieser Widrigkeiten viele geplante Projekte umsetzen konnten. Das gilt für die Feuerwehr genauso wie für den Klimaschutz oder das Kulturprogramm. Mein Dank gilt den zahlreichen Ehrenamtlern in unserer Stadt genauso wie der gesamten Mannschaft im Rathaus.“
Die Stadt Halver erwartet im kommenden Jahr ein enormes Defizit im Haushalt – mehr als drei Millionen Euro. Wie wollen Sie Halver vor einer drohenden Haushaltssicherung bewahren?
„Ich habe gemeinsam mit Simon Thienel als zuständigem Kämmerer einen Entwurf in die Hausberatungen eingebracht, der unseren politisch Verantwortlichen und der Bevölkerung sehr anschaulich vor Augen führt, wie sich die Finanzsituation unserer Stadt im Grünen entwickelt, wenn wir nicht gegensteuern. Ich halte es für geboten, durch geeignete Maßnahmen gegenzusteuern, damit wir aktuelle Krisen finanziell nicht ausschließlich der nächsten Generation überantworten.
Ich gehe davon aus, dass sich alle politisch Verantwortlichen über den Ernst der Lage bewusst sind und an einer gemeinsamen, fairen Lösung arbeiten werden.“
An welcher Stelle wollen Sie Mehreinnahmen erzielen, wo wollen Sie Ausgaben senken?
„Da der Löwenanteil der Ausgaben fremdbestimmt ist, können wir hier als Stadt Halver nur an Bund, Land, Landschaftsverband und Kreis appellieren, die Finanzausstattung der kommunalen Familie zu verbessern bzw. ihren eigenen Umlagebedarf zu reduzieren oder mindestens zu deckeln. Das haben wir als Stadt getan und bescheidene Erfolge erzielt, die das Problem nicht lösen.“
Steuern rauf, Haushalt entlasten – wäre das nicht die Lösung?
„Mein Eindruck in der Zeit, in der ich in unterschiedlicher Funktion politisch Verantwortung übernommen habe war, dass wir in der Vergangenheit mit der Frage möglicher Steuererhöhungen immer sehr verantwortlich umgegangen sind.“
Sie haben ein Investitionspaket in Höhe von 13,7 Millionen Euro vorgelegt. Warum gibt Halver mehr Geld aus, als es einnimmt?
„Die Frage möglicher Investitionen ist nur mittelbar mit den Haushaltsergebnissen der mittelfristigen Finanzplanung verbunden, da sich Investitionen erst über den Abschreibungszeitraum auswirken. Die Schlussfolgerung, dass Halver mehr Geld ausgibt, als es einnimmt, kann man daher nicht mit einem Blick auf die Investitionssumme ziehen, wohl aber die Schlussfolgerung, ob wir die Projekte brauchen, die sich hinter den Investitionen verbergen, um unsere Aufgaben zu erfüllen und unsere Heimatstadt attraktiv und lebenswert zu gestalten.“
Rückblickend – hätten städtische Ausgaben schon früher zugunsten des Haushalts vermieden werden müssen?
„Nun das ist immer die gleiche Gradwanderung zwischen „im Luxus schwelgen“ und „sich kaputtsparen“! Für mich ist diese Gradwanderung geglückt, wenn ich in meinem Heimatort eine hohe Lebensqualität bei angemessener Steuerlast habe. Ich glaube, dass wir da in Halver sehr gut aufgestellt sind und die Menschen, mit denen ich spreche, bestätigen mir das ganz überwiegend.“

Wie können deutliche Kostensteigerungen wie zuletzt beim Gerätehaus Bommert oder dem ZOB-Umbau umgangen werden?
„Es gibt eine relativ einfache Möglichkeit und das ist eine deutlich höhere Planungstiefe im Vorfeld eines Projekts auf der einen Seite sowie Risikoaufschläge bei Förderprojekten, bei denen die Kalkulationen oft mehrere Jahre alt sind, bevor wir den Förderbescheid in der Hand halten.
Eine höhere Planungstiefe im Vorfeld bedeutet natürlich höhere Ausgaben für Gutachten und ähnliches, bevor wir überhaupt wissen, ob das Projekt politisch überhaupt tragfähig ist.“
Das Bürgergeld und dessen Erhöhung sind umstritten. Im Bund debattieren Regierung und Opposition gleichermaßen. Mit Blick auf kommunaler Ebene – wie viel muss ein Sozialstaat leisten?
„Mit Blick auf die kommunale Zuständigkeit fallen mir nahezu keine freiwilligen kommunalen Leistungen ein. So weit wir in der Vergangenheit gemeinnützige Vereine und Initiativen durch freiwillige Zuschüsse unterstützt haben, würde ich keinen einzigen davon zurücknehmen. An dieser Stelle zu streichen, würde Halver „anders“ arm machen!“
Nach der Bauschutt-Debatte im Rat hatten die Lokalpolitiker Ihnen teilweise öffentlich das Vertrauen entzogen. Wie wollen Sie eine vertrauensvolle Basis wieder herstellen?
„Rat und Verwaltung sprechen in allen wichtigen Fragestellungen konstruktiv miteinander. Das werden wir auch künftig tun. Die meisten Entscheidungen, die im Rat getroffen werden, erfolgen einstimmig. Haupt- und ehrenamtliche Vertreter der Stadt und Verwaltung sind mit dem Ziel angetreten, unsere Stadt konstruktiv und zukunftsfähig zu gestalten. Mein Eindruck ist, dass wir das in der Vergangenheit geschafft haben und in Zukunft schaffen werden.“

Wie schätzen Sie den A45-Umleitungsverkehr in und um Halver derzeit ein?
„Die Brückensperrung belastet Lüdenscheid und die benachbarten Kommunen immer noch massiv. Meine Sorge, die Heerstraße könnte nach dem Lkw-Durchfahrtsverbot in Brügge massiv zusätzlich belastet werden, hat sich glücklicherweise als unbegründet herausgestellt.
Die Stadt Halver hat mit Straßen.NRW eine Vereinbarung geschlossen, um die Landstraße zwischen der Karlshöhe und der Einmündung auf die B229 (Höhe Kreisel) im Frühjahr zu sanieren. Dafür bin ich sehr dankbar, denn der Straßenzustand führt derzeit zu einer hohen Lärmbelastung für die Anlieger und Gefahrensituationen und Schäden für die Verkehrsteilnehmer.“
Im LokalDirekt-Interview 2022 hatten Sie in Aussicht gestellt, bis zum Frühjahr 2024 Skate- und Bike-Angebote in Halver schaffen zu wollen. Daraus wird nichts. Welche Perspektive können Sie Jugendlichen in Halver geben?
„Für die Umsetzung des Skate- und Bikeparks ist es wichtig, dass wir zu rechtmäßigen Ergebnissen kommen, damit die Anlage dauerhaft zur Verfügung steht. Hier sind noch Umweltprüfungen zu machen, die einfach Zeit brauchen. Hier geht Rechtmäßigkeit vor Schnelligkeit, wenn wir den jungen Menschen ein gutes Angebot machen wollen, das sie selbst mit erarbeitet haben. Die Perspektive hat sich nicht verändert!“
Kommunalwahlen 2025 – Steht Michael Brosch nochmal auf der Kandidatenliste?
„Das habe ich für mich noch nicht entschieden. Es ist ja auch noch lange hin bis zur Kommunalwahl. Meine ersten Gesprächspartner werden Familie und Ortsverein sein, nicht LokalDirekt, da bitte ich um Verständnis.“
Vorsatz 2024 – was nehmen Sie sich fürs neue Jahr vor, politisch und privat?
„Politisch geht es seit meinem Amtsantritt im Jahr 2015 darum, trotz aller Krisen gemeinsam mit Rat und Verwaltung Halver gut für die Zukunft aufzustellen. Städtebaulich wird uns das Wippermann-Gelände im kommenden Jahr ebenso fordern wie die Umorganisation innerhalb des Rathauses oder die Energiewende im Kleinen. Privat werde ich versuchen, etwas mehr Zeit für Familie und Freunde zu finden.“